„Das Geld ist da, es muss nur besser verteilt werden!“

Armut und die Lebensbedingungen armer Menschen finden kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Zu Unrecht, denn einerseits sind die Folgen der Armut massiv, andererseits handelt es sich in Deutschland mittlerweile um ein Massenphänomen. Eine Podiumsdiskussion, veranstaltet von seemoz e.V. und der Konstanzer LINKEN, ging der Frage nach, was Armut in Deutschland ausmacht, welche Konsequenzen sie für das Alltagsleben der Menschen hat und wie ihr politisch zu begegnen ist.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, wies einleitend darauf hin, dass sein Verband von der Gleichwertigkeit aller Menschen ausgehe. Diese Perspektive sensibilisiere für die ungleichen Möglichkeiten zur Teilhabe und Teilnahme, die von Armut betroffene Menschen aus dem sozialen Miteinander ausschlössen. Armut nehme in Deutschland nicht ab, sondern zu und neige mehr und mehr zu verfestigten Strukturen der Langzeitarbeitslosigkeit, die zu beseitigen einst die Agenda-Reformen mit all ihren Folgen ersonnen wurden.

Eben diese politischen Weichenstellungen halfen dabei, in Deutschland den im europäischen Vergleich größten Niedriglohnsektor zu etablieren, an dessen Ende nicht einmal mehr Arbeit vor Armut schützt. Zuletzt verwies Schneider auch auf das hohe Armutsrisiko Alleinerziehender und kinderreicher Familien. Das führe dazu, dass 20% der Kinder in Deutschland von Armut betroffen seien.

Inklusion selbstverständlich

Den Horizont der Diskussion erweiterte Stephan Grumbt: Der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt Konstanz brachte die kommunale Perspektive und die spezifischen Probleme der von ihm vertretenen Gruppe ein. Er nahm die von Schneider angesprochene Forderung nach Teilhabe und Teilnahme auf, die gerade für behinderte Menschen oft nicht hinreichend gegeben sei. Grumbt mahnte an, Inklusion dürfe nicht weiter als außergewöhnliche Leistung gelten, sondern müsse zur alltäglichen Selbstverständlichkeit werden. Hierfür müssten allerdings erst die Voraussetzungen geschaffen werden: Schulen und Lehrpersonal würden diese Aufgabe gern übernehmen, aber dazu fehle ihnen die Zeit, deshalb müsse schlicht mehr Lehrpersonal eingestellt werden. Wer die UN-Behindertenrechtskonvention tatsächlich umsetzen wolle, müsse erheblich investieren.

Armut grenzt aus

Durch den Abend führte Sibylle Röth, die Bundestagskandidatin der LINKEN. Sie verwies auf ihre persönliche Erfahrung mit Arbeitslosigkeit, die zwar kurz blieb und deren Ende absehbar war, die sie und ihr politisches Engagement aber prägte. Die Umstellung im alltäglichen Verhalten, wenn das Geld fehle, fiele mit Angst, Unsicherheit und Scham zusammen, in deren Folge sich Menschen aus dem sozialen Leben zurückzögen. Vom Kinobesuch bis hin zum Kaffeetrinken mit Freunden verlöre alles seine Leichtigkeit, sei doch stets zu bedenken, ob das Geld dann am Monatsende noch reiche.

Diese alltäglichen Folgen der Armut führten dazu, dass Menschen tief in ihrer Würde verletzt würden und oft Gefühlen politischer Ohnmacht ausgesetzt seien. Die wirtschaftliche Ungleichheit gefährde damit letztlich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie. Wenn wir uns vor Augen führten, wie viele Menschen, die im Niedriglohnsektor arbeiteten, unter finanzieller Prekarität, beständigem Konkurrenzdruck und fehlender Anerkennung litten, zeige sich, so Röth, dass es höchste Zeit sei, politisch zu handeln.

Vermögensteuer und Kindergrundsicherung

In der Fragerunde wurde zudem diskutiert, wie sich denn die ökologische Wende mit einer adäquaten Sozialpolitik verbinden ließe. Ulrich Schneider verwies auf Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Kooperation mit dem BUND, wonach sich die CO2-Steuer – richtig ausgestaltet – durchaus als Umverteilungsmechanismus eigne. Weil mit dem Vermögen statistisch auch der CO2-Verbrauch maßgeblich steige, würden reichere Haushalte entschieden mehr belastet.
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Überhaupt war sich die Runde hinsichtlich der Lösungsoptionen erstaunlich einig: Soziale Menschenrechte gebe es nicht zum Nulltarif. Armut sei nicht mit Bildungsgutscheinen oder Coachings zu begegnen, sondern zunächst und ganz einfach mit mehr Geld. Um Menschen, gerade auch Kinder, aus der Armut zu führen, müssten die Hartz IV-Regelsätze erhöht und eine Kindergrundsicherung eingeführt werden. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf verwiesen, dass es unter Helmut Kohl – der bestimmt kein Sozialist gewesen sei – noch eine Vermögensteuer gegeben habe. Hiermit ließen sich Einnahmen generieren, um die Erhöhung der Sozialausgaben gegenzufinanzieren.

Text: Tobias Braun/ Bilder: D. Schröder