„Weg mit dem Korsett“

So ein Slogan der aufkommenden Frauenbewegung gegen Ende des 19.Jahrhunderts. Die Ärztin und Frauenrechtlerin Hope Bridges Adams Lehmann (1855 – 1916), deren Name jahrzehntelang vergessen war, schloss sich dieser Forderung an. Erst kürzlich wurde die Verfilmung von Hope Lehmanns Geschichte – mit Heike Makatsch in der Hauptrolle – auf arte gezeigt. Schon 2002 hatte die Wissenschaftlerin Marita Krauss Vorarbeit geleistet und eine hervorragende Biographie über diese außergewöhnliche Frau vorgelegt.

Hope Bridges Adams Lehmann wurde in Halliford bei London geboren. Ihr Vater war Publizist und Eisenbahnkonstrukteur, die Familie galt als fortschrittlich und weltoffen. Die junge Hope wurde auf das Bedford College geschickt, eines der ersten Colleges, das seine Pforten auch Frauen öffnete. 1873 wechselte Hope auf den europäischen Kontinent über und schrieb sich als Gasthörerin an der Leipziger Universität zum Medizinstudium ein. Um nicht aufzufallen, verpasste sie sich einen Kurzhaarschnitt und trug Männerkleider.

Ein ganz normales Studium war zu jener Zeit für Frauen nicht möglich. Ebenso wenig durften sie damals ohne Einwilligung ihrer Männer arbeiten, an Wahlen teilnehmen oder über ein eigenes Vermögen verfügen. Hope kämpfte sich gegen alle Widerstände durch und legte 1880 als erste Frau in Deutschland ihr Staatsexamen ab. Da ihr Abschluss nicht anerkannt wurde, ging sie kurzfristig in die Schweiz und promovierte in Bern. Ihre Approbation erhielt sie im irischen Dublin. Erst 1904 wird ihr Staatsexamen vom Bundesrat in Berlin anerkannt und damit durfte sie auch im Deutschen Reich offiziell den Doktortitel führen.

1882 heiratete Hope den Arzt Otto Walther, mit dem sie auf gleichberechtigter Basis eine Praxis in Frankfurt führte. Einige Jahre später gründeten die beiden ein Lungensanatorium in Nordrach im Schwarzwald, das sich bald einen guten Ruf erwarb. 1895 ließ sich Hope scheiden und zog ein Jahr später mit ihrem zweiten Mann Carl Lehmann nach München, mit dem sie dort wieder eine Praxis eröffnete.

Hope Bridges Adams Lehmann war die erste praktische Ärztin und Gynäkologin Münchens, engagierte sich neben ihrer ärztlichen Tätigkeit aber auch politisch bei den Sozialdemokraten und stritt vehement für die Selbstbestimmung der Frauen. Sie, zu deren engsten Freundinnen Clara Zetkin zählte, war auch eine der ersten Frauen, die mit einem Automobil unterwegs war und so gar nicht dem damaligen Frauenbild entsprach. In ihrem viel beachteten Frauenbuch waren für damalige Zeiten revolutionäre Aussagen über die Gesundheitsfürsorge für Frauen zu lesen. Auch zum Thema frühkindliche Bildung äußerte sie Thesen, die man heute noch als revolutionär bezeichnen würde.

Zudem plante sie ein Frauenkrankenhaus, das sie Frauenheim nannte. Visionär ihre Vorstellungen auch dazu: Die Patienten sollten über die ärztliche Behandlung umfassend informiert werden; die Klassenmedizin sei aufzuheben und alle Patientinnen müssten gleich behandelt werden. Hope Lehmanns Ideen fanden Anklang bei einflussreichen Personen des öffentlichen Lebens. Aber dann liefen die Hebammen Sturm – sie befürchteten Konkurrenz – und ein Teil der Ärzteschaft schloss sich an. Das ging sogar so weit, dass man der Ärztin unerlaubte Schwangerschaftsabbrüche vorwarf und sie vor Gericht zwang. Dort wurde sie zwar freigesprochen, doch der lange Prozess hatte ihre Gesundheit zermürbt. 1915 dann ein privater Schicksalsschlag: Ihr Mann Carl starb an einer Blutvergiftung. Kaum zwei Jahre später starb auch Hope Lehmann.

Lange war sie vergessen, erst die erwähnte Biographie von Marita Krauss erinnerte an Hope Bridges Adams Lehmann. Die Stadt München benannte ihr zu Ehren 2004 eine Straße im Stadtteil Schwabing mit dem Namen der mutigen Sozialreformerin und Ärztin., die ihrer Zeit weit voraus war.

Autor: H.Reile