Der Klima-Blog (101): Drohender Abriss von Lützerath – Aktionen auch in Konstanz

Alles deutet darauf hin, dass die Behörden in Nordrhein-Westfalen das Tagebau-Dorf Lützerath räumen und abreißen wollen. Mittlerweile rückt sogar die Polizei vor, um dem Kohlekonzern RWE den Weg freizumachen. Dagegen mobilisieren bundesweit zahlreiche Organisationen der Klimaschutzbewegung – auch in Konstanz.

Am übernächsten Wochenende soll in Lützerath die Räumung starten. Danach könnte das Dorf am Kohletagebau Garzweiler II in Nordrhein-Westfalen den Schaufelrädern von Kohlebaggern endgültig weichen. Aktivist:innen und Anwohner:innen befinden sich seit längerer Zeit im Streit mit dem Energiekonzern RWE und der Landesregierung NRW, besetzten das leerstehende Dorf und fordern ein sofortiges Moratorium für Lützerath. Anfang Dezember 2022 hat die stellvertretende Ministerpräsidentin von NRW – die grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur – den Hauptbetriebsplan für RWE unterschrieben. Er sieht unter anderem den Abriss von Lützerath vor. Das hätte nicht sein müssen. Also schrieb ihr kurz vor Weihnachten Isabelle Lindenfelser von Fridays for Future Konstanz folgenden offenen Brief:

„Liebe Mona Neubaur,

Wie geht es Ihnen? Ich bin ein bisschen müde, denn Ihre vorhergehenden politischen Handlungen halten mich vom Schlaf ab. Vor etwa einer Woche haben Sie den neuen Hauptbetriebsplan von RWE genehmigt und damit dem Abriss von Lützerath zugestimmt. Und das, obwohl inzwischen allgemein bekannt ist, dass Ihr Deal mit RWE auf fraglichen Gutachten basiert. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, Lützerath zu retten. Hätte, hätte … Wie wäre es, Sie überdenken Ihre Neujahrsvorsätze? Vielleicht wollen Sie ja zur Abwechslung tatsächlich für grüne Werte einstehen? Bisher haben Sie sich wieder und wieder für Kohle, Kohle, Kohle entschieden. Stattdessen könnten Sie doch an Weihnachten mit Ihrer Familie mal eine große Runde Minecraft spielen und dort nach Herzenslust schaufeln, wie wär´s?

Ich bin in Gedanken viel bei den Menschen, die jetzt gerade in Lützerath sind. Mittlerweile ohne Strom, ohne Warmwasser. Nachts höre ich manchmal immer noch das unermüdliche Brummen des Baggers – Mordor in Herr der Ringe ist nichts dagegen. Menschen wie Sie und ich, denen das Überleben unserer Spezies auf diesem Planeten auch in Zukunft am Herzen liegt. Durch ihre Anwesenheit verteidigen sie friedlich die 1,5-Grad-Grenze in Lützerath. Dieser Job wäre Ihrer gewesen, wir hatten auf Sie gezählt! Stattdessen haben Sie wieder eine Möglichkeit in den Sand gesetzt, wahrscheinlich Ihre letzte. Spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen ist effektiver Klimaschutz nicht nur ein moralischer Akt und ein Bekenntnis zu den Werten ihrer Partei, sondern einfach Ihre Pflicht.

Neues Jahr, neues Glück? Bei den derzeitigen Entwicklungen wissen wir gerade nicht mehr, wie es noch weiter gehen soll. Menschen in Lützerath und sogar Ihr Politikerkollege aus Erkelenz riskieren viel für unsere Zukunft. Und wo sind Sie? Was tun Sie?

Weitere Informationen gibt es am Mittwoch, den 4. Januar, am Infostand auf der Konstanzer Marktstätte (11:30 bis 13:30 Uhr), auf einer Infoveranstaltung am Samstag, den 7. Januar, 18:00 Uhr im Café Mondial (beim Palmenhaus, Am Hussenstein 12) sowie auf den Webseiten Alle Dörfer bleiben sowie Lützerath lebt.

Wer sich angesichts der drohenden Räumung hier am Bodensee engagieren will und an der auch in der Region geplanten Demo (vorgesehen für den 14. Januar, eventuell auch früher) teilnehmen möchte, melde sich bei BodenseeVernetzung@gmx.de

Aktuell gibt es auch noch eine von Konstanz aus mitorganisierte Briefkartenaktion, die zum Ziel hat, Mona Neubaur zu zeigen: So nicht! Wir wollen ihren Briefkasten mit Postkarten und persönlichen Gründen fluten, warum Lützerath unbedingt bestehen bleiben muss. Mach mit, Näheres steht auf der Webseite Postkarten für Lützerath.

Sie sorgen dafür, dass weiterhin der Profit RWEs über unseren Rechten und der Heimat tausender Menschen steht. Und das, obwohl die bereits freigelegte Kohle noch Jahre reichen würde und schlicht und einfach kein Bedarf herrscht. Profit aus der Krise schlagen? Absurd. Während die Bewohner:innnen ihr Zuhause aufgeben, werden Windräder wieder abgebaut – für das hungrige, endlos drehende Schaufelrad und den Geldbeutel des Konzerns.

Ich wünschte, Sie würden einmal das Dorf Lützerath besuchen und sich überlegen, ob am 14. Januar wirklich hunderte Polizist:innen schwer ausgestattet mit Schlagstöcken, Schildern, in voller Montur dort einmarschieren sollen. Ich kann nur sagen: Der Besuch in Lützerath hat viele verändert.

Ich weiß, wir könnten uns auf dem nächsten Parteitag sehen, ich weiß, Sie sind gar nicht so weit weg, wie man denken könnte … Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich wünschte, ich könnte Ihnen zeigen, wie Sie von Ihrem Schreibtisch aus gerade etwas Wunderbares zerstören – unsere Zukunft.

Nun ja, berichten Sie doch mal: Haben Sie schöne Weihnachtspost bekommen? Briefe, die man zu Weihnachten bekommt, sind ja immer etwas ganz Besonderes!

Liebe Grüße
Isabelle“

Foto: Alle Dörfer bleiben (https://www.alle-doerfer-bleiben.de/materialien/)

Der Klima-Blog (hier die 101. Ausgabe) wird von Aktivist:innen von Fridays for Future Konstanz verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Frühere Blogs finden Sie, indem Sie ins Suchfeld das Stichwort „Klima Blog“ [mit Leerzeichen und ohne Bindestrich] eingeben und dann auf „Suchen“ klicken.