Wir können alles außer impfen
Nirgendwo in Deutschland ist die Impfquote niedriger als in Baden-Württemberg. Will man verstehen, wo die schwäbische Impfparanoia ihren Ursprung hat, sollte man vor allem die Anthroposophie Rudolf Steiners in den Blick nehmen.
Als im Frühjahr ausgerechnet im Corona-Hotspot Baden-Württemberg der Pandemie-Protest erblühte und sich in Stuttgart zigtausende zu „Querdenken“-Demos versammelten, war die Ratlosigkeit groß: Dabei ist es kein Zufall, dass ausgerechnet Heimat der Kehrwoche zur Hauptstadt der Hygienedemos wurde, einte doch das bunte Protest-Publikum unübersehbar ein Thema: Die Allergie gegen das Impfen. Dass diese Angst besonders im Südwesten auf fruchtbaren Boden fällt, ist kein Wunder, wird sie hier doch seit langem biologisch-dynamisch gedüngt. Die Panik vor dem Pieks ist so alt wie die Geschichte des Impfens und die Parallelen zu den Protesten gegen den Pockenschutz vor 150 Jahren frappierend.
Die schrille Impfkritik Ken Jebsens, der bei einem der „Querdenken“-Aufmärsche in Stuttgart als Stargast sprach, gleicht beispielsweise bis in die Wortwahl dem Ahnherrn der deutschen Impfkritik, Hugo Wegener. Der Herausgeber der Zeitschrift „Die Impffrage“ warnte vor mehr als 100 Jahren ganz im Stil Jebsens davor, Kindern gegen den Willen der Eltern „Gift in die Blutbahn“ zu jagen. Seine populären Bücher sammelten Berichte über angebliche Pocken-Impfopfer mit dem erklärten Ziel, Mütter in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Frankfurter Ingenieur war Teil einer breiten, vor allem von Laien getragenen Bewegung, die in Verbänden mit Hunderttausenden Mitgliedern organisiert waren. Der Wunsch, die Autonomie über den eigenen Körper gegen die fremde Expertise der Medizin zu verteidigen, ist bis heute ein starkes Motiv der Impfkritik. 1798 war es dem britischen Arzt Edward Jenner erstmals gelungen, Kinder durch die Injektion von Kuhpocken vor der gefährlichen Infektionskrankheit zu schützen. Die medizinische Revolution zu Beginn der Aufklärung stieß trotz ihres Erfolg auf große Skepsis. Obwohl im 19. Jahrhundert noch bis zu einem Fünftel der Kinder an Pocken starben und die Epidemie in Deutschland zu Beginn des Kaiserreiches über 180.000 Menschenleben forderte, gab es anhaltenden Widerstand gegen die Impfpflicht, mit der Reichskanzler Otto von Bismarck dem Virus 1874 zu Leibe rückte. Ähnlich wie in England, wo die Impfgegner bis zu 100.000 Demonstranten versammelten. Dort versuchte man, mit Petitionen Druck auf das Parlament auszuüben und mit internationalen Kongressen die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
In Stuttgart trifft sich die Elite der Impfkritik
An diese Tradition wird in Stuttgart bereits seit längerer Zeit wieder angeknüpft. Bereits zwölf Mal traf sich hier die Crème de la Crème der Impfkritik zum Stuttgarter Impfsymposium. Die medizinische Subkultur tagt weitgehend ohne kritische Begleitung der Medien, scheint aber unter dem Radar ihre Wirkung zu entfalten. Nirgendwo in Deutschland ist die Masern-Impfquote niedriger als in Baden-Württemberg. Bei Schuleintritt liegt sie mit 89,7 Prozent deutlich unter der von der WHO empfohlenen Rate von 95 Prozent. Aber auch bei keiner der anderen 13 wichtigsten Infektionskrankheiten wurde 2019 eine Impfquote von 90 Prozent erreicht.
Das impfkritische Bündnis der Kaiserzeit ist der sozialliberalnationalen Allianz der Corona-Proteste zum Verwechseln ähnlich: Wie der als Corona-Rebell gefeierte Wolfgang Wodarg lehnten auch damals einzelne sozialdemokratische Gesundheitspolitiker Impfungen als reine Symptombekämpfung ab. Stattdessen müsse man die eigentlichen Ursachen der Krankheit wie die Armut und die ungesunden Lebensverhältnisse der Stadtbevölkerung in den Blick nehmen. Diese Sozialpolitiker waren schon damals im Bund mit liberalen Impfkritikern, die in der Impflicht einen Angriff auf die Freiheit und Mündigkeit der Bürger sahen. Heute ist der liberale Wirtschaftsprofessor Stefan Homburg einer der lautesten Kritiker des Lockdowns.
Schon im 19. Jahrhundert gab es Unterstützung von ganz rechts. Einer der berüchtigsten Antisemiten und ein wichtiger Vordenker der nationalsozialistischen Rassenlehre, Eugen Dühring, behauptete, das Impfen sei ein Aberglaube, der von jüdischen Ärzten geschürt werde, um sich zu bereichern. Heute unterstellt man dies Bill Gates. Die weitaus stärkste Fraktion der Impfgegner bildete aber die Lebensreformbewegung, die unter dem Motto „Zurück zur Natur“ einen radikalen Bruch mit der Lebensweise der autoritären wilhelminischen Industriegesellschaft propagierte. Die an Verstädterung, Armutsmigration und Massenkultur „erkrankte“ Gesellschaft sollte an und mit der Natur geheilt werden. Mit Freikörperkult und Vegetarismus, Gartenstädten und alternativer Medizin. Die modernen Arzneien hießen Luft, Sonne, Wasser und giftfreie Diät, schrieb Heinrich Molenaar, der Präsident des Impfgegner-Bundes.
Als Gift erscheinen dagegen Schmutz und Lärm der Stadt, Rausch- und Genussmittel, Medikamentensucht der Schulmedizin, kurz alles Künstliche der Moderne. Im Impfen verdichteten sich für die Lebensreformer alle Probleme moderner ungesunder Lebensweise. Ein gesunder Körper werde mit Erregern vergiftet, was eine natürliche Immunisierung verhindere und Hygiene beziehungsweise gesunde Lebensweise überflüssig mache.
Doch die Natur taugt nur dann als Richtschnur für ein gesundes und richtiges Leben, wenn sie radikal romantisiert wird. Dass sie in Wahrheit ihre menschlichen Mitbewohner seit jeher mitleidlos mit tödlichen Krankheiten überzieht, müssen die zivilisationsmüden Lebensreformer konsequent ausblenden. Nüchtern betrachtet, würde die Orientierung an natürlichen Lebensweisen zu einem brutalen Überlebenskampf führen. Nix alternativer Streichelzoo. Survival of the fittest.
Nicht umsonst inspirierten die medizinischen Ideen der Lebensreformer bis in die Gegenwart immer wieder nicht nur alternative „grüne“ Strömungen, sondern erfreuten sich auch bei den Nationalsozialisten großer Beliebtheit.
Ihre Naturverherrlichung bot hervorragende Anknüpfungspunkte für die NS-Rassentheorie und ihre These von natürlicher Auslese. Kneippianer, Homöopathen, Anthroposophen und andere Naturheiler wurden zeitweilig in der Arbeitsgemeinschaft Neue deutsche Heilkunde zusammengeführt mit dem Ziel einer neuen Synthese zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde.
Heute sind die Grünen die natürliche Heimat aller Anhänger alternativer Heilmethoden, was politischen Gegnern immer wieder Anlass für Sticheleien gibt, vor allem angesichts der niedrigen Impfquote im grün regierten Südwesten. Doch selten gerät dabei der „elephant in the room“ in den Focus: die einflussreiche Anthroposophie. Die okkulte Lehre Rudolf Steiners ist direkt aus der Bewegung der Lebensreformer hervorgegangen und verspricht bis heute ihrer Kundschaft eine andere, irgendwie natürlichere Medizin, Landwirtschaft und Schule.
Oft brechen Kinderkrankheiten an Waldorfschulen aus
Seit vor 100 Jahren auf der Stuttgarter Uhlandshöhe die erste Waldorfschule gegründet wurde, gilt Stuttgart als so etwas wie die Hauptstadt der eurythmischen Bewegung. Hier ging das Bürgertum eine anhaltende Liaison mit Steiners Esoterik ein. Die „Waldis“ sind hier vor allem in den akademischen grünen Milieus bestens verankert und prägen ein spezifisches Stuttgarter Klima alternativer Spießbürgerlichkeit. Dieses harmlose Image verstellt allerdings den Blick auf die Abgründe von Steiners Okkultismus, der neben Schule und Landwirtschaft in der Medizin ein zentrales Anwendungsgebiet hat und einen Gutteil dazu beiträgt, dass die Impfquoten in Baden-Württemberg so niedrig sind.
Dabei grenzen sich die anthroposophischen Oberärzte in den offiziellen Stellungnahmen der Fachgesellschaft klar ab von ordinären Impfgegnern. Die Segnungen des modernen Infektionsschutzes werden gewürdigt, selbst die lange bekämpfte gesetzliche Pflicht, Kinder vor Besuch von Schulen und Kita gegen Masern zu impfen, wird von führenden anthroposophischen Medizinern wie Georg Soldner akzeptiert.
Doch das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit: Gleichzeitig unterstützt der von dem anthroposophischen Kinderarzt Michael Friedl geführte Verein „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“ aktuell die Verfassungsklage gegen die Masernimpfpflicht. „Wir sind freie Bürger, die frei entscheiden, ob sie sich impfen lassen oder nicht“, sagte auch der anthroposophische Vordenker Christoph Hueck auf der Stuttgarter „Querdenken“-Demo im Mai. „Wir haben die Gehirnwäsche und das diktatorische Regierungshandeln satt“, polterte der Mitbegründer der Akanthos-Akademie gegen die Corona-Maßnahmen – und erklärte, einem guten Immunsystem könne das Corona-Virus nichts anhaben. Man werde jedenfalls kein Versuchskaninchen abgeben für neue Impfstoffe.
Hueck bildet Lehrer für die Waldorfschule aus. Die hat auch der Rednerkollege und Mit-„Querdenker“ Ken Jebsen besucht. Immer wieder war er dort in den letzten Jahren auch als Vortragsredner zu Gast. Und immer wieder haben sich auch die Masern in den letzten Jahren an Waldorfschulen blicken lassen wie zuletzt in Hildesheim, Freiburg oder Köln. Laut einer Untersuchung des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg waren an Waldorfschulen stolze 30 Prozent der Kinder nicht geimpft. An staatlichen Schulen sind es gerade mal fünf Prozent. Auffallend selten wird bei den Masernausbrüchen erwähnt, dass die hochansteckende und gefährliche Kinderkrankheit (130.000 Tote jährlich) sehr oft an den anthroposophischen Steiner-Schulen ausbricht. Dass dahinter die „ergebnisoffene, neutrale und individuelle“ Beratung durch anthroposophische Ärzte steckt, liegt auf der Hand. Anthroposophische Medizin verursache Masern-Ausbrüche, konstatierte kurz und bündig schon vor zehn Jahren in der „Medizinischen Wochenzeitschrift“ Professor Edzard Ernst, der erste Lehrstuhlinhaber für Alternativmedizin.
Da geht die okkulte Luzi ab
Warum die Steiner-Gemeinde so verbissen um die Ansteckungsfreiheit und gegen Impfzwang kämpft, kann nur verstehen, wer in die Abgründe des Steiner’schen Okkultismus hinabsteigt. Den hält man der Öffentlichkeit nicht allzu offensiv vor die Nase, schließlich hängen auch die Waldorfschulen am staatlichen Tropf. Allzu obskure Inhalte könnten die Steuerzahler verunsichern. Deshalb hat man sich eine Art anthroposophischen Doppelsprech angewöhnt. In den offiziellen Stellungnahmen für die Öffentlichkeit gibt man sich gern einen seriösen wissenschaftlichen Anstrich und verwässert die Steiner-Esoterik zu harmlosen Allerweltsweisheiten. In den Original-Schriften und Zeitschriften geht dagegen die okkulte Luzi ab. Im Fall der Masern heißt es offiziell, wer Kinderkrankheiten durchstehe statt sie zu unterdrücken, stärke sein Immunsystem und fördere die kindliche Entwicklung.
Dahinter verbirgt sich jedoch eine viel abgründigere These Steiners, die mit herkömmlicher Medizin nicht das Geringste zu tun hat. Danach inkarniert sich das Ich des Menschen im Lauf der Zeit immer wieder in neue Leiber. Deshalb müsse man es dem Kind in den ersten Lebensjahren ermöglichen, sich durch fieberhafte Masernerkrankung quasi in seinem Leib einzurichten und diesen zu individualisieren. Dass das auch genau so gemeint ist, erklärt in der Februar-Ausgabe der waldorfpädagogischen Zeitschrift „Erziehungskunst“ die anthroposophische Ärztin Daphné von Boch: Ein Neugeborenes bestehe nämlich noch ganz aus mütterlichem Eiweiß und drohe deshalb von der Mutter „überwältigt“ und „fremd gesteuert“ zu werden. Erst das Masern-Fieber zerstöre das mütterliche und mache so Platz für das eigene Eiweiß, das dem individuellen geistigen Wesen entspreche.
Die Fachgesellsellschaft für Kindermedizin warnt auf Anfrage davor, solche steilen Thesen überhaupt zum Thema von Berichterstattung zu machen. Sie stehen dafür sicher auf dem Lehrplan der anthroposophischen Ärzteausbildung, wo Daphne von Boch angehenden MedizinerInnen beibringt, wie man mit Planetenmetallen heilt.
Hin und her gerissen zwischen Gesetzestreue und Steiner-Gehorsam zeigen sich die führenden anthroposophischen Mediziner durchaus flexibel: Es müssten ja nicht unbedingt die Masern sein, die man dem Kind zukommen lassen solle, kann man in aktuellen Stellungnahmen nachlesen. Eine Lungenentzündung tue es auch. Hauptsache, das Kind fiebert. Und dabei geht es nicht nur um das Immunsystem.
Krankheiten haben im ewigen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt in der anthroposophischen Medizin einen erzieherischen Sinn. Sie sind karmischer Ausgleich für Fehlverhalten im letzten Leben: Zu starkes Selbstgefühl kann nach der Wiedergeburt zu Cholera führen, sinnliche Ausschweifung zur Lungenentzündung, wer im vorherigen Leben zu selten musiziert hat, leidet jetzt unter Asthma, wer zu wenig Interesse an Sternen und Himmelsvorgängen gezeigt hat, wird mit Bindegewebsschwäche gestraft. Keine Comedy, sondern Anthroposophie.
Corona-Virus – ein Angriff des Teufels
Das Lachen vergeht einem allerdings, wenn man nachliest, mit welch okkult-rassistischem Irrsinn der selbsternannte Hellseher den Ursprung von Infektionskrankheiten „erklärt“. Wie alle Organismen, die sich in anderen Organismen ansiedeln, sind Bazillen und Viren teuflischer Natur – oder „genauer gesagt“ geistige Dämonen und Verwesungsprodukte untergegangener minderwertiger Völker wie zum Beispiel der „Mongolenrasse“. Die trug die Bazillen in ihrem von Fäulnis gezeichneten Astralleib und infizierte bei den großen Völkerwanderungen unter anderem die fortgeschrittenen Rassen von Germanen. Die degenerierten Asiaten luden ihre Fäulnisstoffe auf die europäischen Astralleiber.
Dieser Seuchen-Irrsinn Steiners wird von Anthroposophen anlässlich der Corona-Krise neu aufgelegt: Das Corona-Virus wird in einem Youtube-Vortrag als spiritueller Angriff des Teufels auf die Menschheit gedeutet, der aktuell seine Inkarnation vorbereite. Mit Geld und Macht, Furcht und Lüge mache er die Menschen erst empfänglich für das Virus, mit dem ein starkes Immunsystem locker fertig werde. „Querdenker“ Christoph Hueck weist in einem Corona-Aufsatz darauf hin, dass Infektionskrankheiten laut Steiner als Botschaft der geistigen Welt zu betrachten sind: Der Mensch suche sie gezielt auf, ja benötige sie förmlich, um in der Auseinandersetzung und Überwindung mit seinem Schicksal zu wachsen. Wer verderbten Neigungen wie Egoismus gefrönt hat, infiziere sich leichter.
Bazillen breiten sich nur aus, wenn man materialistische Vorstellungen und eine egoistische Furcht pflege und mit in den Schlaf nimmt. Dann können teuflische ahrimanische Kräfte in die Organe hineinstrahlen, die die Bazillen mästen: Es gelte also, sich mit spirituellen Vorstellungen schlafen zu legen, sich dem Sonnenlicht auszusetzen und überhaupt viele hoffnungsvolle eurythmische Bewegungen zu vollziehen.
Impfung dagegen könne taub machen für die karmischen Botschaften. Wer sich auf diese Weise vor Krankheiten schützt, der erfreut sich vielleicht seiner Gesundheit, aber ihm droht nach Steiner der Reinkarnations-Stillstand. Deshalb suchen den durchgeimpften Menschen zwar nicht die Pocken, aber seelische Verödung heim. Diesen Impfschaden kann man nur durch den Besuch einer Waldorfschule ausgleichen.
Man muss Krankheit übrigens gar nicht unbedingt besiegen, um von ihr zu profitieren. Sollte man beispielsweise früh dahingerafft werden, entfaltet die Krankheitserfahrung ihre segensreiche Wirkung eben im Dasein nach dem Tod und befördert uns im nächsten Leben auf die Überholspur.
Organeinreibekurse auf Elba
Der Vorteile von Krankheit, Leid und Tod werden zuweilen in so leuchtenden Farben geschildert, dass Steiner und Hueck sich zwischendurch gezwungen sehen, dem Leser zu versichern, dass grundsätzlich gegen Heilen und Helfen nichts einzuwenden sei. Nur könne es eben nicht darum gehen, Leiden generell aus der Welt zu schaffen, zu wertvoll seien die geistigen Impulse, die man daraus schöpfe.
Zur Erinnerung: Diese anthroposophische Pseudo-Medizin ist eine gesetzlich anerkannten Therapierichtung, zu der sich normale Mediziner weiterbilden lassen können, wenn sie ein von anthroposophischen Institutionen zertifiziertes Kursprogramm belegen: Aktuell kann man dort „die sieben Chakren und die Seelenprozesse“ studieren und Organeinreibe-Kurse auf Elba belegen.
Bislang verschließt man im Südwesten vor den esoterischen Abgründen der Steiner’schen Lehre fest die Augen. Solange sie offenen Antisemitismus und Rassismus vermeiden, sind die Anthroposophen wohlgelitten. Die grüne Landesspitze machte zum 100. Geburtstag der Waldorfschule brav ihre Aufwartung. Schließlich handelt es sich um einen schwäbischen Exportschlager. Dass ein ziemlich direkter Weg von den harmlosen Pastellfarben der Waldorfschule zur gefährlich-finsteren Impfparanoia der „Querdenken“-Demos führt, sollte endlich auch in Stuttgart Gegenstand einer kritischen Debatte werden.
Dietrich Krauß
Zuerst erschienen bei Kontext-Wochenzeitung. Der Autor, 1965 in Gerabronn geboren, ist Doktor der politischen Philosophie, Journalist und Rechercheur für „Die Anstalt“. Das Trio Krauß, Max Uthoff und Claus von Wagner hat unter anderem den Grimme-Preis und zuletzt den Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe (DUH) erhalten.
@Michael Maier: Dass Louis Pasteur auf dem Totenbett seine Lehre widerrufen und den Pleomorphismus-Vertretern recht gegeben hätte, ist wohl nur eine Legende? Aber egal, die Kontroverse ist sowieso historisch. – Zu dem Zusammenhang zwischen Infektionen und Krebserkrankungen möchte ich richtigstellen, dass 1/6 aller Krebserkrankungen durch Viren ausgelöst werden, etwa Gebärmutterhalskrebs durch sexuell übertragene Papillomaviren, oder Leberkrebs durch Hepatitiserreger. Impfungen gegen diese Erkrankungen sind ein wichtiges Element der Krebsvorbeugung.
@Daniel Schneider: kein Mensch ist ein Stück Dreck! Auch wenn es emotional schwer zu ertragen ist, selbst in Mossul lebten Menschen als die USA im war on terror die Stadt befreiten. Erst die Herabsetzung des menschlichen Gegenübers bringt Soldaten dazu andere zu töten. Desto stärker die Herabsetzung desto größer die Bereitschaft zu töten.
Es erstaunt mich mit welchem ideologischen Eifer Seemoz immer wieder gegen Kirche, Antroposophen, sog. Verschwörungstheoretiker einschließlich der subsummierten Impfgegner agitiert.
Nur mal ein Aspekt des Artikels, die Masernimpfung einer potentiellen RNA Coronaimpfung gleichzusetzen ist so ziemlich das dämlichste Argument das mir dazu einfallen würde. Bei der Masernimpfung mag die Impfquote für Befürtworter ein nachvollziehbares Argument sein, bei einem schnell mutierenden Atemwegsvirus sieht das aber womöglich doch etwas anders aus.
Apropos Atemwegsvirus, wie hoch war doch gleich die Impfeffektivität bei der Influenza in den letzten Jahren? Deutlich unter 30%…Die Durchimpfung der Ü65 Bevölkerung bei der Influenza liegt in England übrigens bei den von der WHO angestrebten 75%. Auch Italien, Belgien, Niederlande und Frankreich erreichen hier erfreulich hohe Werte. In Norditalien gab es diesen Winter sogar noch eine Impfkampagne – vor der Krise. Deutschland liegt hier bei nur 30%. Im Baltikum und vielen anderen osteuropäischen Ländern ist der Wert noch niedriger. Könnte es hier eine Korrelation zu schweren Verläufen und Coronatoten geben? Wenn wir die Influenza nicht durch Impfungen in den Griff bekommen, wieso soll es dann bei Corona besser funktionieren? Noch dazu wahrscheinlich mit einem gänzlich neuen Impfverfahren, das bisher noch nicht zugelassen ist und bei dem wir keinerlei Erfahrungswerte haben. Was wenn das schief geht? Wer steht dann dafür gerade? Herr Drosten sagte ja früh, dass die Risiken nicht bei den Unternehmen liegen dürften.
Mich befremdet, dass wir am Anfang der Krise den Schutz des Lebens über die Würde des Menschen gestellt haben (es ist m.E. gegen die Würde des Menschen wenn man gezwungen wird am Ende seines Lebens einsam zu sterben – nur ein Aspekt der Maßnahmen) und nun angeblich nur aus der Krise kommen, wenn wir das Recht auf körperliche Unversehrtheit aufgeben. Am Anfang war jedes einzelne Leben wert gerettet zu werden. Jetzt sollen aber Impfschäden in Kauf genommen werden. Ist in den Augen der Befürworter der Impfgeschädigte ein in Kauf zu nehmender Kollateralschaden oder nur Mythos bzw. Verschwörungstheorie?
Viren und Bakterien müssen selbst wenn sie pathogen sind nicht unsere Feinde sein. In, auf und mit uns leben mehr Viren und Bakterien als wir Körperzellen haben. Unsere Immunabwehr vertilgt auch Tumorzellen. In Tierversuchen zeigte sich dass geimpfte Tiere häufiger an Tumoren erkranken als Tiere die die entsprechende Erkrankung durchgemacht haben. Monsieur Pasteur, soll gesagt haben: „die Microbe ist nichts, das Millieu ist alles“
@Peter Groß
Hier die Statistik zur Masernansteckung. BW lag 2019 auf Platz 4.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/39269/umfrage/faelle-von-masern/
Zum Artikel – ja, die Antroposophie kann und sollte kritisch beäugt werden und ja, auch das Impfen und generell die Medizin.
Antroposophinnen sind nicht alles Antisemitinnen so wie nicht jede Antisemitin eine Gegnerin der Schulmedizin ist.
Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, in manchen Fällen allerdings schon.
– Masern sind eine sehr gefährliche Krankheit
– Naturbezug und Entschleunigung sind gut für die Gesundheit
– Die Schulmedizin hat die Gesundheit und Lebensdauer der Menschen verbessert und verlängert
-Jede Antisemitin ist ein menschliches Stück Dreck.
-Und Anhängerinnen von Ken Jebsen geistig sehr arme Menschen.
Mit Verlaub Herr Doktor, was für eine grandiose Werbung für Faschisten und wenn Sie etwas tiefer graben, können sie im Hexenhammer zahllose Beispiele gegen eine natürliche Geburt und jede Form der Naturheilkunde finden. Aber raten Sie einmal, warum Pharmaunternehmen ausgerechnet in den letzten verbliebenen Naturreservaten oder bei verbliebenen Volksstämmen fieberhaft nach Wirkstoffen fahnden, die sie rauben, nachbauen und teuer verkaufen.
Mir fehlt zunächst eine Vergleichszahl und zwar ob die Ansteckungsquote bei Masern im Vergleich mit der Impfquote in Baden-Württemberg deutlich höher ist. Was ist übrigens mit den sogenannten Leistung steigernden Mitteln über deren physische und psychische Wirkung wenig bekannt ist? Es geht Ihnen wohl, scheint mir, auch nicht nur um eine Diskussion über Masernimpfung.
Natürlich haben die Nationalsozialisten alle möglichen, damals populären Kenntnisse geklaut und in ihrem Sinne benutzt. Ich denke nur an Reformkleidung gegen Korsett, Gewerkschafts-, Naturfreunde- und Wandervogelbewegung. Gartenstädte. Schwestern und Brüder zur Sonne, in die Freibäder. Heraus aus den nassen, dunklen Mietskasernen. Dazu könnten Sie den den Berliner Autor, Zeichner und Illustrator Heinrich Zille studieren, das Bauhaus, die damalige Hygieneforschung. Aus welchem Grund kamen die Kohlekumpel damals in den Schwarzwald? Man nannte sie wohl Frischlufttouristen, hörte ich vom SWR. Der Berliner Grunewald, die Ufer der Havelseen waren ebenso voll wie Volksparks, das Bodenseeufer, Ost- und Nordseebäder. Wollen sie heilklimatischen Kurorten und Bädern, dem Kneipp die Behandlungserfolge streitig machen?
Dazu gäbe es eine gute Quelle, das Hygienmuseum. Ich fürchte solche Projekte wie die folgende des Deutschen Hygiene Museums lösen bei Ihnen ähnlich Hassbotschaften aus: „Gemüseorchester. Das Pflanzen-Klang-Labor unserer Partner von KlangNetzDresden beschäftigt sich mit der Erzeugung von Klängen mit und durch Pflanzen. Im aktuellen Projekt Gemüseorchester werden aus Möhren, Sellerie, Rharbarber und weiteren Gemüsesorten Instrumente hergestellt und zum Klingen gebracht. Mit Hilfe von Videoanleitungen könnt ihr zuhause die Instrumente nachbauen und euren ganz eigenen Sound einschicken. Nach und nach entsteht dann aus allen Einsendungen ein vielstimmiges Gemüseorchester.“ https://www.dhmd.de/dhmdigital/
Legen Sie mal ihre speziellen, problematischen, steinalten nationalsozialistischen Quellen zurück ins Archiv und hinterfragen ihren Furor gegen Naturheilkundler, Antroposophen, Pharmaunternehmen- und Impfgegner. Meine Sympathie für Anarchisten beispielsweise (Monte Veritas) rührt u.a. daher, dass diese Weltanschauung einst mit einer etwa gleichen Wortwahl verteufelt wurde, wie die, die Sie heute nutzen.
Übrigens dadurch, dass nicht mehr jeder AfD-Furz in der bundesrepublikanischen Presse millionenfach verbreitet wurde, ließ nach meiner Meinung das Interesse an dieser Partei deutlich nach. Den Vorzug öffentlicher Aufmerksamkeit genießen Ken Jebsen und seine Wirrköpfe heute mit Ihrer Unterstützung.
In ihrem Beitrag findet eine gnadenlose Hexenjagt statt. Ich bin nicht auf dem antroposophischen Auge blind, weiß aber, dass heute, erst recht in wenigen Jahrzehnten, wirklich keine wirksamen Antibiothika im Kampf gegen MRSA mehr zur Verfügung stehen, weil es aus Profitgier wichtiger scheint, diese dem Tierfutter beizumischen.