Hausbesetzung: Drei OB-Kandidaten nehmen Stellung

Die Wohnungsmisere haben die Kandidaten, die im Herbst neuer Oberbürgermeister in Konstanz werden wollen, selbstredend alle auf der Liste der Dinge, die sie besser machen wollen als der Amtsinhaber. Von der Besetzung eines seit zehn Jahren leer stehenden Hauses in der Markgrafenstraße sind aber auch sie überrascht worden. Wie stehen sie zu diesem Versuch von AktivistInnen, Mietenwahnsinn und Verdrängung durch Selbstermächtigung die Stirn zu bieten. Wir haben Andreas Hennemann, Andreas Matt und Luigi Pantisano um Stellungnahme gebeten. Hier ihre Antworten.


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Andreas Hennemann

Sehr geehrte Damen und Herren,

am Wochenende wurde ein leerstehendes Gebäude in der Markgrafenstraße 10 in Konstanz von mehreren Personen besetzt. Dazu stelle ich fest:

„Mit der Besetzung eines leerstehenden Hauses in der Markgrafenstraße protestieren Menschen gegen hohe Mieten und die Verdrängung von Städten. Sie wenden sich damit gegen die soziale Spaltung in unseren Städten, die auch in Konstanz spürbar ist. Ich habe mir vor Ort ein Bild gemacht und mit Besetzern gesprochen.

Die Besetzung eines Hauses ist eine rechtswidrige Aktion. Dies ist auch den Besetzern bewusst.

Klar muss sein: es gilt das staatliche Gewaltmonopol. Deshalb braucht es staatliche Instrumente, die einen solchen Leerstand verhindern bzw. beseitigen.

Ich kann nicht akzeptieren, dass Wohnungen jahrelang leer stehen. Es gilt nun zu prüfen, weshalb die Satzung der Stadt Konstanz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum in diesem Fall nicht greift. Die Satzung verbietet nämlich den Leerstand, der länger als sechs Monate andauert. Offensichtlich weist das Landesgesetz zur Zweckentfremdung von Wohnraum Lücken auf. Nicht erfasst werden hierin nämlich Wohnungen, die bereits vor 2013 einen Leerstand aufwiesen.

Ich fordere den Landtag auf, den Städten wirksame Instrumente gegen solche Leerstände in die Hand zu geben und die gesetzlichen Lücken im Zweckentfremdungsverbot zu schließen.

Die Stadtverwaltung bitte ich, das Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen. Damit soll geklärt werden, ob und unter welchen Bedingungen eine Zwischennutzung des Gebäudes möglich ist und wie diese vertraglich vereinbart werden kann.“


Andreas Matt

Stellungnahme zur Hausbesetzung Markgrafenstraße 10, 78467 Konstanz

Wie in vielen größeren Städten sind auch in Konstanz stetig steigende Mieten ein Problem, das nicht nur Studierende und neu Zugezogene belastet, sondern auch viele Mitbürger*innen, die schon lange hier wohnen. Der Markt schafft seit geraumer Zeit vor allem hochpreisige Wohnungen in Konstanz. Oberbürgermeister Uli Burchardt hat es in 8 Jahren nicht geschafft, diesem Trend entgegenzuwirken und Wohnraum für geringe und mittlere Einkommen zu schaffen. Die Besetzung des Hauses Markgrafenstraße 10 steht für sein Versagen und zeigt, wie verzweifelt manche Konstanzer*innen auf Grund der prekären Wohnungssituation bzw. des Wohnungsnotstands sind.

Als Fan der Sozialen Marktwirtschaft und dem damit verbundenen Versprechen von Aufstiegsmöglichkeiten und sozialer Gerechtigkeit, ist für mich die Bildung von (Wohn-)Eigentum Voraussetzung für Freiheit und Wohlstand. Das Recht auf Privateigentum ist die wichtigste Triebfeder unserer Sozialen Marktwirtschaft. Deshalb lehne ich die (rechtswidrige) Hausbesetzung ab, denn sie verletzt die Rechte des Eigentümers. Und mit einem Augenzwinkern an meinen Mitbewerber Luigi Pantisano möchte ich sagen: „Die Demonstration und ein intensiver, offener und konstruktiver Dialog mit dem Eigentümer wären zielführend gewesen. So aber reißen Sie Gräben auf anstatt Gräben zu überwinden. Sie schreiben von Miteinander und Füreinander, aber sorgen mit ihrem Handeln für ein Gegeneinander.“

Ich möchte aber auch ein Wort an den Eigentümer richten. Eigentum verpflichtet und soll dem Allgemeinwohl dienen. Und Wohnen ist Gemeinwohl. In einer Stadt mit Wohnungsknappheit ist jede leerstehende Wohnung eine leerstehende Wohnung zu viel.


Luigi Pantisano

Das bestehende Zweckentfremdungsverbot muss konsequent durchgesetzt werden. Leerstand und AirBnB-Wohnungen verursachen für die Allgemeinheit einen großen Schaden. Es kann nicht sein, dass im Paradies oder wie in der Markgrafenstraße ganze Häuser seit Jahren leer stehen. Hier muss die Stadt entsprechend den bestehenden Gesetzen konsequent handeln und mehr Personal einstellen, die dabei helfen den Leerstand zu beseitigen.

Eine Besetzung, wie in der Markgrafenstraße oder wie in den letzten Jahren in vielen deutschen Städten, sind Ausdruck der großen Wohnungsnot. Klar ist aber auch, dass eine Hausbesetzung in Konstanz und anderswo die Wohnungsnot nicht lindern kann. Notwendig ist eine konsequente Politik, die langfristig dazu führt, dass die Mietpreise wieder sinken. Daran werde ich als Oberbürgermeister von Konstanz entschieden arbeiten.“


Stellungnahmen/jüg (Bilder: Hennemann – Denise Claus Fotografie, Matt – H. Reile, Pantisano – Christoph Musiol)

Mehr Infos: Die BesetzerInnen haben eine Website eingerichtet, auf der sie über die aktuellen Entwicklungen informieren.

Weitere Information auf seemoz
18.07.20 | Leerstehendes Haus in Konstanz besetzt
19.07.20 | Sie sind gekommen, um zu bleiben
20.07.20 | Die Häuser denen, die drin wohnen
21.07.20 | Stadtverwaltung: Zweckentfremdungssatzung greift