Von der Tochter Taiga bis zu Nazi-Köchen (II)
Wie braun ist grün? Vollkommen ungeachtet der gängigen Lehren von Skalen, Spektren und Mischverhältnissen stand im Zentrum einer Informationsveranstaltung der Infokneipe im „Contrast“ die Frage, ob es Gemeinsamkeiten, Übergänge und Verbindungslinien zwischen Themen, Akteuren und Organisationsstrukturen der grundsätzlich disparaten Bewegungen des Umwelt-, Natur- und Tierschutzes und solcher rechter, völkischer und autoritärer Gesinnung gibt.
Teil 2/2
Neben dem historischen Rückblick widmete sich der Abend verschiedenen aktuellen Phänomenen, an denen sich rechte Ideologien und ökologische Ansätze überlappen. Ein markantes Beispiel aus dem rechtsesoterischem Spektrum ist die Anastasia-Bewegung6, die mittlerweile nicht nur einem nennenswerten Maßstab Siedlungen errichtet hat, sondern auch über die Organisation von Festen und Veranstaltungen öffentlichkeitswirksam agiert. Die Bewegung selbst orientiert sich an einer Buchreihe von Wladimir Megres, dessen Werke sich von ihrer eher mangelhaften literarischen Qualität durch esoterisch-spirituelle, verschwörungsideologische, rassistische und antisemitische Inhalte auszeichnet. Selbstredend kommen auch Artefakte mit magischen Eigenschaften vor, deren Heilkraft vermutlich nur von der Profitmarge ihrer Verkäufe übertroffen wird.7 Zugleich wird eine Nähe zur Natur behauptet, ein Versprechen einer harmonischen Anpassung und Abwendung von der urbanen und pervertierten Moderne. Hieran schließt auch die sogenannte „Akademie Engelsburg“ an, deren verschwörungstheoretische Esoterik die Versprechen Anastasias unter anderem mit Q-Anon-Elementen und multidimensionaler Metaphysik würzt.
Von Zedern, Kochkursen und Dimensionen
Die Organisation in sektenartigen Strukturen und ökologischen Landbau verbindet auch das Universelle Leben, vormals Heimholungswerk Jesu Christi. Laut Wikipedia bemühen sich deren Prophetiein um eine Neuauslegung der Bibel anhand direkter Botschaften Gottes: „Schwerpunkte darin sind das Leben Jesu von Nazareth, der Glaube auch durch das „rechte Tun“, die 10 Gebote und die Bergpredigt aus der Bibel, ergänzt um die Auslegung für die Gegenwart und die weiteren Schwerpunkte Reinkarnation, Vegetarismus, Tierliebe und Alkoholabstinenz.“8 Fast tragisch ist, dass die öffentliche Verbreitung der frohen Kunde durch die institutionalisierte Klagefreudigkeit vermutlich arg gehemmt wird. Ein trauriger alter Gott, dessen Botschaft zum hilflosen Opfer von Häme im Internet wird.9 Auch wenn anscheinend die „religiöse“ Bewegung und die Landwirtschaft institutionell getrennt sind, ist von einer Nachbarschaft auszugehen, was wieder die Konsumenten von Biolebensmittelläden bewegen könnte, auf Produkte von „Lebe gesund“ zu verzichten oder sich bei den Betreibenden der Läden darüber zu informieren, wie weit deren Kenntnis über den Ursprung der Produkte reicht.
Nicht zuletzt muss hier die Anthroposophie Erwähnung finden, die sich nie konsequent und in Gänze von dem esoterischen Rassismus Rudolf Steiners losgelöst hat.10 Interessant ist hier die Bruchlinie, als sich Demeter nach einigem Zögern doch als Unternehmen genötigt sah, für die Corona-Schutzimpfung zu plädieren und so den reinen Pfad der körperlichen Abhärtungsideologie zu verlassen. Die sich durch anthroposophische Dogmatik und Steiner-Emphase auszeichnenden Zirkel reagierten doch eher zurückhaltend. Wichtig ist die Verknüpfung einer Nähe zur Natur, zum Tierwohl und ökologischen Themen, die zugleich in einer umfassenden, durchaus problematischen Ideologie eingelassen sind. Wie die Volkstanz-Veranstaltungen der Anastasia-Bewegung, ummänteln sich auch Waldorf-Kindergärten und -Schulen mit einem eher biederen, gleichsam offenen und unpolitischen Image, um so Distanzen und Berührungsängste abzubauen. Ein anderes Beispiel dieser vorgeschützten Bürgerlichkeit sind die Nazi-Köche, wobei Attila Hildmann überraschenderweise nur einer unter vielen ist. So versuchen Akteure der Identitären Bewegung auf youtube mit veganen, ökologisch-bewussten Hipster-Kochkursen sowohl kulinarische Laien als auch unbedachte Menschen in ihre Fänge zu locken. Aber auch auf den klassischen Medien finden sich problematische Fälle: Die Zeitschrift „Kehre“ widmet dezidiert Umweltthemen wie dem Naturschutz und dem Klimawandel, zugleich steht sie dem Verleger Götz Kubitschek und der Identitären Bewegung nahe, was auch am Beispiel des Verantwortlichen11 nur allzu deutlich wird. Das Compact-Magazin wiederum schlägt die Bresche zu klimawandelkeptischen Bevölkerungskreisen: Ob diese thematische Konfusität nun für eine strategische Ausrichtung nationalistischer Öffentlichkeitsarbeit spricht, um ihr rechtes Gedankengut in verschiedenste soziale Milieus zu streuen, kann Spekulation bleiben.
Andere Schlaglichter beleuchteten autoritäre Top-Down-Strukturen ökologischer Bewegungen, den Elitismus charismatischer Führungsfiguren sowie eine fehlende Kritik gegenüber bestimmten Personen, die Teil des organisatorischen Gründungsmythos sind.
Kritische Distanz und Solidarität
Anstatt die Liste fortzusetzen, sollte klar geworden sein, wie komplex die Situation und fließend die Übergänge in manchen Bereichen sind: Gerade weil sich Problemwahrnehmungen und Ziele teils überschneiden, und zugleich die braune Seite immer in manipulativer Weise versuchen wird, andere Gruppen zu infiltrieren, organisatorisch zu okkupieren und für ihre eigene Publicity auszunutzen, müssen ökologische Bewegungen sich und ihre Allianzen immer kritisch hinterfragen. Die Gefahr, sich mit falschen Freunden gemein zu machen, ist offenkundig real. Prinzipien wie die Egalität, Humanität und internationale Solidarität gehören dennoch zum normativen Fundament einer jeden emanzipatorischen ökologischen Bewegung, das es zu bewahren gilt.
Allen Anbändelungsversuchen von Rechts ist zu eigen, dass sie ökologische Themen und den Tierschutz manipulativ benutzen, um in der gesellschaftlichen Breite anschlussfähig zu werden und Zugang zu weiteren Bevölkerungskreisen zu bekommen. Trotz dieser Probleme bleibt es wichtig, zu differenzieren: Nicht alle Siedlungsbewegungen sind rechts, nicht alle Tanzgruppen völkisch. Das Bewusstsein möglicher Fallstricke darf uns zudem nicht von Kooperationen und gegenseitiger Unterstützung abhalten: Ohne Idealisierungen und Dämonisierungen sind wir selbst gefordert, aufmerksam, respektvoll und kritisch miteinander umzugehen und unsere Urteile nicht am grünen Tisch, sondern in Anbetracht der Komplexität dieser Welt zu treffen.
Zuletzt ein unmaßgeblicher Hinweis an die Veranstalter: Zwar leuchtet die Absicht durchaus ein, zugunsten vieler offener diskursiver Zirkel auf eine abschließende gemeinsame Fragerunde und Diskussion zu verzichten, gleichwohl begibt man sich und dem Publikum so der Möglichkeit, von den Fragen, Anregungen und Kritiken der Anderen zu lernen. Die bekannten Mängel dieser Form des Austauschs vor Augen, verspricht doch die Erweiterung um multiple Perspektiven einer pluralen Runde einen Mehrgewinn für alle Anwesenden.
Text: Tobias Braun, Bild von Momentmal auf Pixabay
Anmerkungen
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Anastasia-Bewegung
[7] https://sibirische-zeder.de/, https://www.anastasia-de.ch/info/zedernprodukte/
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Universelles_Leben
[9] Am Abend hielt sich das Gerücht, die prophetischen Eingaben würde sich auch dem Einfluss extraterrestrischer Wesen verdanken. Offen ist die Frage, ob dies nun eine Personalunion meint, Mischformen bestehen oder tatsächlich zwei getrennte Informationsquellen der Botschaft vorliegen.
[10] https://archiv.seemoz.de/lokal_regional/wirr-vage-gefaehrlich-ein-abend-ueber-das-querdenken/
[11] https://die-kehre.de/kontakt/, https://sezession.de/author/jonas-schick