Berlins erste und bisher einzige Oberbürgermeisterin
Geboren wurde Louise Schröder am 2. April 1887 in Hamburg. Ihr Vater malochte schwer auf dem Bau, ihre Mutter betrieb einen Gemüseladen. Es reichte gerade so, um die Familie über Wasser zu halten. Während ihrer Schulzeit verbrachte Louise viel Zeit im halbdunklen und feuchten Keller des mütterlichen Unternehmens und machte zwischen Karotten, Bohnen und Kartoffeln ihre Hausaufgaben. Denn ein Kinderzimmer gab es nicht bei Schroeders.
Völlig normal war das in diesen Zeiten. Louise Schröderschloss ihre Schulausbildung mit der Mittleren Reife ab und fand anschließend eine Anstellung bei einer Versicherungsgesellschaft. Fleißig und strebsam war sie und arbeitete sich hoch bis zur Chefsekretärin.
Hamburg galt damals schon als Hochburg der Sozialdemokraten. Louises Vater, ein überzeugter Sozi, weckte das politische Interesse seiner Tochter und so war es auch kein Zufall, dass sich Louise Schroeder dem SPD-Ortsverband im Hamburger Stadtteil Altona-Ottensen anschloss. Die Gesellschaft war zu Anfang des 20. Jahrhunderts im Umbruch, Frauen drängten langsam in die Politik, die Arbeiterschaft forderte demokratische Rechte ein und gingen gegen den wilhelminischen Pickelhaubenstaat auf die Straße. Als Louise Schroeder ihre ersten politischen Erfahrungen sammelte, waren Frauen bei Parteiversammlungen noch zumindest durch ein Seil von den Männern getrennt. Sie durften nicht mitdiskutieren und hatten sich auch sonst ruhig zu verhalten. Der Eintritt in eine Partei wurde ihnen erst 1910 erlaubt.
Die folgenden Jahre engagierte sich die junge Nachwuchspolitikerin im sozialen Bereich. Anfang 1919, da war Louise Schroeder 32 Jahre alt, schaffte sie bei den ersten demokratischen Wahlen im Deutschen Reich den Einzug in die Nationalversammlung und gehörte dem Gremium, vergleichbar mit dem heutigen Bundestag, ununterbrochen bis 1933 an. Sie zählte mit der Einführung des Frauenwahlrechts zu den ersten weiblichen Abgeordneten. Unter anderem setzte sie sich stark für die Mitversicherung der Familien in der gesetzlichen Krankenkasse ein. Außerdem wirkte sie mit bei der Gründung der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Dann der tiefe Einschnitt in der deutschen Geschichte: Eine Mehrheit des Reichstags stimmte im März 1933 dem Ermächtigungsgesetz zu, das es den Nationalsozialisten erlaubte, fortan Gesetze nach eigenem Gutdünken zu erlassen und umzusetzen. Louise Schroeder stimmte dagegen, denn sie wusste sehr wohl, was das bedeuten würde.
Um unter den Nazis überleben zu können, eröffnete sie in Hamburg einen kleinen Brotladen. Die Antifaschistin verweigerte tapfer den Hitlergruß, woraufhin ihr Geschäft boykottiert wurde. Sie stand unter Polizeiaufsicht und sah sich ständig vielfachen Schikanen ausgesetzt. Sie ging nach Berlin und bekam dort über Freunde eine Anstellung als Bürokraft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm sie umgehend ihre politische Arbeit bei der SPD auf und galt als unverzichtbar beim Wiederaufbau ihrer Partei. Sie war auch treibende Kraft bei der Wiederzulassung der AWO und gehörte dem Gründungsausschuss der Freien Universität (FU) Berlin an.
Die allseits angesehene Sozialpolitikerin wurde Bürgermeisterin im Berliner Magistrat. 1947 sollte ihr Parteifreund Ernst Reuter zum Oberbürgermeister gewählt werden, konnte sein Amt aber nicht antreten, weil die sowjetischen Besatzer dagegen waren. Also übernahm Louise Schroeder im Mai 1947 den Posten und füllte ihn bis zum Dezember 1948 aus. Bis auf den heutigen Tag ist sie die einzige Frau, die jemals das höchste Amt in Berlin inne hatte. Ab 1949 war sie auch Mitglied des Bundestags und zählte zu den bekanntesten und beliebtesten Politikerinnen im Nachkriegsdeutschland.
Am 4. Juni 1957 starb sie in Berlin, kurz vorher wurde sie noch zur Ehrenbürgerin ernannt. Ein Trauerkorso brachte ihren Leichnam über die Transitstrecke nach Hamburg, wo sie im Schroederschen Familiengrab bestattet wurde. Tausende standen am Straßenrand und trauerten um eine Frau, die sich zeitlebens mutig und selbstlos für Demokratie und Freiheit eingesetzt hatte.
Autor: hr/archiv