Wolfram Wette zum Krieg in der Ukraine (II)
Im zweiten Teil seines Vortrags, den der Militärhistoriker und Friedensforscher Wolfram Wette am 20.6.2022 auf Einladung des Emmendinger Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen zum Krieg in der Ukraine hielt, beleuchtete er die unterschiedlichen Kriegsziele und Friedensaussichten.
Den ersten Teil des Vortrags von Professor Wette finden Sie hier
6. „Nie wieder Krieg!“ – ein deutsches Gelöbnis
Im Folgenden möchte ich versuchen, den durch die Aggression in Deutschland ausgelösten Schock in einem größeren historischen Kontext zu erklären. Nach den Schrecken der beiden Weltkriege entschlossen sich die Deutschen in West und Ost zu einer grundlegenden Umkehr. Sie wollten fortan ihr Verhalten an der Devise „Nie wieder Krieg!“ ausrichten. Die deutsche Politik suchte nach einem Modus vivendi mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges. In der deutschen Gesellschaft entwickelte sich allmählich eine Friedenskultur. Sie trug dazu bei, dass mehrere Generationen ein Leben ohne Krieg führen konnten. Sie gewöhnten sich daran, Frieden für selbstverständlich zu halten.
Dabei wurde vergessen, sich die Frage vorzulegen. Wer war eigentlich der Adressat der Parole „Nie wieder Krieg!“? Angesichts des Ukraine-Krieges erkannte man, dass hauptsächlich die Deutschen selbst es waren, die nie wieder Krieg haben wollten. Man glaubte, mit dem Untergang des preußisch-deutschen Militarismus sei die kriegerische Aggression vom europäischen Kontinent verschwunden. Übersehen wurde, dass die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges keinen vergleichbaren Schwur abgelegt hatten. Sie hielten den kriegerischen Konfliktaustrag weiterhin für eine normale Angelegenheit. Putins Krieg brachte uns die ungebrochene Tradition der kriegerischen Politik nicht nur Russlands, sondern der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges insgesamt, in Erinnerung.
7. Die „Olivgrünen“ im Banne der Kriegslogik
Die Partei Bündnis 90/Die Grünen galt in ihren Anfängen als eine pazifistische Partei. Kurz nach der Bildung der rot-grünen Regierungskoalition im Jahre 1998 mit Kanzler Gerhard Schröder, Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping wurde jedoch überraschend entschieden, dass sich Deutschland aktiv am Kosovo-Krieg (1999) beteiligen werde. Es war der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr nach 1945 und damit eine Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Deutsche Tornados warfen Bomben auf Belgrad ab. Eine Legitimation dieses Krieges durch die UNO gab es nicht. Insoweit war dieser – als „humanitäre Intervention“ gerechtfertigte – Krieg völkerrechtswidrig. Fischer argumentierte im Bundestag, er habe nicht nur „Nie wieder Krieg!“ gelernt, sondern auch „Nie wieder Auschwitz!“ Damit war das Kriegstabu gebrochen. Fischer wurde während eines Parteitags der Grünen aus Protest mit einem Farbbeutel beworfen, der ihn am Ohr verletzte. Aber er setzte sich durch. Der Pazifismus der Grünen wich tendenziell einer „realistischen“ Haltung. Als realistisch bezeichnet man in den machtpolitisch orientierten Kreisen Deutschlands seit jeher die – mit Kriegsmetaphysik begründete – Bereitschaft zum Einsatz des Militärs als Mittel der Politik.
Wir springen in die Gegenwart: Kaum waren die Grünen 2021 wieder in der Regierung, diesmal in einer rot-grün-gelben Koalition, hatten sie es – überraschend – schon wieder mit einem Krieg zu tun, diesmal mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Um in der Bevölkerung des eigenen Landes kein Gefühl der Ohnmacht und der Wehrlosigkeit aufkommen zu lassen, reagierte die Bundesregierung mit dem massiven 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr. Gleichzeitig beschloss die Regierung (mit Unterstützung der Opposition), die überfallene Ukraine mit Waffenlieferungen und der Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen.
In welchem Umfang dies geschehen sollte, ist bis heute strittig. Die SPD unterstützt die Waffenlieferungen, aber mit Bauchschmerzen. Sie verweist auf das Eskalationsrisiko und auf die Gefahr eines Atomkrieges. Grüne und FDP sowie die Oppositionspartei CDU/CSU sind bei der Güterabwägung eher für eine massive Stärkung der ukrainischen Streitkräfte, unter Inkaufnahme des genannten Risikos. Das Argument, dass mehr Waffen auch mehr Kriegstote bedeuten, hat – für mich erstaunlich! – keinen erkennbaren Stellenwert bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung.
Wer sich dieser Kriegslogik auch nur in Ansätzen widersetzt, zur Vorsicht mahnt und auf eine politisch-diplomatische Kriegsbeendigung drängt, trifft auf eine vergiftete Diskussionsatmosphäre. Rasch kommt es erneut zu den altbekannten antipazifistischen Reflexen: Die Andersdenkenden seien naiv, weltfremd, politikunfähig oder defätistisch.
Mit ihrem forcierten Eintreten für die Lieferung auch schwerer Waffen an die Ukraine haben sich die Grünen in der Bundesregierung aktuell an die Spitze der politischen Kräfte gesetzt, die der Kriegslogik folgen. Eine Tageszeitung bezeichnete die Grünen als „Avantgarde der Eskalation“. In polemischer Absicht beschrieb sie ein Déjà-vu- Erlebnis: „Jugoslawien und Ukraine – kaum regieren die Grünen mit, kommt es zu einem Angriffskrieg“.[20] Der „Spiegel“ titelte in Wort und Bild: „Die Olivgrünen. Frieden schaffen mit immer mehr Waffen: Die Mobilmachung der Ökopartei“ [21]. Das Titelbild zeigt Baerbock, Habeck und Hofreiter im Flecktarn, mit Helm, Waffe, schusssicherer Weste sowie – als Symbol friedlicherer Zeiten – einer Sonnenblume. Wie bekannt, wird der Ukraine-Kriegs-Kurs der grünen Regierungsmitglieder von der Bevölkerung honoriert. Die Zustimmungswerte in Umfragen und bei den Wahlen steigen. Die Pazifisten – in diesem Falle: die Kritiker der Exporte schwerer Waffen – sind zur Minderheit geschrumpft [22].
Die Fragen bleiben: Ist es wünschenswert, mit immer mehr und immer schwereren Waffen ein Ende des Krieges zu erzwingen? Oder versperrt die Kriegslogik, die in den Kategorien von Sieg und Niederlage denkt, den Weg zu diplomatischen Lösungen und zur Vorbereitung einer Nachkriegsordnung, in der dann endlich wieder die Friedenslogik zur Geltung gebracht werden kann?
Bei unseren Diskussionen hier in Deutschland muss man sich stets vergegenwärtigen: Ausschlaggebend für den Verlauf und das Ende dieses Krieges ist nicht die deutsche Politik. Entscheidend sind vielmehr die Kriegsziele Russlands, der Ukraine und der USA. Für Deutschland gilt es darüber hinaus zu bedenken, was im „Spiegel“ so formuliert wurde: „Die USA choreographieren die Anti-Russland-Politik in diesem Krieg [23].
8. Kriegsziele und Friedensaussichten
Daher müssen wir uns abschließend mit dem Zusammenhang von Kriegszielen und Waffenlieferungen beschäftigen. Generell gilt, dass die Kriegsziele nicht auf dem offenen Markt ausposaunt werden. Auch hier greift die Kriegslogik. Das heißt: Es wird getarnt und getäuscht. Die Informationspolitik ist im Kriege eine Waffe wie andere auch.
Was wir erkennen können, ist das Folgende:
Die russische Kriegspolitik, angeführt von Putin, zielt auf eine schrittweise Wiederherstellung der russischen Großmachtstellung wie zu Zeiten des Zarenreiches oder der Sowjetunion ab. Putin hat immer wieder öffentlich ausgesprochen, dass für ihn der Zerfall der Sowjetunion die größte politische Katastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen sei [24]. Die insbesondere von den USA betriebene Einbeziehung der Ukraine in das westliche Bündnissystem – Nato-Osterweiterung – stellt in den Augen Putins eine unmittelbare Bedrohung Russlands dar. Dort aufgestellte Raketen können ohne große Vorwarnzeiten in Minutenschnelle russische Städte erreichen. Putin sieht hier eine „rote Linie“ überschritten.
Aufgrund des aktuellen Stands des Kriegsverlaufs könnte es sein, dass Russland sich mit der Krim und den eroberten Gebieten im Osten der Ukraine sowie mit einer Neutralisierung des Landes unter internationaler Aufsicht zufrieden gibt. Aber das ist Spekulation. Aktuell erstrebt Moskau einen militärischen Sieg.
Will Russland derzeit eine Kriegsbeendigung, einen Waffenstillstand: Nein!
Die ukrainische Kriegspolitik folgt dem Muster einer rechtmäßigen Landesverteidigung gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff. Präsident Selenski will die russischen Streitkräfte – mit gesteigerter westlicher Waffenhilfe und anderen Unterstützungsleistungen – außer Landes treiben und zumindest den Status quo ante, also vor dem 24. Februar 2022, wiederherstellen.
Will die Ukraine derzeit eine Kriegsbeendigung, einen Waffenstillstand: Nein!
Die US-amerikanische Kriegspolitik: Der dritte große Akteur des russisch-ukrainischen Krieges sind die USA. Sie sehen sich als Sieger im Kalten Krieg und – nach der Selbstauflösung des Warschauer Paktes und des Vielvölkerstaates Sowjetunion in der Umbruchszeit 1989-1991 – als „einzig verbliebene Weltmacht“. Trotz anderslautender mündlicher Versprechungen der Amerikaner – nachweislich auch der deutschen Bundesregierung [25] – im Jahr 1991 stellt die Nato-Osterweiterung, möglichst bis an die russische Grenze, ein selbstverständliches Ziel amerikanischer Machtpolitik dar [26]. Sie wurde in dem Zeitraum 1999 bis 2020 weitgehend realisiert [27]. Schon 2008 (beim Nato-Gipfel in Bukarest) forderte der damalige Präsident George W. Bush die umgehende Aufnahme der Ukraine und Georgiens in der Nato [28]. Das war „ein Rückfall in den Triumphalismus früherer Tage“, urteilte der USA-Experte Bernd Greiner [29]. Ein entsprechender Beschluss der Nato wurde damals ausgebremst von den deutschen und französischen Regierungschefs (Merkel, Sarkozy) und anderen westeuropäischen Politikern, die Russland nicht provozieren wollten.
Die USA unterstützten 2013/14 die Kiewer Majdan-Revolution mit dem Ziel, die Ukraine dem russischen Einfluss zu entziehen und sie in die Nato hereinzuholen [30]. Nach dem Scheitern der beiden Minsker Abkommen 2014/2015 wählten die USA den Weg, die Ukraine militärisch aufzurüsten. Das überraschende Standhalten der ukrainischen Armee gegenüber der russischen Aggression ist ohne diese Aufrüstung mit modernen amerikanischen, britischen und französischen Waffen einschließlich türkischer Kampfdrohnen nicht zu erklären.
Nach dem Beginn des Krieges sind die USA nicht durch diplomatische Vorstöße zu einem Waffenstillstand oder Friedensschluss hervorgetreten. Der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin verkündete vielmehr Anfang Mai 2022 ein weit über die Ukraine hinausgehende Ziel. Die Ukraine müsse den Krieg gewinnen. Und: „Wir wollen Russland in einem Maße geschwächt sehen, dass es dem Land unmöglich macht, zu tun, was es in der Ukraine mit der Invasion getan hat.“[31]
Auch hier ist zu fragen: Wollen die USA derzeit einen Waffenstillstand oder ein Friedensabkommen. Die Antwort lautet wiederum eindeutig: Nein!
Die Hoffnung von uns Deutschen, dass das Töten, Sterben und Zerstören in der Ukraine ein rasches Ende nimmt, kann derzeit nicht auf greifbare Vorschläge der Hauptakteure verweisen. Die unterschiedlichen Interessenlagen von Russland, der Ukraine und der USA lassen eher eine Fortsetzung des Krieges auf unbestimmte Zeit erwarten.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Wie auch immer dieser Krieg ausgehen mag, so steht doch eines fest: Russland bleibt der große, indirekte Nachbar Deutschlands auf dem europäischen Kontinent. Wir stehen vor der Alternative: Entweder ein neuer Kalter Krieg mit Waffengeklirr, Aufrüstung, Feindbildern, dem Kappen aller Beziehungen, die seit dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere seit der Entspannungspolitik der 1970er-Jahre mühevoll geknüpft worden sind, ständige Kriegsgefahr. Oder die Suche nach einer neuen Koexistenz bei Anerkennung der Unterschiede; mit der Vision einer Wiederanknüpfung an die Idee vom „Gemeinsamen Haus Europa“ [32].
Text: Wolfram Wette, Foto: Bündnis 90/Die Grünen Emmendingen
[20] Gerd Schumann: Avantgarde der Eskalation. In: junge Welt Nr. 128, 4./5./6. 62022, S. 14 f.
[21] Der Spiegel Nr. 18, 30.4.2022. Titelgeschichte „Die Olivgrünen“ von Markus Feldmann und 13 weiteren Redakteurinnen und Redakteuren.
[22] Siehe den Bericht von swr aktuell vom 9.5.2022: Waffenlieferungen an die Ukraine – Uneinigkeit bei den Grünen in Baden-Württemberg: https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/waffenlieferungen-an-ukraine-kretschmann-bw-100.html
[23] Martin Knobbe: Leitartikel zum Themenheft „Die Olivgrünen“ in: Der Spiegel Nr. 18, 18.4.2022, S. 6.
[24] So auch in seinen Gesprächen mit der vormaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Siehe das Interview mit Merkel am 8. Juni 2022 und den Bericht von Nico Fried u. Boris Herrmann: Kuck mal, wer da spricht. In: Süddeutsche Zeitung, 9.6.222, S. 3
[25] Siehe Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1991. 2 Bde. München: Oldenburg 2002. Dazu die Buchgeschichte von Klaus Wiegrefe: „In vertraulichen Gesprächen ausgeredet“. Neu freigegebene Akten des Auswärtigen Amtes zeigen: Die Regierung Helmut Kohl wollte 1991 eine Nato-Osterweiterung und die Unabhängigkeit der Ukraine verhindern. In: Der Spiegel Nr. 18, 30.4.2022, S. 28-30.
[26] Wie Anm. 5.
[27] Nato-Osterweiterung: Polen, Tschechien, Ungarn (1999 vor dem Krieg gegen Jugoslawien, NATO-Kandidaten seit 1997), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004, Kandidaten seit 2002), Albanien, Kroatien (2009, Kandidaten seit 2008), Montenegro (2017, Kandidat seit 2009), Nordmazedonien (2020, Kandidat seit 2019). Die bisher offiziell noch neutralen Staaten Ukraine, Georgien, Schweden, Finnland und Österreich verfügen über starke Bindungen zur NATO. Chronologie nach Gerd Schumann: Avantgarde der Eskalation. In: junge Welt 4./5./6.6.2022, S. 14 f., hier: S. 15, im Internet: https://www.jungewelt.de/artikel/427801.%C3%B6kobellizisten-avantgarde-der-eskalation.html
[28] Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Nato vom 2. bis 4. April 2008 in Bukarest. Siehe Stefan Kornelius: Gipfeltreffen in Bukarest. Bush kann sich in der Nato nicht durchsetzen. In: Süddeutsche Zeitung 11.5.2010. Im Internet: https://www.sueddeutsche.de/politik/gipfeltreffen-in-bukarest-bush-kann-sich-in-der-nato-nicht-durchsetzen-1.291102.
[29] Bernd Greiner: „Alleintäter Russland“. Wie man Feuer mit Benzin löscht. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 3`22, S. 49-52. Siehe auch das Buch von Bernd Greiner: Made in Washington. Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben. München 2021.
[30] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/info-aktuell/209820/die-majdan-revolution-und-das-bewaffnete-eingreifen-russlands/
[31] Bericht n-tv am 7.5.2022: Bundesregierung skeptisch. Das neue Kriegsziel heißt „Sieg der Ukraine“. Siehe: https://www.n-tv.de/politik/Das-neue-Kriegsziel-heisst-Sieg-der-Ukraine-article23316842.html
[32] Umrisse einer neuen Friedensordnung und internationale Sicherheitsstruktur nach Beendigung des Krieges in der Ukraine entwirft der Friedensforscher Egbert Jahn in seinem Vortrag vom 25.4.2022: Friedenspolitik im Schatten des Krieges in der Ukraine einschließlich der geringen Möglichkeiten gewaltfreier Politik (= Frankfurter Montags-Vorlesungen. Politische Streitfragen in zeitgeschichtlicher Perspektive). Im Internet: https://olat-ce.server.uni-frankfurt.de/olat/auth/RepositoryEntry/6946521099/CourseNode/99477924475631
Lesenswert:
https://publikumskonferenz.de/blog/2022/09/01/baerbock-der-schicksalsschlag-unserer-nation/
Lieber Norbert Faulhaber,
danke für Ihre/Deine Intervention. Zu ihr zwei Anmerkungen. Zwischen der Russland-Politik der letzten zwei Jahrzehnte, beginnend mit Kanzler Schröder, und der Entspannungspolitik von Willy Brandt liegen Welten. Siehe dazu:
https://bruchstuecke.info/2022/05/12/wer-schuetzt-brandts-ostpolitik-vor-der-spd/
Und: Bei Deinen/Ihren Hinweisen auf die Geschichte — macht es denn gar keinen Unterschied, wer angreift? Also ob Deutschland ein Land überfällt oder ob Deutschland einem Land hilft, das überfallen wird? Es ist doch absurd, alles gleichzusetzen.
Grüsse
Wolfgang Storz
Was mich bei dem Thema „Ukraine-Krieg“ erstaunt, ist, in welcher Geschindigkeit und in welchem Ausmaß dem deutschen Journalismus jede Kritikfähigkeit abhanden gekommen ist und auf welch tiefem intellektuellen Niveau die herrschende Meinung der westlichen Eliten vor- und nachgebetet wird.
Da reisen die Politiker nach Kiew mit vielen sie begleitenden Reportern, von denen scheinbar auch nicht einer auch nur irgendeine Ahnung der geschichtlichen, politischen und sozialen Verhältnisse in diesem korrupten Land hat. Peter Scholl-Latour hatte die orangene Revolution mit „verfaulten Orangen“ treffend skizziert. In der Presse ist kein Wort mehr zu hören über den von außen mit Milliarden Dollar unterstützten Putsch der gewählten Regierung, den ukrainischen Oligarchen, deren „demokratischer“ Nachfolger Herr Selensky ist. Die erste Forderung der Putschregierung waren Dollars und Mitgliedschaft in der Nato. Übrigends waren die ersten, die nach dem Putsch in die Ukraine gereist sind, Herr Biden und sein Sohn. Warum wohl? Herr Selensky hat eine Villa in Israel und eine in Florida, ist auch in den Panama-Papers gelistet.
Um einen Krieg zu führen – und Deutschland unterstützt diesen Krieg massiv- muß man wissen,warum man ihn führt, wie man ihn führt und vor allem, wie man ihn gewinnt. Auch muß man den Feind verstehen. Kein Politiker und kein Journalist versteht den Feind, sie verstehen nicht einmal sich selbst.
Deutschland nach zwei Weltkriegen wieder gegen Russland. Was für ein Wahnsinn. Ein Totalversagen der deutschen Diplomatie. Schaden vom deutschen Volk abhalten? Das Gegenteil ist der Fall. Die USA hat schon beschlossen, die modernsten Atomraketen nächstes Jahr in Deutschland zu stationieren. Da wird kein Protest der deutschen Rgierung zu erwarten sein und nur Jubel bei den meisten Journalisten. Wer ist noch für den Frieden?
Vielleicht nicht gerade der Volltreffer. Aber wie so oft kommt die Satire der Realität am nächsten:
„Sieht so aus, als wären Teile der Öffentlichkeit gerade dabei, Willy Brandt auf den Platz von Adolf Hitler zu schubsen und umgekehrt“
https://martinsonneborn.de/
Hallo Herr Faulhaber,
der erste Krieg in Europa nach 1945 war nicht der Kosovo-Krieg, sondern eher die verschieden Kriege nach dem Zerfall Jugoslaviens.
Oder der Nordirland-Konflikt, der für mich äußerst kriegerische Züge hatte, auch wenn nur eine Seite über gepanzerte Fahrzeuge verfügte.
Und ich hoffe auch sehr für uns alle, dass aus dem Ukraine-Krieg nicht der dritte Weltkrieg entsteht. Die Widerstandskraft der Ukraine, wozu die Waffenlieferungen einen sehr wichtigen Beitrag leisten, ist im Moment meiner Meinung nach die beste Garantie dagegen.
Wenn die Volksrepublik China der Versuchung erliegt, mit Taiwan auf die gleiche Weise zu verfahren wie Russland mit der Ukraine – dann können Sie von einem dritten Weltkrieg sprechen.
Lieber Wolfgang Storz,
ich weiß nicht, ob Du noch in der SPD bist, aber falls nicht – Du warst es ja mal längere Zeit, oder?. Ist Dir klar, dass Deine (Ex-?)Partei gerade das letzte – wirklich das letzte – progressive Element ihrer politischen Programmatik in die Tonne tritt: die Entspannungspolitik von Willy Brandt und Egon Bahr? Man muss sich das mal vor Augen halten: Zum dritten Mal in 120 Jahren werden in der Ukraine russische Soldaten mit deutschen Waffen getötet… Und die Behauptung (nicht von Dir!), das hier sei „der erste Krieg in Europa seit 1945“ ist eine glatte Lüge: Der erste Krieg seit 1945 in Europa war nämlich der – völkerrechtswidrige – Angriffskrieg der NATO gegen Serbien 1999, um das Kosovo abzuspalten. Frieden schaffen mit noch mehr Waffen? Pflugscharen zu Schwertern? Jeder Schuss ein Russ? Was mich in den Tagen nach dem 24. Februar am meisten entsetzt hat, war, mit welch atemberaubender Geschwindigkeit sich in der deutschen Bevölkerung die jahrhundertealte Russophobie wieder breitgemacht hat – hat der Teutone das etwa in den Genen? Man möchte es fast glauben. Kennst Du die Nachdenkseiten? Albrecht Müller, der die veröffentlicht, war wohl lange Zeit politisch ganz ähnlich gepolt wie Du – aber gegen diesen neuen Russlandfeldzug positioniert er sich eindeutig, und natürlich hat er damit recht. Im Grunde genommen haben wir ja inzwischen schon den Dritten Weltkrieg, bisher ist er nur noch nicht nuklear eskaliert. Aber das kann ja noch durchaus kommen…
Viele Grüße
Norbert
zu Herrn Remark, nein ersparen sollten wir uns das nicht. Das Menschsein beginnt, wenn wir nicht wirklich armselige Würstchen bleiben wollen, beim Zuhören und beim gegenseitigen Respekt. Der verdient Herr Drewermann gewiss.
Ich teile Herrn Drewermanns Ansichten in großen Teilen nicht, seinen christlichen Glauben schon. Dass er den zweiten Krefelder Appell an prominenter Stelle mit unterschrieben hat, hatte mich schockiert. Und trotzdem, man muss ja nicht mit ihm einer Meinung sein, um ihm zuzuhören, denn er hat was zu sagen.
Wenn Menschen, die nahe stehen, ihr langes Leben mit einem kleinen Köfferchen verlassen mussten, wenn so viele Menschen sterben und leiden, dann muss man dem was entgegensetzten. Putin ist nicht Hitler, aber es gibt Parallelen. Ich bin nicht für Krieg, nicht für Waffen, aber ich habe es nie als einen Fehler angesehen, dass dem Dritten Reich mit Waffengewalt ein Ende gesetzt wurde.
Als Maxime für mein Handeln war mir Kants Kategorischer Imperativ, auch und gerade in seiner knappen, volkstümlichen Version („Was du nicht willst…“) schon immer weitaus sympathischer als die uns armselige Menschlein maßlos überfordernde Berg (Moral-)Predigt Jesu. Wenn Eugen Drewermann, den ich als Kirchenkritiker ansonsten überaus schätze, immer wieder und so auch in seinem von Thomas Willauer empfohlenem Vortrag an der Berliner Humboldt Universität und dem von Christina Herbert-Fischer angekündigten Vortrag in Konstanz eben Jesu Bergpredigt als quasi Referenz-Maßstab für seine und unser aller Ethik heranzieht, so lässt mich dies inzwischen ziemlich kalt. Warm wäre mir stattdessen, hätte Drewermann in seinem o. a. Vortrag mit der gleichen Vehemenz, Leidenschaft und berechtigter Verzweiflung angesichts unserer Blödheit wenigstens ein paar Worte des Verständnisses darüber verloren, wie ungeheuer schwierig – ja, wie eingedenk unserer biologischen Wurzeln es eigentlich gar nicht leistbar ist, Jesu Aufforderungen in ihrer ganzen Radikalität Folge zu leisten. M.a.W.: Zu bekennen, dass wir Menschen evolutionär völlig unausgereifte, arme Würstchen sind, die ständig an den eigenen Idealen scheitern (müssen). Dann aber, bei einem solchen Bekenntnis, könnte Drewermann gleich einpacken und seine Vorträge ad acta legen. Und wir könnten uns dann die Zeit und das Eintrittsgeld – sofern verlangt – ersparen.
Lieber Thomas Willauer,
Wenn die ukrainische Armee jetzt keine Luft- und Panzerabwehrwaffen erhält, wird die russische Armee alles abschlachten, was in ihre Finger gerät.
Das willst Du auch nicht. Also: Wenn Du gegen alle Waffenlieferungen bist, was denkst Du, kann jetzt getan werden? Jetzt, nicht in fünf Monaten.
Und wer für Waffenlieferungen ist, wie ich, der ist nicht automatisch Kriegstreiber und der ist nicht automatisch für allgemeine Aufrüstung und Militarisierung. Dieses Schwarz-Weiß aus DKP-Zeiten funktioniert nicht mehr.
Grüsse
zu Herrn Willauer. Diese Rede von Eugen Drewermann war mir bekannt und sie ist hörenswert, ganz gleich, ob man allem zustimmen mag oder nicht.
Ich möchte darauf hinweisen dass Eugen Drewermann voraussichtlich am 27. September in der Dreifaltgkeitskirche hier in Konstanz sprechen wird. Der Titel seines Vortrags ist „Bergpredigt – eine Leitlinie zum Frieden“.
Der Beitrag von Eugen Drewermann ist eine inhaltliche und emotionale Bestätigung für alle diejenigen, die sich als aus der Zeit gefallene Pazifisten beschimpfen lassen müssen.
Denjenigen die sich im Dunstkreis von Strack-Zimmermann (FDP), Roth (SPD), Hofreiter, Habeck und Baerbock (alles Olivgrüne) bewegen, sei gesagt, dass es gegen ihr Waffengeschrei deutlich andere Positionen gibt. Auch Dank Eugen Drewermann. Wen diese einstündige freie Rede kalt lässt dem ist politisch und moralisch nicht mehr zu helfen. Vorwärts in den Untergang…..
An all die Bellizisten und und Waffenschieber:
Eugen Drewermann Rede gegen den Krieg.
Man sollte sich die Zeit nehmen.
https://youtu.be/7bxvAqiMl1I
zu Herr Groß, Politik dient dem Großkapital und dem Machterhalt, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Europa unterscheidet sich von der USA unter Anderem in weiten Teilen durch mehr Sozialstaat. Der ist auch hier nicht gerade super, doch im Vergleich zu den USA doch etwas besser. In Deutschland hat dies eine lange Geschichte, doch wer glaubt im Ernst, dass Bismarck seine Neuerungen aus Menschenliebe durchgesetzt hat?
Ich versuche etwas vergeblich ihre Ausführungen auf meinen Beitrag zu beziehen, da ich ja persönlich angesprochen bin. Mein Vater ist als junger Mann im zweiten Weltkrieg desertiert, einer meiner Großväter ebenfalls, mein Mann hat den Kriegsdienst verweigert, mein bester Freund war nach Westberlin geflüchtet, um ihm zu entgehen. Und????
Bei mir hat der Beitrag von Prof. Wette mehr Fragen ausgelöst, als beantwortet. Ihr Beitrag hat bei mir eher keine weiteren Fragen ausgelöst, leider hat sich mir der Zusammenhang auch nicht erschlossen.
Fragen an den renommierten und erfahrenen Friedensarbeiter Wolfram Wette: Wenn weder Russland noch die USA jetzt einen Waffenstillstand wollen, wie kann Putin-Russland nach seiner Ansicht dazu bewegt werden, ernsthaft mit der Ukraine zu verhandeln? Es gibt doch in diesem Konflikt nur eine entscheidende Frage: und das ist diese? Und um die mogelt sich Wette in seinem langen, langen, sehr langen Vortrag herum. Sehr schade.
Frau Herbert-Fischer, die Interessen der US-Administration sind geleitet vom Großkapital und dessen Vertreter:Innen. Deren Entscheidung war bei beginnendem Kriegsende 1944 die Überlegung Deutschland in eine atomar verseuchte Staubwüste zu verwandeln oder als Absatzmarkt amerikanischer Produkte „am Leben zu lassen.“
Die Vorstellung ging immer soweit, die Bundesrepublik als Speerspitze gegen den Kommunismus verwenden zu können. Dann liefen ganze Generation der im Krieg geschlagenen, im Krieg geborenen und Nachkriegskinder „aus dem Ruder“.
Ich vermute, man weiß hier im Süden wenig über die beachtlichen Zahlen deutscher Kriegsdienstverweiger sowie desertierender amerikanischer Soldaten auf der Flucht vor dem Vietnamkrieg. Westberliner Wohngemeinschaften und Friedensfreunde wurden zu Starthelfer:innen für den Weg nach Schweden oder Kanada. Der Niedergang der DDR geschah durch eine immer höhere Verschuldung und dem Zwang Produkte zu einem Preis anbieten zu müssen, der unter den Herstellungskosten lag. Die DDR musste, wie jedes besetzte Land hohe „Schutzgebühren“ (ähnlich unserer heutigen Natobeteiligung) an die Sowjetunion überweisen.
Trotz Hungerlohn ist ein stehendes Heer im Ausland recht teuer. Darin liegt ein Grund für die sogenannte „Wiedervereinigung“. Die DDR war, nicht nur durch unsere Kaufhauskonzerne Otto, Neckermann, Quelle u.a. finanziell ausgeblutet und die Sowjetunion war nicht so wohlhabend, ein stehendes Heer in Deutschland zu finanzieren. Übrigens Kontakte mit einfachen Sowjetsoldaten waren ausgeschlossen, um sie vor den Versuchungen (der sozialistische Bruderstaat DDR hatte Konsum, Bockwurst und Kartoffelsalat) zu bewahren.
Keine Armee der Welt war bisher in der Lage ein Land langfristig zu „besitzen“. Selbst die alten Kolonialstaaten konnen nur Landesteile in Besitz bringen und die Bevölkerung durch Terror in Schach halten. So waren die Europäer, bedingt durch die Gier nach Ausbeutung und Absatzmärkten weltweit eher Gegner als Partner. Es wird folglich auch keine Nächstenliebe bei der europäischen Gasverteilung geben, denn das würde bedeuten den Weltmarktführer und Exportweltmeister Deutschland durch billige Energie am Leben zu halten.
Man muss nur manchen Energie und Grundwasser verschlingenden Markt, wie die Auto-, Waffen- oder Glasindustrie, Pestizidhersteller, Stahlverarbeiter, den Nahrungsmittelmarkt (Fleisch-, Milch-, Instant- Gefrierprodukte) etc. näher betrachten.
Um ein Land zu besetzen werden Koloborateure und eine unbeschreiblich große Zahl von Besatzer:Innen gebraucht. Da hat der Ruf nach Freiwilligendiensten des Bundespräsidenten seinen Ursprung. Als Helfer sollen sie an Donau, Don und Wolga, in Polen. Lettland oder Moldawien oder der Heimat als billige Arbeitskräfte dienen, wobei der Dank des Vaterlandes in Form einer auskömmlichen Rente ewig auf sich warten lassen wird.
Deutschland etabliert seit Kurzem, wie zuvor schon in der DDR ein eigenes Verwaltungssystem. Dazu Waffensysteme in der Ukraine. Die übrigen EU-Mitgliedsstaaten fürchten einen Atomkrieg mit Russland, der durch taktische russische Atomwaffen, nur zu Demonstrationszwecken übrigens, für Deutschland täglich wahrscheinlicher wird.
Ein Land wird abgewickelt (Vier Episoden ca. 25 Min.):
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiodoku/ein-land-wird-abgewickelt-1-4-ein-volk-schreibt-geschichte/1803699
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiodoku/ein-land-wird-abgewickelt-2-4-von-gluecksrittern-gewinnern-und-verlierern/1803698
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiodoku/ein-land-wird-abgewickelt-3-4-die-rolle-der-treuhand/1803695
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiodoku/ein-land-wird-abgewickelt-4-4-rote-barone-spekulanten-pleitegeier/1803694
Zugabe: https://www.jungewelt.de/artikel/431096.lgbtiq-rechte-party-mit-ruf-nach-waffen.html
In dieser interessanten Analyse fehlt mir eine der Interessenparteien. Hier wird durchaus zumindest teils treffend die Rolle Russlands, der Ukraine und der USA beleuchtet. Europa scheint nicht als mit entscheidender Akteur wahrgenommen zu werden. USA gleich Europa? Das Natobündnis als Gegenpart? Wie ist die Rolle des Natolandes Türkei zu bewerten? Wie ist die Politik Ungarns zu bewerten? Wo findet das Sicherheitsbedürfnis Polens, der baltischen und skandinavischen Staaten Eingang in die Analyse? Wie sind die Interessen der USA dauerhaft zu bewerten? Ein Land, indem die demokratische Entwicklung gefährdet und die politische Situation nicht stabil ist, die Bevölkerung und die Eliten gespalten sind, wie zu Zeiten vor dem dem großen Bürgerkrieg des vorletzten Jahrhunderts. Die Frage ist doch, ob die USA überhaupt auf Dauer ein stabiler Partner Europas sein kann. Eine Frage, die sich mir stellt ist auch, was nach einem womöglich für Russland siegreichen Krieges weiter passiert mit einem Land wie Moldau und anderen europäischen Staaten. Ich frage mich auch, wie man verhandeln soll, mit einer Regierung auf deren Zusagen man sich nicht verlassen kann, die so offensichtlich lügt und Diplomatie konterkariert. Das ist fatal, denn die Diplomatie, wäre das einzige Mittel außer Waffengewalt um in absehbarer Zeit das Töten einzudämmen, was in sich absurd ist. Dies sind lediglich Überlegungen, die mir spontan nach dem Lesen des Textes kamen, Antworten auf diese Fragen habe ich keine.