Laras „Weg ins Licht“ endete tödlich
Das Geschäft mit der Esoterik boomt und längst ist ein milliardenschwerer Markt entstanden. Alleine in Süddeutschland werden rund 600 kleinere und größere Gruppierungen dieser Szene zugerechnet. Ständig steigt auch die Zahl der esoterischen Lebensberater, deren Berufsausübung gesetzlich kaum geregelt ist. Was passieren kann, wenn man in die Fänge solcher verantwortungsloser Heilsbringer gerät, zeigt dieses Beispiel einer jungen Frau aus Schwaben, die nicht mehr weiter wusste…
11.4.2014 – in einem Stuttgarter Vorort. Lara P. (28) verlässt zur Mittagszeit ihr Elternhaus, steigt in ihren Wagen und fährt davon. Etwa zwei Stunden später trifft sie im Freizeitpark Rust ein und mietet sich auf dem Gelände in einem Hotel ein Einzelzimmer. Am gleichen Abend kauft sie in einem Laden ein, unter anderem eine Flasche Spiritus. Am nächsten Morgen kauft sie nochmal ein, diesmal ein Kochmesser und einen Schöpflöffel. Gegen Mittag finden sie Spaziergänger in einem einsamen Waldstück. Lara hat sich in ihrem Auto die Pulsadern aufgeschnitten und ist verblutet.
Der Hintergrund
Lara, gelernte Reisekauffrau, bekam vor etwa zwei Jahren Kontakt zu dem selbsternannten Geistheiler und Lebensberater Marco D. Eine Bekannte hatte ihr erzählt, dass der Mann aus einer oberschwäbischen Kleinstadt mit übersinnlichen Kräften ausgestattet sei und schon sehr vielen ratsuchenden Menschen geholfen habe, ihre Lebenskrisen zu überwinden. Lara war an Esoterik interessiert, wurde neugierig und es dauerte nicht lange, bis sie Marco D. kennen lernte und „sofort fasziniert“ war, wie sie später einer Freundin erzählte. Ständig nahm sie den langen Anfahrtsweg von Stuttgart Richtung Oberschwaben in Kauf und bald schon merkten ihre Freunde, dass sich Lara zunehmend veränderte und abschottete. Viel erzählte sie nicht, von einer Beziehung zu Marco D. war nur im Ansatz die Rede. Eher davon, dass sie sich in der Gruppe „sehr wohl“ fühle, ihr Marco D. die Augen geöffnet habe und ihr völlig neue Lebensperspektiven aufzeigen würde.
Psychischer Druck und Gehirnwäsche
Ihre beste Freundin erinnert sich: „Ich mache mir heute noch Vorwürfe, dass ich nicht früher reagiert habe, als sie über diese Gruppe geredet hat. Sie erzählte nur wenig, aber Laras Aussage, Marco D. würde `tief in ihre Seele schauen` hätte mich stutzig machen müssen. Etwa zwei Monate vor ihrem Selbstmord kam sie völlig aufgelöst zu mir. Angeblich habe man ihr erklärt, dass es in der Gruppe üblich sei, Liebe zu teilen. Lara hatte wohl eine sexuelle Beziehung zu Marco D. und das alles nicht verkraftet. Dieser Mensch hat sie mit seinem Esogequatsche in eine Psychose getrieben“.
Eine andere gute Bekannte äußert sich ähnlich: „Lara war früher eine attraktive, lebenslustige junge Frau. Nachdem sie sich in diesen Menschen verliebt hat, legte sie keinen Wert mehr auf ihr Äußeres. Einmal kam sie zu mir und brach heulend zusammen. Sie gab zu, zu diesem Marco eine sexuelle Beziehung zu unterhalten und berichtete auch davon, dass Marco mit der Gruppe, die fast ausnahmslos aus jungen Frauen besteht, oft nächtelang diskutiert und laut Lara seine feinstofflichen Energien an alle verteilt habe. Sie musste dort auch arbeiten, was ihr als Therapie verkauft wurde. Auffällig war außerdem, dass sie plötzlich ihr altes Umfeld nur noch als negativ empfunden hat, alles außerhalb der Gruppe wurde als schlecht bezeichnet, darunter auch ihre Familie. Für mich war das ein enormer psychischer Druck und pure Gehirnwäsche, der Lara da ausgesetzt war“.
„Da stimmt was nicht“
Mitteilungen auf Laras Handy belegen, dass es zwischen ihr und dem knapp 50-jährigen Marco D. tatsächlich eine sexuelle Beziehung gegeben hat. Die Abhängigkeit von Marco D. führte auch dazu, dass Lara, die nur über wenig Geld verfügte, monatlich mehrere hundert Euro auf das Konto von Marco D. überwiesen hat. Kein Einzelfall, wird gemutmaßt. Nachbarn von Marco D. berichten, dass in seinem Haus junge Frauen ein- und aus gingen und meist zu später Stunde Autos aus ganz
Süddeutschland vorfahren würden und erst im Morgengrauen wieder verschwänden. „Da gehen ganz seltsame Dinge vor“, erzählen mehrere Anwohner und vermuten: „Der lässt die jungen Frauen für sich arbeiten. Da stimmt was nicht“. Mehr will er nicht sagen: „ich habe keine Lust auf Probleme“. Nur soviel noch: „Erwähnen Sie bitte auf keinen Fall meinen Namen“.
Die bizarre Suche nach Lara
Am 11.4., Lara war gerade aus ihrem Elternhaus gestürmt, telefonierte ihre Mutter mit Marco D. und teilte ihm mit, dass Lara verschwunden sei. Laras Eltern wussten, dass ihre Tochter seit geraumer Zeit immer wieder zu Marco D. fuhr und hatten sie auch einmal dorthin begleitet. Glücklich seien sie nicht gewesen über die neuen Freunde ihrer Tochter, hätten diese aber schlussendlich akzeptiert, weil Lara sich eigenen Angaben nach dort gut aufgehoben fühlte.
Kaum drei Stunden nach diesem Gespräch stand Marco D. im Garten der Familie, mit im Gepäck mehrere „Hellseher“ und „Heiler“. Laras Vater: „Es war absurd. Marco D. breitete eine Landkarte auf dem Tisch aus und ließ ein Pendel darüber gleiten. Im Hintergrund spendeten seine Mithelfer Energie, um Lara zu finden“. Marco D. nannte schließlich mehrere Orte, an denen Lara sich seiner Kenntnis nach aufhalten sollte.
Daraufhin machten sich Freunde der Familie auf die Suche und irrten stundenlang durch die Gegend, ohne Lara zu finden. Wie auch, zu diesem Zeitpunkt war sie ja schon in Rust. Marco D. blieb mit einer seiner Helferinnen im Haus. „Das war ein Fehler“, sagt Laras Vater, „als wir zurück kamen, fanden wir ihren Abschiedsbrief verbrannt in einem Aschenbecher“. Der Brief lag neben Laras Bett, ihr Vater hatte ihn in der ganzen Hektik nur kurz überflogen und kann sich erinnern, dass seine Tochter nur wenige Zeilen auf einen Block gekritzelt hatte: „Wir sollten ihr verzeihen und ihren Kopf untersuchen lassen. Sie war ja der Meinung, sie sei schwer krank, das hat man ihr dauernd eingeredet “. Auf die Frage, warum er den Brief verbrannt habe, gab Marco D. an, damit habe er „negative Verwirbelungen“ auflösen wollen, die die Suchaktion hätten stören können. Eine neuropathologische Obduktion im Klinikum Stuttgart brachte übrigens keinerlei Hinweise auf eine ernsthafte Erkrankung Laras.
Ermittlungen eingestellt
Nach Laras Suizid hat ihre Familie nie mehr etwas von Marco D. gehört. „Kein Beileid, nichts“, so der Vater. Die Familie und Laras gesamtes Umfeld ist geradezu traumatisiert und will Aufklärung. Was ist mit ihrer Tochter konkret passiert? Warum wird der „Heiler“ und „Lebensberater“ Marco D. nicht zur Verantwortung gezogen? Die zuständige Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte aber das Verfahren nach kurzer Zeit ein. Es habe „keine Hinweise auf Fremdverschulden“ gegeben, so die knappe Begründung. Außerdem sei die junge Frau alt genug gewesen, um zu wissen, „auf was sie sich da einlässt“.
Mittlerweile plant Marco D., in seiner Heimatstadt einen esoterischen Laden zu eröffnen, dem ein Beratungszentrum angeschlossen ist.[modal id=“19250″ style=button color=default size=default][/modal]
Autor: Holger Reile
Wie ich von anderen Kommentatoren las, und dem auch zustimmen muss, lauern solche Gruppierungen eben auf gute und idealistische Menschen.
Dass dies der Fall ist, möchte ich an einem Buchbeitrag von Hugo Stamm („Sekten“), Journalist und Sektenexperte bei der Züricher Tageszeitung, erläutern.
Ich zitiere (selbst „Sektenopfer“ ), allerdings kein „Gutmensch“ sondern als Kind in eine „christliche fundamentalistische Sekte“ hineingeboren :
„Die Mehrheit der Bevölkerung ist nicht anfällig für totalitäre religiöse Heilsprinzipien. Sie kann es deshalb nur schwer verstehen, weshalb so viele Menschen ihre bisherige Existenz aufgeben und in der Isolation einer fanatischen Gruppe leben.
Der Tenor: „Wie kann man nur so dumm sein und den Scharlatanen auf den Leim kriechen!“
Ich (so Stamm) teile diese Einschätzung nicht.
Die Anfälligkeit für Heilslehren und vereinnahmenden Gruppen hat wenig mit Intelligenz zu tun, sondern viel mit unserer Lebensweise, der gesellschafts-politischen Entwicklung, der psychischen Befindlichkeit und unseren religiösen Defiziten.
Es sind vor allem sensible, idealistische Leute, die sich von den Ideen totalitärer Gruppen begeistern lassen. Personen, die andere Werte und einen unvergänglichen Lebenssinn suchen.
Leute also, die an der Welt zerbrechen, in der Erfolg und Effizienz zum Maßstab aller Dinge zu werden droht.
Mir (Stamm) sind Menschen, die sich wehren, von diesem Zeit Trend vereinnahmt zu werden, sympathisch. Und, ich verstehe ihren Wunsch, in die vermeintlich heile Welt abzutauchen, sich dem Sektenchef als Übervater anzuvertrauen uns im Kreis der Gleichgesinnten die Welt vor dem Untergang zu retten.
Ihr Pech oder Schicksal ist, dass sie sich täuschen und missbrauchen lassen.
Etc……. Zitatende
Dem kann ich – auch aus eigener Erfahrung, denn ich wäre beinahe zu schnell nach m. Ausstieg wieder in irgendwelche religiösen Fallen geraten – nur zustimmen.
Der Ausstieg ist sehr schwer, wenn nicht (wie in dem Fall Laras) fast unmöglich. Es gab – zwar lange her, 1996 – einen „Sektenabend“ auf Arte, den Marion von Haaren moderierte.
Ein darin enthaltener französischer Beitrag zeigte genau auf, wie man Menschen -jeglicher Art – manipulieren kann.
(Ich werde ihn suchen und – bei Interesse – den Titel ins Netz stellen)
Persönlich kann ich nur hoffen, dass nicht noch mehr junge Menschen diesen Scharlatanen zum Opfer fallen und dass die betroffenen Familienmitglieder dieses Schicksal, ihre Tochter auf diese schlimme Art und Weise verloren zu haben, irgendwann annehmen können.
Meiner Meinung nach ist dies erst möglich, wenn diesem „Guru“
das Handwerk gelegt wird.