Die Verkehrswende kommt und kommt und kommt …

Einige Vorgängermodelle des E-Tretrollers aus dem späten 20. oder frühen 21. Jahrhundert nach Christus. Ganz links in zweiter Reihe ein Vorläufer des E-Autos (spätes Plastikzeitalter, ca. Jahr 5 vor Greta).

Der Technische und Umweltausschuss (TUA) tagt am heutigen Dienstag. In öffentlicher Sitzung stehen unter anderem die Konzeption für die neuen Mobilpunkte, an denen man das Verkehrsmittel wechselt, sowie der Antrag der FGL auf Prüfung einer innenstädtischen Citymaut auf der Agenda. Außerdem geht es um ein Thema, von dem viele offenkundig nicht genug bekommen können: Um E-Tretroller-Mietsysteme für Konstanz, für etliche Menschen die nach den Schnaken und den Schweizern größte Zumutung für uns Eingeborene.

Die Verkehrswende wirft ihre langen Schatten voraus – irgendwie ist sie noch lange nicht da und doch im TUA schon jetzt in vielen Facetten außerordentlich präsent.

Mobilpunkte

Mobilpunkte sind ganz einfach Örter, an denen Menschen, die von A nach B wollen, das Verkehrsmittel wechseln können. Das einfachste Beispiel für einen Mobilpunkt wäre eine Bushaltestelle, an der RadlerInnen in den Bus umsteigen. Wie sich das am sinnvollsten bewerkstelligen lässt, darüber hat sich die Verwaltung einige Gedanken gemacht: „Die im Masterplan Mobilität enthaltenen Ansätze wurden zwischenzeitlich zu einem Mobilpunktkonzept weiterentwickelt. Es wird nun zwischen kleinen, mittelgroßen und großen Mobilpunkten unterschieden. Die Einteilung erfolgt anhand der Art und Anzahl der verknüpften Verkehrsträger.“ Sprich: Wo Zug, Bus, Schiff, Taxi, Carsharing und Fahrradvermietung sich treffen, haben wir es mit einem großen Mobilpunkt zu tun.

Was heißt es, wenn aus einer einfachen Haltestelle ein Mobilpunkt wird? Ist das reines Wortgeklingel, oder soll dort tatsächlich etwas verbessert werden? Dazu die Verwaltung:

„Kleine Mobilpunkte: In Bereichen mit größeren Haltestellenabständen oder an Haltestellen mit raumgreifenden Linien (z.B. 4/13, 13/4) werden zusätzlich Fahrradabstellanlagen vorgesehen. Den mittelgroßen Mobilpunkten werden weitere Verkehrsträger zugeordnet. Im Einzelnen sind dies CarSharing-Fahrzeuge und/oder die Stationen der Fahrradmietsysteme. Große Mobilpunkte sollen an sechs Stellen im Stadtgebiet entstehen. Hier erfolgt zusätzlich der Umstieg in den schienengebundenen Fernverkehr, den Fernbus oder aufs Schiff.

Mittelgroße und große Mobilpunkte sollen mittels mindestens einer hohen, schmalen Stele (ca. 3,15 m x 37 cm) gekennzeichnet werden. Für die Stelen wird die Bildmarke „Radstadt Konstanz“ verwendet. Sie zeigen außerdem das noch zu entwickelnde Logo der Mobilpunkte Konstanz sowie Richtungsangaben zu den unterschiedlichen Verkehrsträgern, die am jeweiligen Mobilpunkt angeboten werden.“

Eine Karte mit den geplanten innerstädtischen Mobilitätspunkten gibt es hier.

Immerhin, es gibt auf jeden Fall mal eine schmucke Stele und endlich mal wieder ein neues Logo, da wir ja von Logos gar nicht genug kriegen könnten. Es soll mit den mittelgroßen Mobilpunkten begonnen werden, an denen etwa 15 Stelen für 50.000 Euro aufgestellt werden sollen. Hüpf, freu, kreisch! Das Geld wäre sicher genauso gut angelegt, wenn statt der Stelen und der Entwicklung eines weiteren Logos einfach stillschweigend die Fahrradabstellanlagen an einigen Bahnhöfen zumindest auf gewöhnliches Drittweltniveau hochgerüstet würden.

Aber das steht wohl genauso wenig zu hoffen, wie dass neben den Glascontainern endlich angemessene Abfallbehälter aufgestellt werden, in die die Menschen all die Korken, Konservenglasdeckel und ähnlichen Verschlüsse entsorgen können, die sie jetzt auf die Container legen, von wo der Wind und böser Buben Hände sie in alle Himmelsrichtungen verstreuen.

Citymaut für Konstanz

Die FGL hat beantragt, „die Verwaltung möge prüfen, ob und wie eine Citymaut für Konstanz realisiert werden könnte. Konstanz hat den Klimanotstand ausgerufen. Nun müssen Maßnahmen folgen, die zum einen deutlich CO2 reduzieren. Zum anderen könnte mit den Einnahmen aus einer Citymaut der Konstanzer ÖPNV querfinanziert werden.“

Zur Begründung verweisen die Grünen auf die Erfahrungen anderer Städte aller Größenordnungen von London über das nordenglische Durham (66.000 Einwohner) bis hin zum Pionier, dem norwegischen Bergen, das seit 1985 eine „Fahrgebühr“ erhebt. In all diesen Orten habe sich der Verkehr in der Innenstadt nach Einführung der Gebühr erheblich reduziert, während die Nutzung von Park & Ride und der öffentlichen Verkehrsmittel erheblich zugenommen habe.

Die Verwaltung hingegen sieht das Unterfangen äußerst kritisch: „Bei der Erhebung einer Citymaut ist in Personenkreise zu unterscheiden, die eine Zufahrtsberechtigung erhalten sollten (Bewohner, in der Innenstadt Beschäftigte, Gewerbetreibende, Kurier-Express-Paket-Dienste etc.) sowie Zielverkehr, der die Innenstadt aus anderen Gründen besucht. Dies ist in den genannten Städten anderer Länder nur mittels Kennzeichenerfassung jedes einfahrenden Fahrzeugs durch aufwändige technische Infrastruktur möglich. In Deutschland liegen die rechtlichen Voraussetzungen weder für eine Citymaut noch für die Kennzeichenerfassung vor.“

Mit anderen Worten: Eine wirksame Kontrolle des Verkehrs, welches Auto umsonst in die Stadt darf, welches zahlen muss und welches schon bezahlt hat, ist derzeit nach Ansicht der Verwaltung gar nicht erlaubt. Außerdem sei ein Papier der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass Kommunen nicht aus eigener Machtvollkommenheit eine Citymaut einführen dürfen. Konstanz habe also gar kein Recht dazu.

Aber die Stadt sei nicht untätig und arbeite ja wie vom TUA beschlossen an einem digitalen Verkehrsmanagement, das die Innenstadt dicht macht, wenn die Parkhäuser belegt sind. Außerdem will die Verwaltung in den nächsten Monaten ein Stellplatzkonzept für Innenstadtbesucher vorlegen. Der Prophet hat es da ziemlich einfach: Die autofreie Innenstadt wird von der Verwaltung mit all diesen Maßnahmen ganz sicher nicht angestrebt, es dürfte eher darum gehen, die schweizerischen Käufermassen nicht so lange im Stau darben zu lassen.

Ein gewichtiges Argument gegen eine Citymaut in Konstanz allerdings hat die Verwaltung in ihrer Erwiderung komplett vergessen. Mit einer Maut hieße es in Zukunft bei der Einfahrt in die Innenstadt genauso wie schon lange beim Arzt nicht mehr „der Nächste bitte“, sondern „der Reichste bitte“[1].

E-Tretroller

Seit der Einführung des aufrechten Gangs hat kaum ein Thema die Gemüter derart bewegt wie die Frage, ob E-Tretroller nun ein Werk des Satans seien oder nicht. Auch die Konstanzer Verwaltung steht natürlich vor der Frage, wie sie mit diesen Dingern umgehen soll, denn „mehrere Betreiber von Elektro-Tretroller-Mietsystemen haben bei der Verwaltung angefragt, ob Interesse bestünde, dass in der Stadt ein solches System installiert wird.“ Also wurde eine ausführliche Abwägung des Für und Wider vorgenommen.

Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) regelt die Verwendung von Elektrokleinstfahrzeugen, sogenannten E-Tretrollern, auf öffentlichen Straßen in Deutschland. Darin steht unter anderem, dass die Höllenmaschinen 6 bis 20 km/h schnell seien sowie wo vorhanden Radfahrstreifen und Radwege verwenden und sonst auf der Fahrbahn fahren müssen. Außerdem haben sie auf Gehwegen und in Fußgängerzonen nichts verloren, es sei denn, diese werden durch das Zusatzzeichen „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ freigegeben.

Insgesamt beschreibt die Verwaltung diese Dinger als vor allem ökologisch ziemlich sinnlos: Die Roller halten nicht lange und ersetzen nicht Autos, sondern nur Fußwege in vom öffentlichen Nahverkehr ohnehin schon gut erschlossenen Innenstädten. „Die Verwaltung sieht grundsätzlich keine Notwendigkeit, dass in Konstanz zusätzlich zu konrad und TINK auch ein oder gar mehrere E-Tretroller-Mietsysteme angeboten werden. Ein besonderer Nutzen eines Elektro-Tretroller-Mietsystems für die Stadt Konstanz wird nicht gesehen – außer dem individuellen ‚Spaßfaktor‘ des Nutzers.“ Also wird Konstanz nicht von sich aus aktiv werden und im Zweifelsfall versuchen, mit eventuell interessierten Anbietern auf eine Vereinbarung über die Qualität des E-Tretroller-Angebots hinzuwirken, damit die Dinger nicht überall halblebig in der Stadt und im Hafenbecken rumliegen.

Hoffen wir also, dass der Leibhaftige uns arme Konstanzer gar nicht erst in Gestalt eines Mietsystemanbieters in Versuchung führt.

Luciana Samos (Foto: O. Pugliese)

[1] Zugegeben, dieser Spruch ist aus „Titanic“ geklaut.


Öffentliche Sitzung des TUA am 21. Januar 2020 ab 16 Uhr im Sitzungssaal des Verwaltungsgebäudes Laube, Untere Laube 24 (über dem Bürgerbüro). Sitzungsunterlagen hier.