Der „Neger“ von Karl Marx
„Wenn die Arbeit etwas Schönes und Erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen“. So ganz unrecht hatte der 1842 in Santiago de Cuba geborene Paul Lafargue wohl nicht, als er das schrieb. In den letzten Jahrzehnten weitgehend vergessen, erlebt Lafargue zur Zeit eine kleine Wiederentdeckung.
Sein Vater betätigte sich als Weinhändler und betrieb dazu eine Kaffeeplantage. 1851 emigrierte die Familie Lafargue nach Frankreich. Paul Lafargue war ein Mischling, unter seinen Vorfahren befanden sich französische Auswanderer, Juden und Mulatten. Anzunehmen, dass ihn seine Herkunft später dazu geführt hat, international und weniger patriotisch und engstirnig zu denken.
Schon als junger Mann interesssierte sich Lafargue für sozialistische und kommunistische Ideen. Er lernte Karl Marx kennen und wurde von ihm politisch geschult. Von Marx` Schriften war Lafargue begeistert: „ Es war, als zerrisse ein Schleier vor meinen Augen (…..) ich war davon wie geblendet.“
Auch Marx war anfangs von seinem Schüler sehr angetan. Der sei „ein Freund“, „intelligent“ und „energisch“ dazu. Das Verhältnis kühlte ab, als Marx merkte, dass sein junger Schüler ein Auge auf seine Tochter Laura geworfen hatte. Da griff der alte Marx sogar in die rassistische Mottenkiste. „Unser Neger“, ließ er verlauten, habe „kein Gefühl für Scham“.
Doch es half nichts, 1867 heiratete Lafargue seine Laura und bekam mit ihr drei Kinder. Nach dem Fall der Pariser Kommune musste das Ehepaar nach Spanien und England fliehen und kam erst 1882, nach der Amnestie für die Kämpfer der Pariser Kommune, wieder nach Frankreich zurück. Tragisch: Während dieser Jahre starben alle Kinder der Lafargues. 1882 gründete Paul Lafargue zusammen mit Jules Guesde den Parti ouvrier, die erste marxistische Partei Frankreichs. Lafargue galt zu jener Zeit, so Eduard Bernstein, als der „bedeutendste Führer des Sozialismus in Frankreich“.
Er schrieb Artikel für Zeitungen und Magazine und reiste als politischer Agitator durch das Land. Im Jahr 1889 eröffnete er den Internationalen Arbeiterkongress in Paris. Sein bis heute bekanntester Text ist Das Recht auf Faulheit, den er 1883 verfasste. Darin distanziert er sich vom damals üblichen Arbeitsethos. Erstaunlicherweise ist der Name dieses Denkers und vorzüglichen Schreibers heute weitgehend nur Insidern ein Begriff. Das könnte sich bald ändern, denn eine Neuerscheinung seiner Überlegungen über Die Religion des Kapitals rückt den glänzend und auch witzig formulierenden Lafargue wieder etwas mehr in den Blickpunkt politischer Debatten. Lafargue wird derzeit wiederentdeckt.
1911 wählte das Ehepaar Lafargue den Freitod. Beide spritzten sich Zyankali unter die Haut, nachdem sie vorher noch die Oper besucht hatten und anschließend ein vorzügliches Abendessen genossen. Etwa 15 000 Menschen begleiteten den Trauerzug zum Pariser Friedhof Pere Lachaise und kein Geringerer als Lenin hielt die Grabrede.
Gefunden wurde eine Notiz, die Auskunft gibt über die Gründe des Selbstmords von Paul und Laura Lafargue: Gesund an Körper und Geist, töte ich mich selbst, bevor das unerbittliche Alter, das mir eine nach der anderen alle Vergnügungen und Freuden des Daseins genommen und mich meiner körperlichen und geistigen Kräfte beraubt hat, meine Energie lähmt, meinen Willen bricht und mich für mich und andere zur Last werden lässt.“
Autor: H.Reile
Bild: Paul Lafargue, Laura Lafargue