Gorbatschow hetzt die Neger auf! (29)

aus: Nebelhorn Nr. 52, September 1985, von Jochen Kelter

Schlimm geht’s in diesem Sommer zu in der Welt. Die Franzosen können in ihrem eigenen Hoheitsgebiet im Südpazifik nicht einmal mehr Bomben zünden, ohne von Greenpeace-Banden behelligt zu werden. In Brasilien, so berichtet der brave General Figuerdo, Bruder des früheren Staatspräsidenten, hetzen „sozialistische Bischöfe Arm in Arm mit den Kommunisten“ die Bauern zur Besetzung von Land auf, das ihnen überhaupt nicht gehört. „Der schwarze Aufruhr in den industriellen Ballungszentren um Johannesburg und Pretoria wird angeheizt von Terrorspezialisten“, berichtet Thilo Koch. Wo? Erraten!

Was dem ZDF sein Löwenthal, ist dem „Südkurier“ sein Thilo Koch („Die an dieser Stelle wiedergegebenen Auffassungen brauchen mit der Meinung der Redaktion nicht übereinzustimmen.“ – Ist sie nicht schick, unsere Pressefreiheit?). Was Thilo am 2. August im „Südkurier“ ausplaudert, stimmt so haargenau mit dem überein, was Richard am 21.8. im „ZDF-Magazin“ verklickert hat, daß man meinen könnte, die beiden hätten zusammen Diamanten geputzt.

Thilo Koch klärt die Nur-Zeitungsleser, diese Dummerchen auf: „Wer die Republik“ – Republik, Herrschaften! – „Südafrika aus eigener Anschauung kennt“ – und nicht nur aus dem „Südkurier“ – „… weiß eines: Es ist unmöglich, ein gerechtes Urteil über dieses Land abzugeben.“ Oho! „Die pauschale und ignorante Verurteilung Südafrikas ist eine perfide, kurzsichtige und darüberhinaus für die Position der westlichen Welt schädliche Heuchelei.“ Ach so! Kein „gerechtes Urteil“, sondern eines das „die Position der westlichen Welt“ stärkt. Ein weißes mithin.

Klar! Es ist doch schließlich so, „daß die weißen Südafrikaner seit 300 Jahren am Kap ansässig sind, … daß sie nie Kolonialherren waren, sondern Siedler, die ähnlich den weißen Amerikanern das Land, in das sie treckten,“ wer, Zwischenfrage, hatte sie eigentlich gerufen? – „mit ihren eigenen Händen aus Urwald in blühende Gärten und fruchtbare Felder verwandelten.“ Die reinste Burenpoesie. Aber was ich noch sagen wollte: mit dem kleinen Unterschied, daß die „weißen Amerikaner“ so klug waren, bei ihrem Zivilisationsfeldzug keine Überlebenden zu dulden. Und daher heutzutage nicht gezwungen sind, einen Thilo Koch anzuheuern, um ihren Rassismus zu verniedlichen.

Es muß ja jeden Zeitungsleser, der Südafrika nicht „aus eigener Anschauung kennt“ wie unser Thilo Koch, schockieren zu hören, daß da unten der „Aufruhr“ blüht, „der schwarze“ zualledem, „angeheizt von Terrorspezialisten, die … in Ländern des Sowjetimperiums selbst ausgebildet wurden.“ Schwarz und rot, das ist zuviel! Thilo Koch könnte sich jedes weitere Wort sparen.

Aber der tut was für sein Geld, so schlecht steht die weiße Währung Südafrikas schließlich gar nicht. „One man one vote, also dasselbe (das gleiche tät’s auch schon) Stimmrecht für jeden Südafrikaner, gleich welcher Hautfarbe?“ Nun? „Das muß ein Fernziel sein,“ für den St. Nimmerleinstag, „die sofortige Verwirklichung würde bedeuten:

Jochen Kelter: Finstere Wolken, Vaterland. Die deutsche Provinzpresse greift ein. 35 Glossen.
Jochen Kelters Glossen erschienen zwischen Dezember 1982 und März 1986 unter dem Pseudonym „Sunny“ im Regionalmagazin Nebelhorn, Konstanz. Seine Kolumnen, die zumeist Leitartikel des damaligen Südkurier-Chefredakteurs Franz Oexle zerpflücken, reflektieren die großen Ereignissen der damaligen Zeit: Mit Kanzler Helmut Kohl (CDU) beginnen bleierne Jahre, die NATO-Aufrüstung löst eine breite Antikriegsbewegung aus, die IG Metall kämpft für die 35-Stunden-Woche, die USA überfallen Grenada, die Flick-Parteispenden-Affäre fordert ein paar Opfer …Sunnys Glossen zeichnen somit auch das Bild bewegter Jahre – mit Hausbesetzungen, Friedensblockaden, der zunehmenden Vernetzung regionaler Initiativen und Alternativzeitungen. Dazu gehörte das selbstverwaltete Nebelhorn, das 1980 zuerst als „Stadtzeitung für Konstanz“ erschien, ab 1984 als „Regionalmagazin für Politik und Kultur“ firmierte und bis 1989 über Ereignisse und Entwicklungen im westlichen Bodenseeraum berichtete.1986 erschienen die 35 Glossen im Drumlin-Verlag unter dem Titel „FINSTERE WOLKEN, VATERLAND. Die deutsche Provinzpresse greift ein“. 35 Glossen. Mit einem Nachwort von Pit Wuhrer. Weil das Buch längst vergriffen ist, erscheinen die 35 Episoden nun als Online-Neuauflage auf seemoz, immer sonntags.Vorwort von Jochen Kelter zur Online-Neuauflage der „Sunny“-Glossen

Übernahme der Regierungs- und Polizeigewalt durch radikale Schwarze, Vertreibung der Weißen, schwarze Stammesfehden …, wirtschaftlicher Niedergang, Verelendung der Massen, Diktatur.“ Dann doch lieber eine Diktatur über die Schwarzen, schön weiß und westlich, wie? Die übrigens nennen Deine Burenfreunde Kaffer, Thilo.

Überhaupt: „Unrecht, Unterdrückung, Diskrimminierung sind im Sowjetimperium … weitaus schlimmer als in Südafrika, das man auch deshalb zum Prügelknaben macht, um von den grausigen Menschenrechtsverletzungen andernorts abzulenken.“ Und „man“, das ist – ob Greenpeace oder ANC – allemal die gottlose internationale atheistische sowjetische Weltverschwörung.

Freund Thilo Koch war einmal Generalsekretär der deutschen Sektion des Internationalen PEN, als dessen Mitglied er sich durch seine Unterschrift verpflichtet hat, „für die Bekämpfung von Rassen-, Klassen- und Völkerhaß … mit äußester Kraft zu wirken.“

Sunny                                                                                                                                   September 1985