Der Thüga-Deal (2): „Es geht nicht ums Geld.“ Oder doch?

Die Stadtwerke planen die Ausgliederung der Sparten Strom, Gas, Trinkwasser, Wärmedienstleistungen und Telekommunikation/Glasfasernetze in eine Tochtergesellschaft (Arbeitstitel: Energie GmbH), an der dann zu 25,1 Prozent die Thüga AG beteiligt werden soll.

Nein, ums Geld gehe es bei der geplanten Beteiligung ganz und gar nicht. Dies erklärten Stadtwerkechef Norbert Reuter und Oberbürgermeister Uli Burchardt unisono auf der Infoveranstaltung am 20. Juni. Diese Behauptung überrascht. Für die Thüga gilt sie mit Sicherheit nicht, denn die engagiert sich nicht aus Gutherzigkeit, sondern um etwas zu verdienen. Das ist sie ihren Aktionär;innen schuldig.

Doch wie steht es um die SWK? Das für den Wärmenetzbau in den nächsten zehn Jahren notwendige Investitionsvolumen von 400 bis 500 Millionen Euro erscheint auf den ersten Blick riesig. Bene Müller, der mit solarcomplex schon 120 Kilometer Heizungsrohre verbuddelt hat, hält den Betrag für realistisch, aber zu stemmen.

Zu rund einem Drittel fördere die Bundesregierung Investitionen in nicht fossil beheizte Wärmenetze. Man könne zudem einen Bürgerfonds auflegen; in Konstanz gebe es sicher genug reiche Leute, denen die Wärmewende am Herzen läge. Und den Rest leihe man sich halt von den Banken. Wobei zu ergänzen ist, dass es zur Wärmewende auch vom Staat zinsverbilligte Förderkredite gibt. Egal ob zinsverbilligt oder zu Marktkonditionen, eine Stadtwerke-Tochtergesellschaft mit Thüga-Anteil bekomme nicht Geld zu besseren Konditionen als die Stadtwerke selbst.

Womit die Stadtwerke noch Geld verdienen: Fähren

Die Stadt als Eigentümerin der SWK wird beim Einstieg der Thüga auch kein Geld bekommen. Die Thüga wird der Stadt nämlich nicht 25,1 Prozent der neuen SWK-Tochter Energie GmbH abkaufen, sondern sich mit einer Kapitaleinlage am neuen Unternehmen beteiligen. Nehmen wir als Rechenbeispiel an, die auszugliedernden Geschäftsfelder hätten einen Wert von 75 Millionen. Dann muss die Thüga in das neue Unternehmen 25,1 Millionen einschießen, um auf einen Anteil von 25,1 Prozent der nach der Transaktion dann 100,1 Mio. Euro werten Gesellschaft zu kommen.

Die städtische Dividende schrumpft

Die Konzessionsabgabe in Höhe von ca. 3,75 Millionen Euro, welche die SWK alljährlich an die Stadt Konstanz für das Recht auf Wasser-, Strom- und Gasversorgung zahlt, bleibt von der Thüga-Beteiligung unberührt. Darüber hinaus bekommt die Stadt als Eigentümerin der SWK bislang auch eine Dividende von jährlich 1,5 Millionen Euro, die sie jedoch nicht entnimmt, sondern als Kapitalzufluss den SWK belässt. Werden die gewinnbringenden Geschäftsfelder von den SWK nun an die geplante Energie GmbH ausgegliedert, an der die SWK nur noch 74,9 Prozent hält, bekommen die Stadtwerke auch nur noch drei Viertel des Jahresüberschusses der Energie GmbH. Die Ertragslage der SWK würde sich also verschlechtern und die an den Eigentümer Stadt auszuschüttende Dividende würde sinken.

[the_ad id=“94028″]Also ein schlechtes Geschäft? Nein, sagen die SWK, denn zum einen könnten sie ohne Partner Erträge wie in der Vergangenheit sowieso nicht mehr einfahren; zum andern gehen sie davon aus, dass die mit der Thüga-Beteiligung verbundenen Synergien und günstigeren Einkaufsmöglichkeiten den Überschuss der neuen Energie GmbH soweit heben werden, dass die bisherige Dividende an die Stadt gehalten werden kann. Der nur noch 74,9-prozentige Geschäftsanteil würde dann also weiterhin 1,5 Millionen Euro bringen – die der Energie GmbH übereigneten Geschäftsfelder müsste halt statt bislang 1,5 Millionen künftig 2 Millionen erwirtschaften, denn ein Viertel des Gewinns ginge ja an die Thüga. Unter dem schönen Titel „Mehrwert für Konstanz“ errechnet die Thüga für die nächsten zehn Jahre Mehrwerte von 11,7 Millionen Euro durch das Eingehen der „strategischen Partnerschaft“. Das kann man glauben oder auch nicht. Das Schrumpfen der städtischen Dividende indes wäre gewiss.

Sinkende Eigenkapitalquote

Das eigentliche Problem der SWK scheint das absolut wie relativ zur Bilanzsumme stetig sinkende Eigenkapital zu sein. Betrug die Eigenkapitalquote im Kernbereich (ohne Beteiligungen) 2018 noch 44 Prozent, waren es Ende 2022 nur noch 30 Prozent.

Die Eigenkapitalquote (EKQ) ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis von Eigenkapital zum Gesamtkapital (= Bilanzsumme) eines Unternehmens wiedergibt. Komplementärbegriff ist die Fremdkapitalquote, also der Anteil des Gesamtkapitals, das dem Unternehmen von Gläubigern befristet und rückzahlbar zur Verfügung gestellt wird – vereinfacht gesagt: die Schulden der Firma. Die EKQ ist eine wichtige Kennzahl für Risiko und Bonität eines Unternehmens. Je höher die EKQ, desto gesünder ist das Unternehmen.

Im Konzern sieht es nicht besser aus. Da schlagen das superteure Schwaketenbad und das superteure Fährschiff „Richmond“ zu Buche (beide betrieben mit dem fossilen Brennstoff Gas und damit schon wieder out). Es muss also immer mehr auf Kredit finanziert werden, und das bei steigenden Zinsen. Da schafft die geplante Kapitaleinlage der Thüga in die neue Energie GmbH doch eine deutliche Entlastung und lässt deren Bilanz gleich besser dastehen.

Fazit: Es geht sehr wohl ums Geld. Die Thüga will durch die „strategische Partnerschaft“ Profit erwirtschaften. Die SWK fürchten, aus eigener Kraft künftig immer weniger erwirtschaften zu können, und können eine bessere Kapitalausstattung der für die Energiewende relevanten Geschäftsfelder gut gebrauchen.

Text: Ralph-Raymond Braun / Fotos: Pit Wuhrer

In den nächsten Teilen unserer Serie werden wir untersuchen, ob die Stadtwerke wirklich fremdes Knowhow brauchen, um die Wärmewende zu meistern.  Und ob die Thüga AG dazu der richtige Partner ist. Dazu nehmen wir dann auch die Thüga ins Visier. Wer ist sie? Und was treibt sie?

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