Haushaltsdebatte: Kultur-Bashing ist der falsche Weg
Eindrucksvoll haben sich die Konstanzer Sportvereine gegen Kürzungen in ihren Bereichen Gehör verschafft. Ihr Auftritt vor dem Sportausschuss (Bild) war ein starkes Zeichen für bürgerschaftlichen Protest – und führt wohl zum Erfolg. Doch anschwellende Attacken von verschiedenen Seiten gegen unsere Kultur sind eher kontraproduktiv. Ein Zwischenruf.
Die Verwaltung plant, die Zuschüsse für den Sport um rund 300 000 Euro jährlich zu kürzen. Käme es wirklich zu diesem Kahlschlag, stünden viele Vereine vor dem Aus. Es ist daran zu erinnern, dass rund 30 000 KonstanzerInnen jeden Alters in örtlichen Sportvereinen aktiv sind und nun um ihre Existenz fürchten müssen. Ein Zahlenbeispiel: Das umstrittene Bodenseeforum benötigt jährlich Zuschüsse von bis zu 2,5 Millionen Euro, also das achtfache (!) dessen, was man dem Sport aus den eh schon mageren Rippen schneiden möchte. Der Protest gegen diese willkürliche Rasenmähermethode ist also völlig berechtigt.
Im Vorfeld der aktuellen Haushaltsberatungen hat der Gemeinderat bei seiner kostenintensiven Klausurtagung im Schloss Marbach beschlossen, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen, bis hinunter zum Putzdienst in den Verwaltungsgebäuden. Wirklich alle? Eben nicht, denn eine Mehrheit des Rates, inklusive Grüne und SPD, hat das Bodenseeforum von der Prüfliste genommen. Das darf man getrost als finanzpolitischen Skandal allererster Güte zu Lasten der SteuerzahlerInnen bezeichnen.
Seit Wochen werden vermehrt Stimmen laut, die fordern, vor allem die Zuschüsse für Philharmonie und Stadttheater um rund 20 Prozent zu reduzieren. Findet sich dafür eine Mehrheit, wäre das fatal, denn dann stünden auch diese städtischen Kulturinstitutionen weitgehend vor dem Ende. Wollen wir das wirklich? Es war schon immer mehr als fragwürdig, die Gelder für Sport und Kultur gegeneinander aufzurechnen, denn beide Bereiche gehören zu den unverzichtbaren Pfeilern unserer Stadtgesellschaft, und beide sollten besser gemeinsam für ihren weiteren Fortbestand streiten.
Text und Bild: H. Reile
Bei der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses wurde vielfach eine Gleichstellung von Sport und Kultur propagiert, der Grünenvertreter Peter Müller-Neff betonte, dass er die Kultur für mindestens so wichtig wie den Sport erachte, was ja durchaus die Deutung zulässt, dass für ihn Theaterbesuche höher zu bewerten sind als Schwimmkurse und weitere Bewegungsangebote für Kinder. Für die Bedeutung von Bewegung für die Entwicklung von Kindern und Jugendliche (kognitive, soziale, emotionale und gesundheitliche Folgen), aber auch für Erwachsene (Stichworte: Übergewicht, Herz-/Kreislauf, Krebs- und Depressions-Prävention und -Therapie, um nur einige zu nennen) liegt eine Vielzahl von Studien vor – an der Uni Konstanz gibt es die Sportwissenschaft, die hier sicherlich beratend tätig werden könnte. Hamburg etwa bewirbt sich trotz sündhaft teurer Elbphilharmonie als „Active City“ und hat einen Bewegungsbericht sowie eine überaus interessante Broschüre „Gesundheitlicher Nutzen von Sport und Bewegung“, in dem viele Untersuchungen aufgeführt sind, veröffentlicht und wird sich daran messen lassen müssen. Zweifelsfrei hat auch die Kultur hier einiges zu bieten – aber gleichwertig? Wahrscheinlich ist der Gemeinderat bestückt mit einigen Vertretern/Vertreterinnen, die in ihrer Schulzeit als talentierte Blockflötenakrobaten aufgefallen sind, beim Schulsport aber als letzte gewählt wurden und dieses Trauma noch heute mit sich herumtragen.
…..und im Seemoz lese ich, dass das Festhalten an das „Millionengrab Bodenseeforum als ein finanzpolitischer Skandal allererster Güte zu Lasten der SteuerzahlerInnen“ bezeichnet wird. Dem stimmt sicherlich die Mehrheit aller KonstanzerInnen zu. Aber dann muss man sich auch fragen, wie eine Stadt wie Konstanz seit Jahrzehnten die Unsummen für Stadttheater und Philharmonie verantwortet. Es gibt in ganz Deutschland sicherlich nur ganz wenige Kommunen in der Größenordnung wie Konstanz, die sich ein Theater und eine Philharmonie leisten können. Mir ist auf jeden Fall, trotz ausführlicher Internet-Recherche, keine bekannt!
Es wäre in der Tat zu banal, wenn jetzt das Eine gegen das Andere ausgespielt würde. Das muss verhindert werden. Am Ende hätte die Bevölkerung beides verloren.
Allerdings muss nüchtern festgestellt werden, dass seit vielen Jahren nach einem krassen Missverhältnis Sport und Kultur gefördert wurde und es ist nicht nachvollziehbar (Resultate?), warum der Kulturteil gegenüber der Sportförderung so unverhältnismäßig hoch war. Und genau das ist jetzt zumindest ein Teil des entstandenen Problems. Es wurde über Jahre eine Art Dilemma-Situation geschaffen – nicht nachhaltig, nicht verantwortungsbewusst.