Jürgen Geiger ist tot
Unser Freund, Genosse und Kollege Jürgen Geiger ist nach schwerer Krankheit gestorben. Er war seit seinen Studententagen an der Universität Konstanz über Jahrzehnte hinweg politisch höchst aktiv, und das weit über unsere Stadt hinaus. Er arbeitete in zahlreichen politischen und sozialen Bewegungen mit – zuletzt bewegte ihn als überzeugten Internationalisten etwa Rojava ganz besonders – und leistete als Fraktionsmitarbeiter der Linken Liste Konstanz auch lokalpolitisch wichtige Arbeit. Außerdem war er bei seemoz nicht nur als Autor aktiv, sondern sorgte in den letzten Jahren als unser Administrator Tag für Tag für pünktliches Erscheinen. Jürgen Geiger starb am 17.09.2021.
seemoz
Was für eine traurige Nachricht – hab’s jetzt erst erfahren, offenbar schaue ich viel zu selten in die Seemoz. Wie so viele, die hier einen Kommentar hinterlassen haben, kannte ich Jürgen vom Studium her, in den frühen 1980er Jahren – und wie so viele hier standen wir anfangs auf verschiedenen Seiten: er als Aktivist beim maoistischen KBW, ich beim linkssozialdemokratischen SHB. Die Uni war damals so klein, dass man sich natürlich ständig über den Weg lief – und oft genug trotz aller politischen Differenzen irgendwann gemeinsam in einer Kneipe landete. In Erinnerung geblieben ist mir vor allem eine Zugfahrt von Offenburg nach Konstanz, als alle Waggons mit Bundewehrsoldaten auf dem Wochenendtrip belegt waren und wir gerade noch auf zwei Klappnotsitzen zwischen den Abteilen Platz nehmen konnten. Ich hatte eine Literflasche Wein dabei, die mir die Eltern meiner damaligen Freundin geschenkt hatten, und die leerten wir auf der Fahrt nach Konstanz und diskutierten heftig und angeregt über den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 und die damals damit verbundenen Probleme für die europäische Linke. Als sich wenig später die damalige Alternative Liste gründete, war ich von Anfang an mit dabei – und staunte schon damals, wie es uns (und vor allem Jürgen) gelang, Gruppierungen, die sich noch ein paar Monate vorher bekämpft hatten, auf ein gemeinsames politisches Programm zu verpflichten. Als seinerzeit bei diesen Diskussionen die Forderung aufkam, das „Recht auf Arbeit“ in diesem Programm zu verankern, bekam Jürgen einen seiner – nicht gerade seltenen – Wutanfälle und brüllte: „Was die Arbeitslosen in erster Linie brauchen, ist nicht Arbeit, sondern Geld!“ Ich denke noch heute, dass da tatsächlich was dran ist…
Ja, und jetzt reißt er natürlich eine grosse Lücke in die Reihen der Konstanzer Linken – und wohl auch der Seemoz (beim „Vorläufer“, dem alternativen Stadtmagazin Nebelhorn, das von 1980 bis 1994 existierte, hatten wir seinerzeit auch wieder zusammengearbeitet). Ich habe ihn nur selten getroffen in den letzten Jahren, meist in irgendeiner Kneipe, und das letzte Mal (ich glaube, im Sommer letzten Jahres) war ich richtig erschrocken – er sah unglaublich alt aus (obwohl er ein paar Jahre jünger war als ich), und irgendwie sah man ihm auch an, dass er nicht mehr richtig gesund war. Ich werde ihn in Erinnerung behalten, so wie er in der Blütezeit seiner Jugendjahre war: als Star auf den studentischen Vollversammlungen (Jürgen war ein begnadeter Redner), als unermüdlicher Aktivist in den Fußgängerzonen und auf den Plätzen dieser Stadt, als fähiger und engagierter Recherche-Journalist.
Wieder einer weniger – es ist einfach nur traurig…
Danke Jürgen, ich bin nun schon seit über 30 Jahren von KN nach Berlin gezogen, verfolge aber immer noch, dank Seemoz, was so alles politisch passiert in meiner alten Heimat. Und habe großen Respekt und Bewunderung vor allen, die hier bleiben und „die Fahne weiter hochhalten“. Du warst da einer der wichtigsten Köpfe.
Besonders bewegt haben mich die Worte von Stefan Frommherz, liebe Grüße an Dich vom „Müslipunk“ aus Berlin.
Sehr traurig. Ich war mit Jürgen in den 80ern einige Zeit im AStA, kümmerte mich dort um die Kulturveranstaltungen, die vom beinharten Kommunisten als „nicht ganz so wichtig“, aber auch notwendig angesehen wurden. Nicht nur, weil durch die Veranstaltungen und Discosauch Geld für die politische Arbeit gesammelt wurde. Jürgen war das politische Sprachrohr unseres linken AStAs.
Ich bewunderte Jürgen immer für seine Radikalität, sein Engagement, seinen Einsatz ohne „wenn und aber“ und seine Ehrlichkeit. Gut erinnere ich mich noch an seine Streitgespräche mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth im Audiamax der Uni..Wir waren nicht immer einer Meinung, trotzdem gab es immer einen gemeinsamen Nenner.++Darüberhinaus konnte der Mann damals auch, trotz allem, feiern…Erinnere mich an einige tolle Parties. Viel zu früh ist er nun gegangen. Mach’s gut, Jürgen….
P.S.: Danke, Stefan Frommherz für den schönen Text.
Bestürzung und Trauer.
Grosser Verlust.
In der Cherisy bei Veranstaltungen in der „Neuen Arbeit “ habe ich ihn oft getroffen. Er hat sich immer für die arbeitende Bevölkerung eingesetzt. Das vergess ich nie.
„Vorwärts im Kampf für die Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes “ – unter dieser Parole hatten wir uns in den 70iger Jahren kennengelernt. Ich hatte danach bei der Berufswahl „Nomade“ angekreuzt, Jürgen Geiger ist Konstanz treu geblieben – vor allem ist er sich selbst treu geblieben. Vielleicht sollte man beim Abschied von ihm auch daran denken: Man sollte die Menschen vor allem ehren, solange sie leben.
Wie traurig – Jürgen war nie bequem, sondern hat immer zum Nachdenken angeregt und bequeme Denkweisen in Frage gestellt. Er wird in unserer Stadt fehlen.
So wie ich Jürgen kenne, machte er nicht viel Aufhebens um seine Person. Aber nach seinem Tod kommt er aus dieser Nummer schwerlich heraus. Sorry, Jürgen 🙂
Jürgen und ich sind beide nicht nah am Wasser gebaut, bevor wir verzweifeln, empören wir uns über unhaltbare soziale Zustände, schreien los und entwickeln Konzepte, Pläne, Forderungen und Aktionen, um dagegen anzugehen. So kenne ich Jürgen seit 39 Jahren aus meiner Zusammenarbeit, meiner aktiven Zeit mit ihm.
Warum treibt es mir seit Tagen (schon bevor er verstarb) immer wieder die Tränen in die Augen?
Das hat viele Gründe und zu Einigen (nicht allen) sage ich hier etwas.
Als ich im Herbst 1982 nach Konstanz an die Uni kam trafen wir uns vielleicht nicht am ersten Tag aber an einem meiner ersten Tage an der Uni, und dieser Mensch hat mich nachhaltig geprägt. Jürgen war damals im AStA und saß im Eingangsbereich an einem Infotisch. Wir kamen ins Gespräch und kurze Zeit danach waren wir zusammen über Jahre hinweg aktiv in einer gemeinsamen politischen Hochschulgruppe. Ein Jahr später war ich für diese Hochschulgruppe in einem linksradikalen AStA. Ja, das gab es damals, auch mit Sprengung von Senatssitzungen etc. pp. … Das waren wilde Zeiten damals, an die ich mich mit einem Lächeln immer wieder gerne zurückerinnere.
Der Anarchist traf damals auf den Kommunisten Jürgen und andere Kommunisten in der Gruppe. Meine Güte, was haben wir uns damals gestritten und gerauft. Aber vor allem haben wir in der ganzen Zeit bis heute Gemeinsamkeiten erkannt und verteidigt, gegen alle verschiedenen Angriffe dagegen, bis zuletzt!
Einsamkeit heißt (auch), und das ist mir in den letzten Tagen klar geworden, dass jemand nicht mehr da ist, mit dem man über alte gemeinsame Zeiten reden kann, jemand, der als Einziger aus dieser Zeit noch aktiv war, bis es nicht mehr ging. Jemand mit dem ich einen Lebensweg durchschritten habe, mit so vielen Erlebnissen, Erfahrungen, Hoffnungen und Kämpfen. Jürgen, der immer eine Stütze war, von dem ich so viel lernte, der mich zurecht wies, wenn ich in meinem jugendlichen linksradikalen Eifer zu weit gehen hätte können. Wir waren damals alle linksradikal und blieben es bis heute. Aber Jürgen hatte immer ein „Standing“., er wusste was geht und was nicht.
Und wenn ich jetzt vor allem die 80er (und auch die 90er Jahre) beiseite lasse, als wir rund um die Uhr politisch aktiv waren, uns täglich trafen, diskutierten und die praktische politische Arbeit vorbereiteten und umsetzten, nachts mit dem Kleistereimer unterwegs waren, um illegal zu plakatieren etc. ….
Ja, dann versuche ich jetzt auf spätere Zeiten zu sprechen zu kommen:
Den Weg zur PDS konnte und wollte ich nicht mitmachen. Als sich die Linkspartei gründete war ich sofort wieder dabei.
Jürgen war ein grandios analytisch denkender Mensch, ein Sozialist durch und durch, mit seinen Kenntnissen (sehr belesen) ein wandelndes Lexikon des wissenschaftlichen Sozialismus, ein nüchterner Materialist im besten Sinne, unbeirrbar in seiner scharfsinnigen Kapitalismuskritik. Bei aller Real- und Alltagspolitik war er aber immer einer, der sich nicht und niemals verbiegen lies. Diese Kontinuität (im Unterschied zu vielen Anderen) zeichnete ihn aus. Jürgen war für mich in all dieser Zeit, in fast vier Jahrzehnten, so etwas wie ein großer Bruder, mit dem man nicht immer einer Meinung war und sich auch ordentlich rieb, der aber immer da war, Rückhalt bot, jemand auf den man sich immer verlassen konnte. Das war das immer Gewohnte, und jetzt ist plötzlich nichts mehr normal, bricht etwas weg was Halt gab, fühlt man sich irgendwie verloren ohne ihn. Eine Instanz der Linken, einer dem alle Respekt zollten, einer der den Laden zusammenhielt, in einer pluralistischen Partei mit widerstreitenden Flügeln und alters- und sozialisationsbedingt unterschiedlichen Erfahrungshintergründen und Politikverständnissen, hat sich verdammt noch mal viel zu früh verabschiedet.
In der Kommunalpolitik ist aus meiner Sicht die Linke Liste, mit ihren Vorläufern AL und ALL, ohne Jürgens Vorarbeit gar nicht vorstellbar. Er hat als erster aus unserer Gruppe revolutionärer Sozialisten die Notwendigkeit erkannt, die Chance gesehen an linken Bündnissen zu arbeiten. Seiner Beharrlichkeit im Zugehen auf andere Gruppierungen (wie z.B. der DKP), seine von diesen wertgeschätzte Integrität führte irgendwann dazu, dass Bündnisse entstanden, die zuvor nicht denkbar waren. Als jugendlicher Heißsporn, der in den frühen 80ern ideologiebeladen lieber abstrakt von Sozialismus und Revolution träumte, waren für mich die DKPler Revisionisten, Ärzte am Krankenbett des Kapitalismus, ja belächelt als sog. Gebührensozialisten. Da war Jürgen längst weiter und verhalf mir zu der Einsicht, dass es genau darum geht, im vermeintlich Kleinen, im ganz Konkreten, den Alltag der Menschen bestimmenden Bereich Sozialpolitik zu betreiben und vom hohen Ross der besserwisserischen Sozialismustheorie herunterzukommen, sich mit der Realität zu befassen und hier ganz praktisch um soziale Verbesserungen zu kämpfen, ohne allerdings dabei unsere grundsätzliche Zielsetzung einer antikapitalistischen Gesellschaft zu vergessen, vielmehr ganz konkret daran zu arbeiten.
Jürgen war in Auseinandersetzungen oft unerbittlich und gleichzeitig doch auch konsensfähig, solange rote Linien nicht überschritten wurden. Der vehemente Kampf um soziale Gerechtigkeit bestimmte sein ganzes Leben!
Und in diesem Einsatz war er vor allem unerbittlich sich selbst gegenüber. Er war in unglaublicher (ja teilweise unfassbarer) Intensität ein Arbeiter, ein Zuarbeiter für viele Andere, sich selbst meist hintanstellend, pausenlos, ruhelos und mit einer eisernen Selbstdisziplin, ohne die all das was er schaffte gar nicht zu leisten gewesen wäre. Und in den letzten Jahren: Krankheit, Gebrechen, Schmerzen, als gäbe es das alles nicht, machte er einfach weiter, weil er das wohl wollte, weil er das wohl nicht anders konnte. Seine Ressourcen hat er aufgebraucht, sich nie geschont, bis zum Schluss alles gegeben.
Und Jürgen war seit ich ihn kenne Internationalist. Die internationale Solidarität war für ihn keine Phrase, er hat sie gelebt. Hier ließe sich Vieles anführen, aber um nur eines zu nennen: Das Schicksal und der (Überlebens- und Widerstands-)Kampf der Kurden bewegte ihn lebenslang , solidarisierte er sich, stritt politisch immer konsequent für deren Sache und kontinuierlich gegen die Kriminalisierung, Repression und Verfolgung kurdischer Gruppierungen auch hierzulande. Das war ihm eine Herzensangelegenheit. In den letzten Jahren engagierte er sich im Rojava-Bündnis. Und im Zusammentun mit den Menschen dort fühlte er sich wohl, ging ihm das Herz auf, schöpfte er wahrscheinlich auch Kraft für alle anderen Dinge. Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker. Dieser Ausspruch kommt mir in den Sinn, wenn ich mir Jürgens Zusammensein mit den Leuten des Rojava-Bündnisses vorstelle.
Ohne Dich, Jürgen, wird nichts mehr so sein wie es war.
Für soziale Gerechtigkeit und letztendlich der Überwindung des Umwelt, Klima und Menschen zerstörenden kapitalistischen Systems muss weiter gestritten werden, in Deinem Sinne und damit auch weiterhin mit Dir.
Es gab sicherlich wenige Leute aus den eigenen Reihen mit denen ich mich mehr gestritten habe als Jürgen. Manchmal wurde das laut, grob und auch ungemütlich. Er, der sehr klare Vorstellungen davon hatte wie linke Politik aussehen sollte und ich, der sehr klare andere Vorstellungen von linker Politik hatte. Nachdem man sich dann aber im Kula nach der Sitzung traf, war das alles wie vergessen. Man war im besten Sinne wieder einfach zwei Genossen. Diese Fähigkeit bewunderte ich immer sehr an ihm. Zusammenarbeit trotz Streit. Vielleicht auch eine Lehre aus wilderen Tagen? Letztlich war er in seiner Art alltäglich Politik zu machen doch ein Pragmatiker. Nur eben völlig anders als ich. Ein wenig wilder.
Es gibt viele andere Menschen mit denen ich weniger Konflikte hatte, die ich aber nicht annähernd so respektierte wie ihn. Wenn ich irgendeine Person mit der Konstanzer Linken assoziierte dann Jürgen.
Er war immer da, organisierte, stritt und schrieb. Schade, dass ich mich mit ihm nicht mehr streiten konnte. Schade, dass die Konstanzer Linke ihren vielleicht grössten Charakterkopf verliert.
Mach’s gut Jürgen.
Bei dieser Meldung fühle ich mich an einen Buch- und Filmtitel von Frank Pape respektive André Erkau erinnert, wonach Gott manches Mal ein ziemliches Ar*** sein kann. Er nimmt uns diejenigen Menschen, die so maßgeblich zur Solidarität in unserer Gesellschaft beigetragen haben, für bedingungslosen Frieden eingetreten sind und die Welt im Kleinen sichtbar verändern konnten. Also jene Mitmenschen, denen der Individualismus egal ist, die stattdessen auf ein Miteinander hinarbeiten, das von Freiheit in Rücksichtnahme auf den Nächsten geprägt wird und welches der Ellenbogenmentalität von heute den Kampf ansagt.
Jürgen war maßgeblich verantwortlich dafür, dass ich mich politisch links bekannt habe. Es war sein Verdienst, mir den Weg in eine Partei zu eröffnen, mit der ich als Mitglied bis heute in streitbarem und konstruktivem Austausch stehe und ihr in Überzeugung verbunden bin. Seine Weltoffenheit war nicht abstrakt, sondern in seinen ausgestreckten Armen spürbar. Er hat eine Unvoreingenommenheit gelebt, die Vorbild war. Sein diplomatisches Geschick hat vielfach geholfen, Konflikte zu lösen. Seine Hartnäckigkeit vermochte es, Positionen dialogisch und respektvoll zu begründen und durchzusetzen.
Nein, ich glaube nicht an ein „ewiges Leben“, aber daran, dass wir als Menschen in den Herzen und im Alltag der nächsten Generation mit unserem Wesen und unserer Schaffenskraft zu irdischen Zeiten Spuren hinterlassen können, welche dauerhaft nachwirken. Die große Anteilnahme am Tod von Jürgen macht sehr deutlich, dass er diese Erinnerungen platzieren konnte. Seine Persönlichkeit, sein Denken und sein Wirken werden mahnend und ermutigend bleiben, sich für ein gerechteres Dasein in Konstanz und darüber hinaus einzubringen.
Unsere Stadt verliert mit Jürgen Geiger einen streitbaren Kämpfer. Ich weiß das, schließlich trafen wir mehr als nur einmal als Gegner aufeinander. Es war dieser unbändige Kampfgeist, den ich an Jürgen stets geschätzt habe, selbst wenn er sich an meiner Partei oder auch an mir als Mitglied dieser Partei abgearbeitet hatte. Jürgen ist sich stets treu geblieben im Kampf für eine gerechte Gesellschaft, die in seinen Augen eine sozialistische sein musste. Ich werde ihn vermissen.
2006 lernte ich Dich kennen, als Du mir die Tür zum LINKE-Parteibüro aufgeschlossen hast. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich nicht, dass Du mir politisch laufen beibringen würdest.
Wir haben uns auf so mancher Sitzung gefetzt, verbal in den Haaren gelegen, aber in der Kneipe war’s dann wieder gut – und wir fanden immer einen guten Weg miteinander. Das ging mit niemand anderem.
Trotz und wegen der kleinen Differenzen warst Du häufig der Erste, den ich zu irgendetwas konsultiert habe – und hinter der schroffen Fassade zeigte sich gerade in den letzten Jahren so manches Mal eine unverhofft herzliche Seite. Auch, wenn es nur um unsere Lieblingssportsendungen ging oder Du ins Schwärmen über’s Segeln kamst.
Im Gegensatz zu uns hättest Du jetzt nicht zu Hause gesessen und geheult – so mitten im Wahlkampf käme das nicht in den Kram. Die messerscharfe, leidenschaftliche Konfrontation mit allem, was nach Kapitalismus roch, hätte Vorrang gehabt, weil sie notwendig ist.
Deine organisationsverbindende Arbeit – die selten widerspruchsfrei unter so eitlen linken Freigeistern ist – ist das, was mir imponiert hat. Wahrscheinlich auch anderen.
Mit Dir geht einer, der zeitweise die politische Arbeit für fünf gemacht hat – und falls wir beiden Atheisten unrecht hatten und es doch irgendeine skurrile Form von Jenseits gibt, bin ich der festen Überzeugung, dass dort jetzt in einem kultig-verrauchten Büro Olympia läuft und Du bereits Gottes Finanzhaushalt auseinandernimmst und sozialistisch umstrukturierst – auf wen könnte man sich denn schon verlassen, wenn nicht auf Dich?
Wir sehen uns bei der Revolution! Danke, Jürgen!
Ein großer Verlust für unsere Stadt. Ein toller Mensch, Demokrat und Gerechtigkeitskämpfer ist von uns gegangen. Ruhe in Frieden
Jürgen Geiger war einer der „Unendbehrlichen“, von denen Brecht sprach.
Ich kannte ihn seit den 70iger Jahren von der Uni. Damals waren wir nicht gerade befreundet: Er ein Maoist (für mich einer der vielen „wild gewordenen kleinbürgerlichen Pseudorevolutionäre“), ich ein Spartakist (für ihn ein „Agent des Sozialimperialismus“). So war das damals. Aber die Zeiten änderten sich.
Mit zunehmender Ver- aber auch Bewunderung verfolgte ich seinen weiteren Werdegang, seinen unermüdlicher Einsatz für sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt, lokal bis international.
Und so kamen wir uns dann schließlich auch persönlich näher, wenn auch vielleicht nicht als Freunde, so doch als Genossen, die in den meisten Fällen auf der gleichen Seite der Barrikade standen.
So nehme ich mit größter Trauer Abschied von einem bewundernswerten Genossen und Menschen.
Sein Leben war nicht vergebens!
Hasta la victoria siempre, companero Jürgen!