Landtag verletzt Recht auf Chancengleichheit

Klatsche für Landesparlament und Regierung: Der baden-württembergische Verfassungs­gerichtshof gibt fünf kleinen Parteien Recht, die wegen der Corona-Pandemie eine Änderung des Landtags­wahlrechts verlangen. Grün-Schwarz wollte trotz des Infektionsrisikos an der Regelung festhalten, die nicht im Landtag vertretene Parteien zum Sammeln von landesweit 10.500 Unter­stützungs­unterschriften zwingt. Eine zu hohe Hürde für einen Wahlantritt, urteilte das Gericht.

Die Linke, Freie Wähler, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP), die Satire-Partei Die Partei und die Piratenparteihatten fordern seit Monaten ein an die Pandemie-Umstände angepasstes Landtagswahlgesetz, mit dem die Zahl der für eine Landtagskandidatur nötigen Unterschriften zumindest reduziert wird. Im deshalb von den fünf Parteien angestrengten Organklageverfahren urteilte der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg am Montag nun im Sinne der Klageführenden. Weil der Landtag das Wahlgesetz bisher nicht an die Pandemielage anpasst hat, verletze er das Recht auf Chancengleichheit der klagenden Parteien. Weiter bemängelt der Verfassungsgerichtshof, der Landtag sei seiner verfassungsmäßigen Pflicht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit des geforderten Unterschriftenquorums nicht nachgekommen.

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Claudia Haydt, Landesgeschäftsführerin der Partei Die Linke Baden-Württemberg (Bild), nannte das Urteil des Verfassungsgerichtshof „eine schallende Ohrfeige für Innenminister Strobl und den Landtag“. Es sei „ein Armutszeugnis“, dass der Verfassungsgerichtshof das Parlament „auf den Ernst der Pandemielage“ aufmerksam machen müsse. „Der Landtag muss sich jetzt erklären, warum er seinen verfassungsmäßigen Aufgaben nicht nachgekommen ist. Der Vorwurf, trotz sich verschärfender Corona-Pandemie untätig geblieben zu sein und damit das Recht auf Chancengleichheit verletzt zu haben, wiegt schwer.“

Der Landesvorsitzende der Piratenpartei, Oliver Burkardsmaier, warf der Landesregierung Untätigkeit vor: „Diese Situation war schon lange absehbar, jetzt stehen wir kurz vor knapp da und wissen nicht, wie es um unsere Wahlteilnahme steht“, kritisierte Burkardsmaier.

Der Landtag ist jetzt aufgefordert, das Landtagswahlgesetz schnellstmöglich anzupassen, um die verfassungsrechtlich bescheinigte Ungleichbehandlung zu kompensieren. Bei einer Reduzierung des erforderlichen Unterschriftenquorums um mindestens 50 Prozent sieht der Gerichtshof keinen Anlass für eine erneute verfassungsrechtliche Beanstandung. Medieninformationen zufolge will sich das Landesparlament nun noch diese Woche mit dem Wahlgesetz beschäftigen.

MMs/jüg (Bild: Die Linke Ba-Wü)