Freie Fahrt am Bahnhof

Manche Probleme scheinen LaiInnen auf den ersten Blick unlösbar zu sein. Wie lässt sich die gefährliche und unübersichtliche Engstelle des Radweges am Bahnhof Wollmatingen zwischen Bahngleisen und einem Gebäude beseitigen? Die Lösung könnte diese Woche auf den Weg gebracht werden: Der Haupt- und Finanzausschuss entscheidet am Donnerstag über einen Grundstückstausch und den damit verbundenen Abriss des Gebäudes.

Es hört sich nach einem guten Geschäft für die Stadt an. Die Ziele sind, so die Sitzungsvorlage, „Ankauf und Verkauf der Teilflächen als Basis für eine städtebauliche Neuordnung, zur Beseitigung einer gefährlichen Engstelle am Bodenseeradweg, Verbreiterung des Radweges und städtebaulichen Aufwertung.“

Sitzt, passt, wackelt und hat Luft, zumal auch noch „ein Aufgeld zugunsten der Stadt in Höhe von ca. 137.800 €“ anfällt.

Zwei Gewinner?

Der Hintergrund des Tauschgeschäfts fällt in den Bereich der weißen Bauplanungsmagie: Im Januar 2017 stellte der Eigentümer des Grundstücks Riedstraße 35 und des darauf stehenden Gebäudes (das Ding mit dem Eisenbahnwagen) ein Baugesuch für den Abriss des Gebäudes und die Errichtung eines Hotels. Das Grundstück ist aber nun in seiner jetzigen Form ziemlich verwinkelt und ragt nicht nur direkt in den Radweg vor, sondern auch ganz nahe an Straße und Bahngleise heran. Auch ein neuer Eigentümer, der das Grundstück übernahm und die Pläne für ein Hotel weiterführen wollte, war zu einem Grundstückstausch bereit. Ergebnis: Der „Investor“ erhält ein viereckiges Grundstück auf dem Parkplatz neben seinem bisherigen Grundstück, sodass sein Neubau sich ein wenig von Straße, lärmigem Bahnübergang, Bushaltestelle und Bahngleisen entfernt – damit macht er Platz für mehr Verkehrsfläche.

Im Prinzip läuft das Spiel so: Grund und Boden kostet dort 520 Euro pro Quadratmeter. Und jetzt wird es auf einmal ganz einfach: Die Stadt kauft dem Eigentümer etwa 348 Quadratmeter seines bisherigen Grundstücks ab und erhält dafür ca. 180.960 Euro. Dafür kauft der Eigentümer der Stadt auf der Fläche daneben circa 377 Quadratmeter ab, auf denen er ein Hotel errichten will. Das Stück Land kostet ihn seinerseits rund 196.040 Euro.

Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken: Unter einem Teil des vom Eigentümer neu erworbenen Grundstücks schwappt in einem Abwassersammelkanal die Brühe in Richtung Kläranlage, daher ist die ursprünglich unter dem Hotel geplante Tiefgarage an der neuen Stelle nicht im geplanten Ausmaß realisierbar. Deshalb verkauft die Stadt dem Hotelbesitzer für weitere 122.720 Euro insgesamt 236 Quadratmeter neben seinem neuen Grundstück, auf denen er die vorgeschriebenen 10 Parkplätze einrichten kann.

Auf diese Weise entsteht der Überschuss zugunsten der Stadt. Im Prinzip wird das bisher genau auf der Ecke zur Bahnschranke geplante neue Hotel also um ca. 25 Meter nach Südosten verschoben. Das Gebäude könnte allerdings eine richtige Wuchtbrumme werden: „Ein Baufenster mit einer Grundfläche von 325 Quadratmetern und einer maximalen Gebäudehöhe von 24 m ist vorgesehen. Auf dem Grundstück sind Wohnungen, Einzelhandel und Vergnügungsstätten ausgeschlossen.“ (Büros allerdings wohl nicht, wie sich einem der beigefügten Pläne entnehmen lässt.) Außerdem muss der bisherige Eigentümer auf seine Kosten das alte Gebäude abreißen und sein altes Grundstück auf die Ebene der Straße absenken.

Mobilitätspunkt Wollmatingen

Was hat die Stadt davon? Sie will die ziemlich einmalige Gelegenheit nutzen, den bisher viel zu engen und unübersichtlichen Radwegschlenker am Bahnhof Wollmatingen zu begradigen und den Radweg dort auf vier Meter zu verbreitern – eine löbliche Absicht, denn die Verhältnisse dort sind in der Tat halsbrecherisch. Außerdem soll die Bushaltestelle vor dem Grundstück verlängert werden, damit zwei Gelenkbusse hintereinander passen. Außerdem wird der Parkplatz auf Straßen- und Bahnsteigniveau abgesenkt, „sodass der Wartebereich der Bus- und Bahnhaltestelle attraktiver gestaltet werden kann“, was auch immer das heißen mag, denn ein hügeliger Mobilitätspunkt hätte doch auch etwas, auch wenn er sich anders als die Stadt Rom statt mit sieben Hügeln mit nur einem begnügen müsste.

Und wo die PlanerInnen schon mal so schön in Schwung sind, wollen sie das alles zu einem würdigen Umsteigeort aufwerten, etwa durch einen neuen Kiosk oder ein neues Café im neuen Hotelgebäude, eventuell gar mit Außenbewirtschaftung. Inklusive der neu einzurichtenden öffentlichen Parkplätze rechnet die Stadt ihrerseits mit Kosten von rund 100.000 bis 150.000 Euro.

Man darf allerdings gespannt sein, was die Verlängerung der Bushaltestelle hin zur Bahnschranke für den Radverkehr entlang der Riedstraße bedeutet. Für RadlerInnen, die an der Riedstraße 35 vorbei in Richtung Wollmatingen radeln, ist schon jetzt wenig Platz vorhanden, und gerade die Stelle an Ampel und Bahnschranke, an der ja von rechts auch noch der Bodenseeradweg einmündet, ist ziemlich unübersichtlich und für Rad- wie Fußverkehr reichlich eng und enervierend, und es fehlt an einem Aufstellplatz an der Ampel.

Die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Donnerstag ab 16.00 Uhr (vermutlich wesentlich später, denn vorher tagt ebenfalls um 16.00 Uhr der Betriebsausschuss Bodenseeforum) ist öffentlich. Sie findet zwar als Videokonferenz statt, wird aber in Bild und Ton für die Öffentlichkeit im Ratssaal übertragen. In der Sitzung geht es neben etlichen anderen Themen auch um einen neuen Fußweg zur Marienschlucht.

Text: O. Pugliese, Bilder: Stadt Konstanz, O. Pugliese