Das wahnsinnige Konzept der nuklearen Abschreckung (I)
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, will die deutsche Bundesregierung bis zu 35 atomwaffenfähige Tarnkappenflugzeuge des Typs F-35 vom US-amerikanischen Hersteller Lockheed Martin kaufen. Der Kampfjet fliegt mit bis zu 1,6-facher Schallgeschwindigkeit und ist atomwaffenfähig – so soll die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands weiterhin sichergestellt werden. Am 25. Juni fand auf dem Konstanzer Münsterplatz eine beeindruckende Kundgebung gegen dieses brandgefährliche Vorhaben statt, wie seemoz u. a. hier berichtete.
Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel sind US-amerikanische Atombomben stationiert. Deutsche Piloten üben ständig den Abwurf dieser Atombomben. Die deutsche Regierung ist entschlossen, im Rahmen ihres 100-Milliarden-Rüstungsprogamms neue Kampfjets für den Einsatz von Atombomben zu kaufen. Dies trägt nichts zur Lösung der gegenwärtigen Krise bei, sondern erhöht das Risiko eines Atomkriegs, besonders das Risiko eines „Atomkriegs aus Versehen“ – beginnend in Europa, und es macht Deutschland zu einem bevorzugten atomaren Angriffsziel. Deshalb sollte Deutschland kein Standort für Atomwaffen sein und sich nicht an deren Einsatz beteiligen.
Nachfolgend veröffentlichen wir in einem ersten Teil die Rede von Maik Schluroff (siehe Bild im Teaser), aktiv bei der Konstanzer Friedensinitiative, die er am 25. Juni hielt.
Atombomben und Atombomber in Deutschland
Auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel sind bereits etwa 20 US-amerikanische Atombomben stationiert.1 Jede dieser Bomben hat eine Sprengkraft von bis zu 170 Kilotonnen Sprengstoff. Das entspricht 170.000 Tonnen Dynamit, also das 13-fache der Hiroshima-Bombe.2 Diese Bomben sollen ersetzt werden durch Bomben des Typs B61-12.3 Die Anregung dazu kam Anfang dieses Jahrhunderts vom US-Präsidenten George W. Bush, um einen begrenzten Atomkrieg führen zu können. Diese Bomben sind zielgenauer als die bisherigen. Die Sprengkraft ist vor dem Einsatz einstellbar, wobei die niedrigste Sprengkraft als „Bunkerknacker“ gedacht ist. Für Militärköpfe ist das verlockend, weil man denkt, damit taktische Ziele unterhalb der Schwelle zum großen Atomkrieg erreichen zu können.4 Deutsche PilotInnen trainieren schon seit langem in der Eifel den Einsatz und den Abwurf von Atombomben. Der Einsatzbefehl erfolgt ausschließlich durch den Präsidenten der USA, ohne deutsches Einspruchsrecht. Die dafür verwendeten Tornadoflugzeuge sollen im Rahmen des 100-Milliarden-Aufrüstungsprogamm der deutschen Regierung durch Tarnkappenjets vom Typ F-355 ersetzt werden und zwar in der Ausstattung als Atombomber. Die F-35 gelten als modernste Kampfjets der Welt. Sie sind noch in der Entwicklung. Ob sie jemals einsatzfähig sein werden, wird von manchen bezweifelt.6
Dafür gibt es aber einige Anzeichen:
– Die komplette Software für die F-35 enthält 33 Millionen Zeilen Programmcode. In der Industrie rechnet man mit einem bis 25 Fehlern pro 1000 Zeilen Programmcode. Microsoft mit seinen strengeren Testverfahren rechnet mit einem Fehler pro 2.000 Zeilen.7
– Die Prüfkommission des Pentagon fand in der Software rund 300 schwerwiegende Softwarefehler.8
– Dieselbe Prüfkommission des Pentagon fand, die Kampfjets F-35 seien anfällig gegen Hackerangriffe.9
Unabhängig von diesen schweren Fehlern werden die F-35-Kampfjets frühestens 2027 zur Verfügung stehen. Noch kann also die Entscheidung für den Kauf der milliardenteuren Atombomber F-35 rückgängig gemacht werden.
Das Konzept der Abschreckung ist hyperriskant
Es wird behauptet, die Abschreckung durch Atomwaffen würde den Frieden sichern: Durch die Zweitschlagfähigkeit zwischen den beiden großen Atommächten würde keine Seite es wagen, einen Atomkrieg zu beginnen, weil das zur vollständigen eigenen Vernichtung führen würde. Die Atommächte USA und die damalige Sowjetunion verfügten schon in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts über genügend Atomwaffen, um die Menschheit mehrfach zu vernichten und den Planeten unbewohnbar zu machen. Aus Furcht davor, so die Theorie der Abschreckung, sei es zu keinem Atomkrieg gekommen.
Das Konzept der Friedenssicherung durch atomare Abschreckung ist veraltet und zudem hochgefährlich, aus mindestens drei Gründen:
Erstens: Friedenssicherung durch atomare Abschreckung funktionierte allenfalls vor Jahrzehnten, als die Atomkriegsgefahr vor allem darin bestand, mit Interkontinentalraketen Russland bzw. die USA anzugreifen. Damals gab es die Möglichkeit, einen solchen Angriff zu erkennen und einen Gegenschlag auszulösen, also das Prinzip: „Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter“. Inzwischen kreuzen aber Atom-U-Boote beider Seiten in den gegnerischen Gewässern. Außerdem haben beide Seiten taktische Atomwaffen, das heißt Nuklearwaffen, mit denen man hofft, einen begrenzten Atomkrieg führen zu können.
Zweitens: Das Konzept der atomaren Abschreckung ist hochriskant: Frühwarnsysteme für nukleare Bedrohungen basieren auf Sensoren und sehr komplexen Computer-Netzwerken.10 Sie sollen Angriffe mit Atomwaffen so früh erkennen, dass ein Gegenschlag ausgelöst werden kann, bevor die angreifenden Atomraketen einschlagen. In Frühwarnsystemen kann es aber zu Fehlalarmen kommen, d. h. es wird ein Angriff mit Atomwaffen gemeldet, obwohl keine Bedrohung vorliegt. Das ist keine bloße Theorie von Angsthasen, sondern die Welt ist bereits mehrfach nur durch Zufall oder die Besonnenheit einzelner11 einem Atomkrieg entronnen. Im nächsten Abschnitt werden dafür Beispiele aufgeführt. Gerade in einer Krise wie der jetzigen ist die Gefahr groß, dass es ungewollt zu einem Atomkrieg kommt, oder dass taktische Atomwaffen eingesetzt werden, und sich dann der Einsatz von Atomwaffen hochschaukelt bis zum totalen Atomkrieg.
Drittens: Dieser Grund gegen das Konzept der nuklearen Abschreckung betrifft uns in Deutschland besonders: Der Fliegerhorst Büchel mit seinen Atombomben und Atombombern ist für einen Gegner natürlich ein bevorzugtes Ziel für einen Präventivschlag. Die Koordinaten des Fliegerhorsts Büchel sind sicherlich schon in die russischen Zielsysteme eingespeist. Ähnliches dürfte auch für die Bodenseeregion gelten, die dichteste Rüstungsregion Deutschlands.
(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Fliegerhorst_B%C3%BCchel
(2) https://www.greenpeace.de/frieden/atomwaffen
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/B61_(Kernwaffe)#B61-12
(4) https://www.heise.de/tp/features/Neue-US-Atombomben-fuer-Deutschland-6289917.html
(5) https://www.tagesschau.de/inland/bundeswehr-f-35-kampfflugzeuge-101.html
(6) https://konflikteundsicherheit.wordpress.com/2018/08/21/f-35-hightech-kampfjet-oder-15-billionen-us-desaster/
(7) https://stackoverflow.com/questions/2898571/basis-for-claim-that-the-number-of-bugs-per-line-of-code-is-constant-regardless (hier: Antwort 13)
(8) https://konflikteundsicherheit.wordpress.com/2018/08/21/f-35-hightech-kampfjet-oder-15-billionen-us-desaster/
(9) Ebda.
(10) https://www.fwes.info/fwes-21-1.pdf
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Wassili_Alexandrowitsch_Archipow
Text: Maik Schluroff; Bild: H. Reile