Zum Weltfrauentag erinnern wir an Kämpferinnen in Rojava
Das Konstanzer Solidaritätsbündnis Rojava veranstaltete am 06. März im Treffpunkt Petershausen eine Informationsveranstaltung zum Frauenkampf in Rojava. Neben kurdischer Livemusik auf der Saz gab es ein kurdisches Büffet, es wurden Fotografien der Ausstellung „Back to Rojava“[1] gezeigt und eine junge kurdische Frau berichtete über die Kämpfe der Frauen in Rojava.
Die Menschen in Rojava, dem nordöstlichen Grenzgebiet zur Türkei und zum Irak, erleben seit Beginn des Syrienkrieges alle Gräuel, die ein Krieg mit sich bringen kann: militärische und paramilitärische Angriffe, Repression, Vertreibung, Versuche der ethnischen Säuberung, Plünderungen und sexualisierte Gewalt in jeder Form gegen Frauen und Kinder.
Trotz alledem ist Rojava seit Anfang 2014 eine basisdemokratische Föderation. Überwiegend kurdischen Kämpfer:innen, der Partei der demokratischen Union und lokaler Kleinstparteien gelang die Abspaltung von der syrischen Verwaltung. Gemeinsam schlossen sie einen Gesellschaftsvertrag für Rojava ab, der eine basisdemokratisch organisierte Gesellschaft in allen Bereichen vorsieht. Ein zentraler Grundpfeiler der gesellschaftlichen Neuorganisation ist die Befreiung der Frau, die in den neuen Strukturen zwingend vorgeschrieben und verankert ist. Die Revolution von Rojava ist auch eine Revolution der Frauen: Jede Führungsposition ist mit einer Doppelspitze (einer Frau und einem Mann) besetzt, schon seit 2005 gibt es die Frauendachorganisation Kongra-Star, es gibt Frauen-Flüchtlingslager für Binnenflüchtlinge, Frauenkollektive und Frauendörfer, eine Frauenuniversität und eine militärische Fraueneinheit, die YPJ (Yekîneyên Parastina Jin). Der Weltfrauentag ist in Rojava ein gesetzlicher Feiertag.[2]
Neben der 50%-igen Besetzung von Frauen in allen politischen wie gesellschaftlichen Positionen ist auch eine paritätische Besetzung aller in der Region lebender ethnischer und religiöser Minderheiten in allen Gremien festgeschrieben.
Frauen in Rojava kämpfen einen feministischen Kampf für ihre Selbstbestimmung und für Gerechtigkeit in der eigenen Gesellschaft sowie gegen einen brutalen, frauenverachtenden Feind von außen: djihadistische, syrische und türkische Militär- und Söldnertruppen. Diese Brutalität beschrieb die Referentin mit der persönlichen Geschichte von Barîn Kobanê, einer Kämpferin der Frauenverteidigungsarmee.[3]
Vorsicht, der folgende Absatz enthält Gewaltszenen.
Barîn Kobanê kämpfte von Anfang an in der YPJ, sie war eine bekannte, in Kobanê und Raqqa an der Befreiung vom Islamischen Staat beteiligte Kämpferin. Ende Februar kämpfte sie in Afrin, einem Kanton Rojavas, der von der türkischen Armee mithilfe djihadistischer Söldner und der Freien Syrischen Armee angegriffen wurde. In einer ausweglosen Kampfsituation, im Dorf Qunde, erschoss sie sich selbst, um ihren Feinden und deren sexuellen Foltermethoden zu entkommen. Die Angreifer fanden und schändeten ihren toten Körper. Sie zogen sie aus, schnitten ihre Brüste ab, traten und prügelten auf ihren Körper ein und legten einen Olivenzweig neben sie. Erdogan nannte den Angriff auf Afrin „Operation Olivenzweig“.[4] Sie nahmen die Schändung ihres Körpers auf und verbreiteten den Film im Netz.
In einer Presseerklärung von kurdischen, arabischen, turkmenischen und albanischen Frauen aus Şehba, ihrem Geburtsort, heißt es: „Barîn ist unsere Würde. Der Feind, der Barîns Willen und ihrem furchtlosen Widerstand nicht gewachsen war, hat ihren Leichnam geschändet und damit versucht, allen Frauen eine Botschaft zu übermitteln. Diese unmenschliche Haltung der Banden hat bei den Frauen nur zu noch mehr Verachtung gegenüber den Besatzern geführt. Barîn war eine kämpfende Frau, die ihr Land verteidigt hat. Die Besatzer haben sich sogar vor ihrem Leichnam gefürchtet. Wir geben Barîn unser Versprechen, ihren Kampf fortzusetzen. Barîns Widerstand und der Widerstand von Arîn Mîrkan, Avesta Xabûr und der vielen anderen, tapferen Frauen macht uns Mut und stärkt unseren Kampf.“[5]
Zum Internationalen Frauentag gehört unsere Solidarität allen Frauen, die für Selbstbestimmung und Freiheit kämpfen.
Jin, Jiyan, Azadî – Frauen, Leben, Freiheit, eine Parole kurdischer Frauen.
Text & Bild: Solidaritätsbündnis Rojava Konstanz
[1] https://www.medico.de/back-to-rojava-16301
[2] https://womendefendrojava.net/de/
[4] Hier sei daran erinnert, dass die Türkei ein NATO-Mitgliedsstaat ist.
[5] https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/frauen-aus-Sehba-barins-weg-ist-unser-weg-2144; https://anfdeutsch.com/frauen/franzoesische-kuenstlerin-zeichnet-barin-kobane-2308