Kita-Öffnungen: Verbindliche Regeln gefordert

Seit Monaten klagen Eltern und PädagogInnen gleichermaßen über den Schlingerkurs der Landesregierung bei Kitas und Grundschulen. Am Mittwoch vertagte Stuttgart die eigentlich für kommenden Montag geplante schrittweise Öffnung von Kitas und Grundschulen – wieder einmal. Eltern- und Beschäftig­ten­verbänden fehlten ohnehin verbindliche Regelungen des Kultusministeriums für diesen Schritt. Anlass für die Dienst­leistungs­gewerk­schaft ver.di ein 10-Punkte-Programm vorzustellen, das dem Chaos entgegenwirken soll.

Grund für die Entscheidung, Kitas und Grundschulen nun doch nicht wie zuvor vom Ministerpräsidenten angedeutet ab Anfang Februar schrittweise wieder für den Normalbetrieb zu öffnen, ist laut Regierung das Auftreten einer Virus-Mutation in einer Freiburger Kita. Eine dazu angekündigte Pressekonferenz sagte man deshalb kurzfristig wieder ab. Das passt zum Eindruck der Planlosigkeit, den vor allem das Kultusministerium in der Krisenbewältigung hinterlässt. Ohnmächtig müssten Eltern, Kinder und Beschäftigte immer wieder abwarten, was die Landesregierung „in dieser für sie immer existenzieller werdenden Frage“ der Kinderbetreuung entscheide, beklagt die Gewerkschaft in einer Medienmitteilung. „Genauso unvorhersehbar, wie diese Entscheidungen inzwischen sind, so wenig nachvollziehbar sind sie hinterher dann natürlich auch, egal in welche Richtung sie ausfallen“, heißt es darin.

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Hintergrund: Vor Weihnachten war der Regelbetrieb in den Kitas wegen steigender Infektionszahlen eingestellt worden. Ganz geschlossen waren die Einrichtungen indes nie. Vielerorts hat man eine Notbetreuung angeboten, die seit Januar verstärkt in Anspruch genommen wird. Kitaverbände melden mittlerweile Anmeldezahlen von durchschnittlich 30 Prozent, mit steigender Tendenz. Mancherorts werden über die Hälfte der Kinder „notbetreut“.

Eine Entwicklung, die bei ErzieherInnen und Eltern Sorge auslöst. Laut GEW müssen immer mehr Kitagruppen schließen, weil Corona-Fälle in den Einrichtungen nachgewiesen wurden. Virus-ÜberträgerInnen waren dabei nachweislich nicht nur Beschäftigte, sondern auch Kinder. Nach Aussagen des Landesgesundheitsamtes könnte diese Entwicklung auf Virusmutationen zurückzuführen sein.

Trotzdem und entgegen den Ergebnissen des Bund-Länder-Gipfels, den Lockdown bis mindestens 14. 2. zu verlängern, prescht Baden-Württemberg jetzt bei Kitas und Grundschulen vor. Bei Betroffenenverbänden stößt das auf harsche Kritik. Kinder zum 1. Februar wieder in Kitas und Grundschulen zu schicken, sei fahrlässig, kritisierte etwa die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Während elf Millionen Menschen im Land strikte Kontakteinschränkungen einhalten müssten, werde von Fachkräften in Kitas und Grundschulen erwartet, „sich mehrere Stunden mit Personen aus 10 bis 20 Haushalten in einem Raum“ aufzuhalten.

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Die Schwestergewerkschaft ver.di verlangt zumindest einheitliche Regeln, die für alle Einrichtungen verbindlich gelten müssten: „Wenn wir Kitas so weitgehend wie möglich und gleichzeitig so sicher wie nötig öffnen wollen, werden wir den Mut haben müssen, feste landesweite Kriterien festzulegen, nach denen dann vor Ort entschieden werden kann, ob, und wenn ja, wie weitgehend eine Einrichtung geöffnet werden kann.“

Dazu legte der ver.di-Landesbezirk am Montag im Rahmen einer Online-Pressekonferenz ein zehn-Punkte-Programm für eine möglichst sichere Öffnung der Kitas und Grundschulen vor. Eigentlich wäre das die Aufgabe des Kultusministeriums gewesen. Die Landesregierung wäre gut beraten, das Programm jetzt wenigstens umzusetzen.

MM/jüg (Foto: Esther Merbt auf Pixabay


Zehn-Punkte-Programm für Kitaöffnung

  1. Die Landesregierung muss offenlegen, aufgrund welcher Inzidenzwerte sie entscheidet:
    – Kitas ganz zu schließen;
    – Kitas mit Notbetreuung zu öffnen;
    – Kitas vollständig unter Pandemiebedingungen zu öffnen.
    Der Grad der Öffnung einer Einrichtung muss dabei auch davon abhängen, ob sie die folgenden Kriterien einhalten kann. Deswegen und weil sich die räumlichen Gegebenheiten, die Möglichkeit, ausreichend zu Lüften und die personelle Ausstattung von Einrichtung zu Einrichtung massiv unterscheiden, müssen die Beschäftigten bei der Gestaltung der jeweiligen Öffnung berücksichtigt werden.
    In jeder Einrichtung müssen folgende Punkte für eine Öffnung – auch in der Notbetreuung – erfüllt sein.
  1. Medizinische Masken und FFP-2-Masken müssen für alle Beschäftigten vor Ort in ausreichender Menge bereitgestellt sein.
  2. Die Homeoffice-Pflicht für Beschäftigte gilt auch in Kitas und Grundschulbetreuung: Alles, was daheim erledigt werden kann, muss auch daheim erledigt werden dürfen: Elterngespräche, Vor- und Nachbereitung, die gesamte konzeptionelle Arbeit, Kontakt zu Kindern, die nicht in der Betreuung sein können. Dafür müssen die Beschäftigten mit den dafür notwendigen digitalen Endgeräten ausgestattet werden.
  3. Beschäftigte, die ohne eine Einhaltung der AHA+L-Regeln jeden Tag Kontakt zu vielen Kindern und Eltern haben, müssen bei der freiwilligen Impfung oberste Priorität erhalten.
  4. Ein Recht, sich jederzeit freiwillig testen zu lassen.
  5. Welches Kind in eine Notbetreuung darf, muss wie im ersten Lockdown verbindlich festgelegt werden. Die Entscheidung und Verantwortung darf nicht weiter Eltern und Beschäftigten überlassen werden.
  6. Medizinische Maskenpflicht auf dem gesamten Kita- oder Schulgelände für alle Externen (Eltern, Handwerker). Eltern müssen in der Kita zu allen Beschäftigten und anderen Kindern zwingend und jederzeit den Mindestabstand einhalten.
  7. Kurzarbeit ist in den kommunalen Kitas nach dem TV-Covid nicht vorgesehen. Da die Kitas nie ganz geschlossen sind, darf es keine Kurzarbeit geben. Wir brauchen mehr und nicht weniger Beschäftigte für die Umsetzung des Gesundheitsschutzes.
  8. Wenn das Personal nicht für die festen und ggf. kleineren Gruppen ausreicht, müssen Öffnungszeiten reduziert werden.
  9. Betreuung nur in festen Gruppen und Kohortenprinzip. Auch die Beschäftigten sollten in festen Tandems gemeinsam im Team arbeiten. Das bietet den größtmöglichen Schutz in einer geöffneten Kita und verhindert gleichzeitig die Schließung der ganzen Einrichtung, wenn Infektionen auftreten.