Alles fing mit einem Espresso auf der Piazza Grande an
Es war vor knapp fünf Jahren, als Jürgen Weber auf dem Marktplatz von Locarno einen Espresso schlürfte und ins Grübeln kam. Seitdem hat der Konstanzer Autor und Verleger sein Leben verändert. Sein spontaner Entschluss damals: „Ich arbeite künftig dort, wo ich hinter meinem Laptop die Augen gegen das Sonnenlicht zukneifen muss.“ Seitdem sprudeln die Einfälle, seitdem organisiert er neben seinem alltäglichen Job muntere Kulturveranstaltungen an ungewöhnlichen Orten, schreibt an ungewöhnlichen Orten und verlegt Bücher über ungewöhnliche Menschen. Und bleibt dabei doch immer der politische, im Zweifel linke Jürgen Weber.
Bücher, besser Drehbücher, schrieb er schon immer. Das ist sein Geschäft seit nunmehr 18 Jahren. Damals gründete er mit Kathrin Brüggemann „Querblick“, aus dem mittlerweile „schriftbild“ geworden ist – ein Medienverbund mit dem Verlag „Querwege“ und der Bildungsmarke „didactmedia“. Unterrichtsfilme für Schulen entstehen dort – über 100 Drehbücher hat Weber, mittlerweile 45 Jahre alt, verfasst. Sein Thema: Soziales Lernen; seine Absicht, Lernhilfen zu liefern für Jugendprobleme wie Drogensucht, Pubertät oder Sekten-Unwesen. Seine Kunden sind Lehrer, die solche Filme für den Schulunterricht ordern.
Literatur auf der Palette
Doch hinzugekommen sind neue Projekte, wie die Literatur auf der Europalette. Auf dem schmalen Holzgerüst traten Poetry-Slam-Autoren unter der Konstanzer Schänzlebrücke auf, Kabarettisten im Büro und Autoren im Boxring (seemoz berichtete jeweils). Es ging dabei um Obdachlose und Sinti, um Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassenwahn. Diese neue Art der Literatur-Präsentation, dreimal bislang in Konstanz veranstaltet, findet schon jetzt viele Freunde und soll fortgeführt werden.
In diesen Rahmen passt auch die nächste, von Weber organisierte Veranstaltung am 3.2. im Konstanzer Neuwerk: Der in Konstanz lebende Dr. Mohamed Badawi, Sprachwissenschaftler, Autor und Musiker, entführt unter dem Titel „Ein Beduine erzählt – Geschichten, Lieder und Gedichte aus dem Sudan“ seine Zuhörer in die Welt arabischer Erzählkultur: Donnerstag, 3. Februar, 20 Uhr, „Kantine“ Neuwerk, Konstanz.
Partisanen aus dem Piemont
Und getreu seinem Motto „mal Revolte, mal Poesie“ präsentiert Jürgen Weber am 8. Mai in der vhs-Konstanz sein neues Buch, basierend auf einem eigenen Film, der schon vor Jahren entstand, „Einmal Partisan, immer Partisan“, in dem er zwei italienische Widerständler aus dem 2. Weltkrieg porträtiert (siehe Foto): Sonntag, 8. Mai, 11 Uhr, vhs-Konstanz, Katzgasse, stimmig veranstaltet am Jahrestag der deutschen Kapitulation 1945.
Diese, seine Texte schreibt er neuerdings in einer Almhütte im Vorarlberg oder in einer Ferienwohnung am Lago Maggiore („Tessin ist Teil meines Lebens geworden“). Der eingeborene Konstanzer, gelernter Bürokaufmann und Offsetdrucker, der seine journalistischen Lehrjahre beim legendären „Nebelhorn“, der Alternativ-Zeitung aus den 70iger, 80iger Jahren, zubrachte, wird hierzulande immer seltener gesehen: Kein Problem in Zeiten digitaler Textübermittlung; „Reisen und Schreiben“ sollen seine zukünftigen Lebensinhalte sein. Dabei stammen längst nicht alle Bücher aus eigener Feder. Im „querwege“-Verlag ist zum Beispiel eine Broschüre von Hendrik Riemer zum Nazi-Dichter von Scholz erschienen, wird aber auch Webers eigenes Partisanen-Buch verlegt, ist überdies ein Roman in Vorbereitung.
„Kultur geht auch anders“
Sein Blog ‚esPRESSo‘ wird zukünftig regelmäßig Auskunft geben über die vielfältigen Pläne und Projekte des umtriebigen Konstanzers. Jürgen Weber ist sicher: „Kultur kann auch anders als gewöhnlich entstehen und präsentiert werden. Das zu produzieren und das vorzuführen, will ich in den nächsten Jahren versuchen.“ Auf diese Weise wird Jürgen Weber Konstanz und dem Konstanzer Kulturleben erhalten bleiben. Und darauf freue ich mich…
Autor: Hans-Peter Koch
Klasse Artikel: Dacapo – Wir brauchen Menschen mit Ideen und der Suche nach Offenheit, die anderen Menschen den Weg zu verborgener Transparenz liefert. Einer zieht in die Welt hinaus und hinterlässt den daheim gebliebenen den Zugang zu anderen Kulturen und Denkmodellen, sowie Transparenz über deren Absichten.
Auch in Zeiten der schnellen Transportwege und Medien- Überflutung sind wir Menschen oft weit hinter dem, was wir glauben zu wissen.
Ein bißchen Recherche kann nicht schaden, das ist richtig. Das „legendäre Nebelhorn“ zum Beispiel hat es – anders als im Text behauptet – in den 70er Jahren noch nicht gegeben.
Danke für die Blumen. Aber der Hinweis auf mehr Recherche wäre bei genauem Lesen unterblieben – da ist von ‚zukünftig‘ die Rede. Konkret: Der blog ‚esPRESSo‘ ist ab 4.2. im Netz. Danichfür. hpk
Mal ein toller Artikel ohne erhobenen politischen Zeigefinger 🙂
Allerdings vermisse ich ein wenig Recherche … wenn schon Hinweise und Querverweise (wie z.B. das „esPRESSo“ Blog) im Artikel angesprochen werden könntet Ihr auch die entsprechenden Seiten verlinken.