Der Klimacamp-Blog (2): Kaum Fortschritte beim Klimaschutzbericht
„Wenn die Fridays for Future gesagt haben: ‚Wir wollen, dass ihr springt‘, haben wir das getan. Kopfüber.“ Das sagte der Konstanzer Oberbürgermeister Ulrich Burchardt vor einem Monat im Interview mit der Berliner Tageszeitung taz. Aber springt der OB tatsächlich so, wie die Klima-Aktivist*innen wollen? Und geht der „Absenkpfad für unsere Emissionen“ tatsächlich „jetzt steil nach unten“, wie er behauptet? Zweifel sind angebracht, wie die folgende Analyse belegt.
Im Mai 2019 wurde im Konstanzer Gemeinderat der Klimanotstand ausgerufen. Seitdem erstellt beschlussgemäß die Stadtverwaltung halbjährlich einen Fortschrittsbericht. Im Juli 2021 wurde der vierte Klimaschutzbericht veröffentlicht.
Wie auch in den drei Berichten davor steht das Wichtigste nicht drin, nämlich wie groß der CO2-Ausstoß von Konstanz ist. So kann man auch nicht sehen, ob die Stadt Fortschritte (oder gar Rückschritte) gemacht hat. Dass man zwei Jahre nach dem Start immer noch nicht weiß (oder zugeben will), wo man steht, ist höchst bedenklich.
Was dafür im Bericht steht, sind wieder einmal zahlreiche Einzelmaßnahmen, die sich in Details verlieren (beispielsweise LED-Beleuchtung), sowieso gemacht worden wären (Gebäudesanierung) und wenig Greifbares bringen (etwa verwaltungsinternes Ideenmanagement). Oder die von ihrem CO2-Einsparungspotenzial her schlichtweg vernachlässigbar sind (Stadtradeln, Klimabäume).
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Positiv zu vermelden ist, dass die Stadt vom Ifeu-Institut ein Szenario hat entwickeln lassen, wie Konstanz bis 2035 (annähernd) klimaneutral werden soll und dieses vom Gemeinderat angenommen wurde.
Ansonsten kann man an dem Klimaschutzbericht vor allem viele Probleme erkennen:
- In manchen Bereichen ist die Zielsetzung zu wenig ambitioniert: die Bodensee-Schiffsbetriebe wollen bis 2031 nur 25 Prozent der Treibhausgasemissionen einsparen; die Stadt will erst 2040 eine „weitgehend klimaneutrale Verwaltung“ haben.
- Manche sinnvolle und wichtige Maßnahme wurde aus Personalmangel nicht umgesetzt (Planung Nahwärmenetze, Kampagne für größte Energieverbraucher)
- Der im Berichtszeitraum realisierte Ausbau der Photovoltaik sind erbärmliche 80 Kilowattpeak (kWp). Das ist vergleichbar mit Anlagen auf zehn Einfamilienhäusern und entspricht in etwa einem Tausendstel des Strombedarfs in Konstanz. In dem Tempo wird der Strombedarf also erst in 500 Jahren komplett klimaneutral gedeckt. Das ist besonders traurig, weil die Frage, wie wir den Energiebedarf decken, ein Kernthema ist, und weil Sonne die einzige in großem Umfang verfügbare regenerative Energiequelle im Stadtgebiet ist.
Der große Hammer kommt aber gegen Ende des Berichts: Die Stadtwerke planen eine zweite zusätzliche Gaspipeline nach Konstanz. Da sollen also zig Millionen Euro noch kurz vor knapp in fossile Infrastruktur verballert werden. Und das obwohl wir ja eigentlich schon seit zwei Jahren dabei sind, aus klimaschädlichen Energien auszusteigen. Das ist schwer nachvollziehbar. Auch wenn im Bericht mit der Sicherstellung der Versorgungssicherheit argumentiert wird, kann der Grund eigentlich nur sein, dass der Gasverbrauch in den letzten Jahren gestiegen ist – oder in den nächsten Jahren noch weiter steigen soll. Der Geist des Klimanotstands wird hier mit Füßen getreten.
Text: Klaus Vollmann vom Konstanzer Klimacamp
Fotos: pw