Alice Schwarzer: Nicht Vorbild, sondern Gefahr
Über den Namen Alice Schwarzer dürften wohl die meisten schon einmal gestolpert sein, die sich mit Feminismus auseinandersetzen. Bei den Gefühlen, die dieser Name auslöst, gehen die Meinungen aber weit auseinander. Für die einen ist Schwarzer ein Idol und Vorbild, eine große Feministin. Für die anderen ist sie trans*feindlich, rassistisch und höchst problematisch in ihrem Frauenbild. Für mich ist sie vor allem eines: gefährlich. Ein Meinungsstück über Alice Schwarzer.
War Schwarzer früher noch ein Idol des Feminismus, steht sie heute vielfach in Kritik für ihren selbsternannten Kampf für Freiheit, der in Wahrheit nur weiße, cis1-Frauen in den Blick nimmt und massiv von rassistischen, fremdenfeindlichen Einstellungen getrübt ist. Mit dieser exklusiven Haltung stärkt sie rechtspopulistisches Gedankengut und Scheinlösungen, die zwar eine Gleichberechtigung der Frau fordern, damit aber letztendlich nur die weiße, normschöne, heterosexuelle2 cis-Frau meinen. Auf ihrer Website weist Schwarzer sämtliche Vorwürfe zurück und stilisiert sich weiter als Kämpferin für Frauenrechte, die niemals irgendwelche -ismen3 reproduzieren könne.
Diskriminierung über Diskriminierung
Dass dies ganz und gar nicht der Wahrheit entspricht, wird durch zahlreiche Vorfälle in den vergangenen Jahren wie auch kürzlich mehr als deutlich. So hetzt Schwarzer regelmäßig mit eurozentrischen Narrativen gegen den Islam, schürt in ihren Wortmeldungen zuhauf das eindimensionale Bild, dass alle kopftuchtragenden Frauen in Deutschland unterdrückt seien und spricht diesen ihre Selbstbestimmung ab. Aus ihren Worten wurden zudem Taten, als sie sich 2019 übergriffig und rassistisch gegenüber einer kopftuchtragenden Demonstrantin verhielt, die Schwarzer für ihren weißen Feminismus kritisierte. Ferner gibt es genügend Beiträge von Schwarzer auf Social Media oder in Zeitschriften und Büchern, die ihre eindimensionale Haltung gegenüber dem Islam bis heute deutlich machen, was gerade im Zuge der feministischen Revolution im Iran, bei der vor allem Frauen für ihre Selbstbestimmung kämpfen, sehr bittere Züge trägt.
Des Weiteren bedient Schwarzer regelmäßig das Narrativ, dass trans* Sein4 eine Modeerscheinung sei und zweifelt die Ernsthaftigkeit der trans* Identität an – so auch im Zusammenhang mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz, gegen das sie sich erbittert einsetzt. Wie die meisten trans*-exklusiven Feminist*innen stellt sie sich dabei auf ihrer Website als Opfer von Verleumdung durch diejenigen dar, die sie als trans*feindlich bezeichnen würden und betont vielfach, dass dies nicht der Fall sei. Blöd nur, dass sämtliche Artikel, die sie zu ihrer Verteidigung anzubringen versucht, nur so von Trans*feindlichkeit strotzen. In weiteren öffentlichen Äußerungen werden zudem beispielsweise ihre problematischen Positionen zu Prostitution und Pornografie sowie ihr einseitiges Frauenbild deutlich.
Alice Schwarzer ist sich dieser Kritik mehr als bewusst. Doch bewusst bedeutet in diesem Fall, dass sie ihr egal zu sein scheint. Vielmehr zieht sie Kritiker*innen ins Lächerliche und bestärkt weiter ihr selbstgezeichnetes Bild der fehlerlosen Feministin – das, wie oben gezeigt, ganz und gar nicht der Realität entspricht.
Die rassistische und queerfeindliche5 Brille ablegen
All diese Vorfälle und Haltungen zeigen mehr als deutlich, dass Schwarzer heute eben keine Feministin mehr ist oder, wenn sie ihre Selbstbezeichnung als Feministin beibehalten möchte, höchstens weißen, trans-exklusiven Radikalfeminismus (TERF) betreibt. Leider gelingt es ihr jedoch gut, ihr Narrativ der missverstandenen Feministin aufrechtzuerhalten und viele ignorieren zugunsten der Fortschritte, die Alice Schwarzer damals mit erwirkt hat, das Problematische an ihr. Das wird auch im Hinblick auf den im letzten Jahr erschienen Dokumentarfilm von Sabine Derflinger zu ihrer Person deutlich, der sie rein als Ikone des Feminismus darstellt und jegliche Kritik durch Wegschauen und Schweigen negiert. Es kann nicht geleugnet werden, dass Schwarzer früher einen wichtigen Beitrag zum Feminismus geleistet hat, indem sie sich, zum Beispiel, für Abtreibungsrechte eingesetzt hat. Heute aber trägt ihr sogenannter Kampf für Gleichberechtigung maßgeblich zur Unterdrückung insbesondere von Personen of Color, Frauen mit Kopftuch und trans* Menschen bei.
Letztlich bleibe ich also dabei: Alice Schwarzer ist keine Feministin mehr, sondern nutzt ihre Plattform und ihre Stellung als „Ikone des Feminismus“, um Diskriminierung zu verbreiten – und genau das macht sie so gefährlich. Denn Feminismus muss intersektional sein, möglichst alle Lebensrealitäten mit einbeziehen und vor allem anerkennen. Ansonsten verstärkt er nur bereits existierende Machtstrukturen. In diesem Zusammenhang geht es also vornehmlich darum, Schwarzers Brille der, unter anderem, rassistischen und queerfeindlichen Sozialisation abzulegen und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Solange Schwarzer das aber nicht tut und sich gleichzeitig weiterhin als Kämpferin für Gleichberechtigung darstellt, ist sie keine Ikone, kein Vorbild und auch keine Feministin, sondern nur eines: eine Gefahr.
Autor*in: Connie Lutz
Bild: Camille auf Pexels
Bildbeschreibung für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen: Das Bild zeigt einen aufgespannten weißen Fächer, auf dem steht „We are one“ sowie das Zeichen für intersektionalen Feminismus, bei dem alle Geschlechtersymbole zu einem verschmelzen. Im Hintergrund sind einige Gebäude und zahlreiche Menschen, die an einer Pride-Demonstration teilnehmen, zu sehen.
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Hier einige Erklärungen zu im Text verwendeten Begrifflichkeiten, die möglicherweise noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. Weitere Informationen finden sich auch hier.
1 cis: Die Bezeichnung „cis-geschlechtlich“ bedeutet, dass sich eine Person mit dem Geschlecht identifiziert, dass ihr auch bei Geburt aufgrund biologischer Merkmale zugewiesen wurde.
2 heterosexuell: Die sexuelle Identität „heterosexuell“ bedeutet, dass sich eine Person sexuell zu einem Menschen des bzw. eines anderen Geschlechts hingezogen fühlen. Diese Sexualität gilt in westlichen Gesellschaften als Norm und wir bezogen auf cis-Männer und cis-Frauen angewendet. Das bedeutet, im Kontext von westlichen Gesellschaften meint Heterosexualität, dass sich cis-weibliche oder cis-männliche Personen nur vom jeweils anderen Geschlecht sexuell angezogen fühlen.
3 -ismen: Der Begriff „-ismen“ dient hier als Sammelbegriff für unterschiedlichste Diskriminierungsformen. Darunter z.B. Rassismus, Kolonialismus oder Ableismus.
4 trans*: Der Begriff „trans*“ bezeichnet alle Personen, die sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt aufgrund biologischer Merkmale zugewiesen wurde, nur teilweise oder gar nicht identifizieren. Die Bezeichnung wird in diesem Sinne als Oberbegriff für verschiedene Identitäten, darunter nicht-binär und a-geschlechtlich, aber auch als spezifische Identität genutzt. Das Sternchen weist auf den grundsätzlichen Konstruktionscharakter von Geschlechtern hin und betont, dass diese nicht natürlich gegeben sind.
5 queer: Unter den Begriff „queer“ fallen alle Menschen, die sich von cis-Geschlechtlichkeit, also der Identifikation mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht, und/oder Heterosexualität, also einer Sexualität, die zwischen cis-Mann und cis-Frau besteht, abgrenzen.
@Christine Finke
Bereits am 2.11.2022 stand neben einem Artikel von Connie Lutz, auf den Sie ja überaus empört reagiert haben, dass der tatsächliche Name der Autorin der Redaktion bekannt ist. Daran hat sich nichts geändert.
@Michael Philips Für einen Artikel, der Alice Schwarzer kritisiert, braucht man kein Pseudonym. Das passiert die ganze Zeit in vielen Medien, und das ist eine Mainstream-Meinung.
Aber selbst wenn die Redaktion das so sehen würde wie Sie, was ich für völlig überzogen halte, dann müsste neben dem Namen der Autorin stehen, „Name der Redaktion bekannt“, das wäre journalistisch sauber, und darauf bezog sich mein Kommentar.
Die Frage, ob es sich nun bei „Connie Lutz“ um ein Pseudonym handelt oder nicht, ist noch nicht beantwortet. Hallo, @Redaktion!?
Alice Schwarzer hat schon in den 1980er Jahren in einer übergriffig paternalistischen Manier gegen migrantische Menschen jeden Geschlechts gehetzt – besonders gerne aber gegen iranische Männer. Den antimuslimischen Rassismus hat sie damals schon perfekt bedient, auch wenn wir diese Bezeichnung dafür noch nicht hatten. Diese Abwehr und Ignoranz gegenüber Menschen deren Realität von verschiedenen Ungerechtigkeiten geprägt ist, ist ein häßliches und dem Feminismus unwürdiges Machtspiel.
Was ist so schwer daran zu verstehen ,das Befreiung und Emanzipation nur gut ist ,wenn sie ALLE Menschen, die von Unterdrückung und Diskriminierung betroffen sind, mit einbezieht. Das bedeutet eben einen Feminismus der Emanzipation von Trans Menschen mit einbezieht und ebenso den Kampf gegen Rassismus in all seinen Formen. In diesem Zusammenhang finde ich Frau Schwarzers Positionen ,trotz all ihrer früheren Verdienste im Kampf für Gleichberechtigung ,so wie es Connie Lutz in ihrem Artikel beschreibt ,brandgefährlich. Patholgogisierungen von Trans Menschen wie in einem Kommentar geäussert führen da in der Diskussion nicht weiter . Außerdem finde ich es , anbetrachts der akuten Zunahme an Trans und Queerfeindlicher Gewalt in den letzten Jahren , durchaus nachvollziehbar ,einen solchen Artikel unter Pseudonym zu schreiben
Ist Connie Lutz nun ein Pseudonym oder nicht, liebe Redaktion? Bei dem verleumderischen Artikel über mich stand unter dem Text noch:
„Connie Lutz (der tatsächliche Name ist der Redaktion bekannt)“
Ich bitte um Aufklärung. Und sehe hier journalistische Standards verletzt, zum wiederholten Mal. Es gibt in beiden Fällen keinen nachvollziehbaren Grund, warum ein Pseudonym nötig sein sollte.
Beste Grüße, Christine Finke
Liebe Frau Lutz,
ich werde keine Lanze für Frau Schwarzer brechen, da sie sich selbst sicher bestens verteidigen könnte, wenn sie denn ihre Artikel lesen würde. Ich würde aber gerne an dieser Stelle ein paar Ergänzungen zu den Begriffsbestimmungen aufführen.
Unter Narrativ versteht man eine zeitlich überdauernde sinnstiftende Rahmenerzählung deren Wahrheitsgehalt nicht all zu hoch sein muss. Früher sagte man auch Märchen. Wikipedia führt als ein Beispiel den Tellerwäscher auf. Ein aktuelleres Beispiel wäre vielleicht das neuartige Virus das ganz sicher vom Tiermarkt stammt und an dem man ohne Spritze stirbt oder zumindest schwer erkrankt. So was liest man im Seemoz nicht allzu gern weil das rechtes Gedankengut ist, auch wieder so ein Narrativ. Eben Geschichten die in aller Munde sind und an die viele Menschen glauben. Ich denke daher Sie adeln Frau Schwarzer zu sehr, wenn Sie von einem Narrativ der „missverstandenen Feministin“ schreiben. Auch denke ich nicht, dass ein Soziologe hier den Begriff des Narrativs verwenden würde.
Zum Anderen vermisse ich in Ihren Artikeln immer wieder kontroverse Aspekte wie z.B. Persisters vs. Desisters. Für den unwissenden Leser sei hier umgangssprachlich erklärt, dass man in der Psychologie bei Heranwachsenden unterscheidet ob eine Geschlechtsidentitätsstörung sich verwächst oder bestehen bleibt. Die Daten hierzu schwanken stark zwischen den Studien. Persisters, also junge Menschen bei denen die Geschlechtsidentitätsstörung auch im Erwachsenenalter fortbesteht, haben einen Anteil von 2-25%. Der geneigte Leser versteht so vielleicht welche unglaubliche Verantwortung bei den behandelnden und begleitenden Personen liegt. Sie Frau Lutz werden mir hier wahrscheinlich entgegen halten, meine Pathologisiererei sei zutiefst diskriminierend, da Transgender Personen ja nunmal nicht krank sind.
Auch erwähnen Sie nie die erheblichen Gefahren einer Geschlechtsangleichenden Behandlung wie z.B. die sog. Off-Label-Use Anwendung verschiedener Medikamente.
Ich könnte abschließend also aus meiner Sicht durchaus postulieren, dass Sie hier im Seemoz immer wieder versuchen ein Narrativ von einer sorgenfreien LGBTIQ Welt aufzubauen. Mach ich aber nicht denn Sie schreiben ja kaum über diese medizinischen Aspekte und zudem wäre es auch bei Ihnen zuviel der Ehre;-)
ich grüsse Sie ganz herzlich!