Alles zurück: Kitas und Grundschulen sollen bis Ende Juni vollständig öffnen
Kitas und Grundschulen in Baden-Württemberg sollen bis spätestens Ende Juni vollständig wieder öffnen. Das sagte die zuständige Kultusministerin Susanne Eisenmann (Bild) gestern der Deutschen Presse Agentur in Stuttgart. Sie begründete den Schritt mit Ergebnissen einer medizinischen Studie. Damit wäre die erst am 18. 5. in Kraft getretene Regelung hinfällig, die nur einen eingeschränkten Betrieb vorsieht. Sie war landesweit und auch in Konstanz auf breiten Unmut gestoßen.
Die FGL etwa kritisiert in einer Pressemitteilung vom 26. 5. die Vorgabe, die Kitas nur bis zur Hälfte ihrer normalen Kapazität zu belegen. Diese Grenze sei durch die Notbetreuung weitestgehend ausgeschöpft, weshalb die Stadt rechtlich nicht die Möglichkeit habe, „die berechtigten Erwartungen der Eltern zu erfüllen“. In Gegenposition zur vom eigenen Parteifreund geführten Landesregierung fordert die grüne Ratsfraktion, „die Begrenzung der Kapazität der Kitas zu modifizieren, so dass die Kommunen Spielräume erhalten, nach den Gegebenheiten vor Ort zu entscheiden. Dabei sind die Betreuungswünsche der Eltern mit Fragen des Gesundheitsschutzes abzuwägen.“ Eine Forderung, die nach dem neuerlichen Kurswechsel in Stuttgart nun aber ins Leere läuft.
Als Grund für den Sinneswandel der Regierung hat CDU-Kultusministerin Eisenmann erste Ergebnisse einer medizinischen Studie zur Übertragbarkeit von Covid-19 durch Kinder angegeben, an der gegenwärtig ExpertInnen der Uniklinken Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Ulm arbeiten. Die Studie, für die 2.500 Kinder und je ein Elternteil auf das Virus und mögliche Antikörper getestet wurden, gebe Signale, wonach Kinder bis zehn Jahre als Überträger des Virus nur eine untergeordnete Rolle spielen, erklärte Eisenmann. Pikant: Diese Aussage steht im Widerspruch zu den Ergebnissen einer Studie, wegen der sich Charité-Virologe Christian Drosten aktuell einer Bild-Schmutzkampagne ausgesetzt sieht. Sie kommt zu dem Ergebnis, die Viruslast von Kindern unterscheide sich nicht signifikant von der Erwachsener.
Dass man im Ministerium jetzt aufs Gaspedal tritt, dürfte deshalb vor allem auch mit dem Sturm von Unmutsäußerungen zusammenhängen, der sich wegen der Kita-Politik des Landes erhob. In seltener Deutlichkeit hatten in den vergangenen Tagen und Wochen Kommunen und Trägerorganisationen den Stuttgartern vorgeworfen, beim Corona-Krisenmanagement fehlten schlüssige Konzepte.
Planlosigkeit bescheinigt dem Ministerium indes nicht nur die Betreiberseite, auch die Gewerkschaften üben harsche Kritik. Verdi und GEW werfen Eisenmann vor, sich nicht ausreichend um den Gesundheits- und Arbeitsschutz der Beschäftigten zu kümmern. Schon die Aufstockung der Belegung auf 50 Prozent wäre nach Meinung der GEW in der jetzigen Situation verantwortungslos. Doro Moritz, Landesvorsitzende der PädagogInnen-Gewerkschaft, findet deutliche Worte: „Es gibt kein Konzept, wie die erweiterte Öffnung ablaufen soll. Mehr als ein Drittel des Personals steht in den sowieso unterbesetzten Kitas nicht zur Verfügung. Wieder einmal erleben die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas, dass die Arbeit mit kleinen Kindern offenbar am wenigsten wert ist und die Devise der grün-schwarzen Landesregierung offenbar heißt: Kleine Kinder, geringe Bezahlung …“ Der südbadische Verdi-Geschäftsführer Reiner Geis beklagt ebenfalls, „dass auf die Sorgen und Ängste der Beschäftigten bezüglich der schwierigen engen räumlichen Verhältnisse nicht eingegangen“ werde. Die Beschäftigten in den Kitas seien die Experten für frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung, auf sie zu hören daher dringend geboten.
Gegenüber dpa hat Ministerin Eisenmann jetzt immerhin erklärt, die Öffnung von Kitas und Grundschulen müsse „gründlich vorbereitet werden, weil einige Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher zu Risikogruppen gehörten“. Ziel sei, diesen regelmäßige Corona-Tests zu ermöglichen. „Der Gesundheitsschutz unserer pädagogischen Fachkräfte ist uns nach wie vor ein sehr wichtiges Anliegen“, sagte die Ministerin. Eingedenk des bisherigen ministerialen Irrlichterns sollte sie an diese Worte im Verlauf der nun anstehenden Umsetzungsgespräche immer wieder erinnert werden.
jüg (Bild: Kultusministerium Baden-Württemberg)