Der Klima-Blog (107): Konstanz versagt beim Klimaschutz

Rund dreieinhalb Jahre nach Ausrufung des Klimanotstandes veröffentlichte die Stadt Ende Januar den siebten Klimaschutzbericht. In ihm hat die Stadtverwaltung viele Daten zusammengetragen, die zeigen, wo Konstanz beim Klimaschutz steht. Das Ergebnis ist verheerend und bestätigt die seit langem geäußerte Kritik, dass die Stadt nahezu keine Fortschritte erzielte.

Laut ihrer Klimaschutzstrategie will die Stadt die CO2-Emissionen bis 2035 auf etwa zehn Prozent des Ausgangswerts von 2018 senken. Nun gibt es erstmals konkrete (wenn auch vorläufige) Zahlen zum Treibhausgasausstoß der letzten Jahre. Anstatt wie geplant die CO2-Emissionen bis Ende 2021 um etwa zwanzig Prozent zu reduzieren, hat die Stadt mit gerade einmal vier Prozent kaum nennenswerte Fortschritte erreicht.

Um das volle Ausmaß dieses Scheiterns zu verstehen, sind zwei Faktoren wichtig: Erstens ist aus Klimaschutzsicht die Menge an CO2 relevant, die eingespart wird, und nicht die Jahreszahl, bis wann die Stadt nahezu klimaneutral sein will. Vor allem in den ersten Jahren – also jetzt – ist es entscheidend, die momentan noch sehr hohen CO2-Emissionen rasant zu senken. Ein Verfehlen der Klimaziele zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Emissionen bereits deutlich geringer sind, würde weniger schwer wiegen als ein Versagen heute. Um den viel zu großen Ausstoß heute zu kompensieren, muss die Stadt ihre eigenen Klimaziele in den nächsten Jahren also deutlich übererfüllen. Nur dann kann sie das in der Klimaschutzstrategie vereinbarte CO2-Budget noch einhalten.

Weiteres Scheitern ist „zu erwarten“

Doch gerade danach sieht es momentan nicht aus. Und damit kommen wir zu zweitens: Selbst die Stadt geht nicht davon aus, dass in den letzten paar Jahren die Voraussetzungen geschaffen wurden, um heute durchzustarten. So heißt es im Klimaschutzbericht: „Große Abweichungen zur Zielsetzung sind ohne starkes gesamtgesellschaftliches Gegensteuern auch für die Folgejahre zu erwarten, da inzwischen die vom Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) eingeräumte ‚Hochlaufzeit’ für eine Vervielfachung der Klimaschutzanstrengungen abgelaufen ist und der Absenkpfad entsprechend steiler verläuft.“

Wie können wir dieses – bereits jetzt angekündigte – Scheitern verstehen?

Drei Sektoren tragen in Konstanz im wesentlichen zu den CO2-Emissionen bei: Strom, Verkehr und Heizen.

Im Stromsektor geht es darum, möglichst schnell auf erneuerbare Energien zu setzen. In Konstanz geht das vor allem durch den Zubau von Photovoltaik (PV). Dabei sollte der Konstanzer Anteil an erneuerbaren Energien so weit ausgebaut werden, dass Deutschland bis 2035 ein klimaneutrales Stromsystem haben kann. Dazu wären 150 MWp (Mega Watt peak) nötig, umgerechnet auf die 15 Jahre seit Beginn der Klimaschutzstrategie also etwa 10 MWp jährlich.

Der Realitätscheck zeigt, dass die PV-Ausbaurate in Konstanz recht ähnlich verläuft wie der bundesweite Ausbau. Die EEG-Reform 2012 hat bekanntlich den PV-Ausbau fast vollständig zum Erliegen gebracht, auch in Konstanz. Derzeit erholt sich zwar die Zubaurate und nähert sich den Spitzenwerten von 2012 wieder an (auch wenn Konstanz dem Bund hier etwas hinterherhinkt), aber von den nötigen 10 MWp ist die Stadt weit entfernt. Aktuelle Prognosen hinsichtlich des Wachstums der Zubaurate deutet nicht darauf hin, dass dieses Ziel demnächst erreicht wird.

Zu viele Autos

Der nächste große Sektor ist der Verkehr. Hier geht es vor allem darum, Pkw-Fahrten zu vermeiden und die Anzahl an Autos in der Stadt bis 2035 in etwa zu halbieren. Der Realitätscheck zeigt, dass wir uns auch hier nicht in diese Richtung bewegen. Anstatt die Verkehrswende voranzutreiben, ist die Gesamtzahl an Autos weiter gewachsen (insgesamt wie auch pro Einwohner*in).

Hier bewegt sich die Stadt nicht nur zu langsam, sondern in die falsche Richtung. Dass Konstanz damit ganz im bundesweiten Trend liegt, darf nicht als Entschuldigung gelten – wie ein Blick in andere Städte zeigt. Pkw-Dichten zu vergleichen, ist immer etwas herausfordernd, da die Faustformel gilt: je größer die Stadt, desto geringer die Pkw-Dichte. So hat Konstanz mit etwa 85.000 Einwohner*innen 388 private Pkw auf 1000 Personen, die Stadt Freiburg mit etwa 350.000 Einwohner schneidet mit 341 Pkw/1000 Personen schon etwas besser ab und in der Großstadt Berlin sind es 324 Pkw/1000 Personen.

Doch es gibt Ausnahmen. Die Stadt Heidelberg kommt zum Beispiel mit 160.000 Einwohner*innen auf 319 Pkw/1000 Personen. Und der Blick ins niederländische Amsterdam offenbart mit 274 Pkw/1000 Personen, was mit progressiver Verkehrspolitik möglich ist.

Das Beispiel Amsterdam zeigt auch deutlich auf, was Konstanz in den letzten Jahren nicht gemacht hat: Parkplätze entfernt.

0,5 Prozent bei städtischen Gebäuden

Zum Heizen liefert der Bericht kaum neue Informationen. Hier geht es darum, in den nächsten Jahren nahezu alle Gas- und Ölheizungen durch Wärmepumpen oder Wärmenetze zu ersetzen. In den nächsten Wochen werden die Stadt und die Stadtwerke jeweils ihre eigene Version des lang erwarteten Wärmeplans veröffentlichen. Ab dann wissen wir endlich, in welchen Stadtteilen mit der Errichtung von Wärmenetzen zu rechnen ist und wo nicht. Dann wird es darum gehen, wie all diese Wärmenetze in den verbleibenden zwölf Jahren zu bauen sind und wie es gelingt, in den übrigen Quartieren die Heizungen zu wechseln.

Aber auch hier ist das Vorgehen viel zu langsam. Monatelang zog sich die Debatte über den Ausbau des Gasnetzes hin; immerhin ist das jetzt vom Tisch. Aber dafür liefert der neue Bericht eine ernüchternde Zahl zur Wärmewende: In Konstanz beläuft sich der Anteil an erneuerbarer Wärme in städtischen Gebäuden auf gerade mal 0,5 Prozent.

Fazit: Dass die Konstanzer Treibhausgase kaum gesunken sind, überrascht nicht, wenn man sich die Entwicklung in den einzelnen Sektoren anschaut. Steigender Pkw-Bestand, viel zu langsamer PV-Ausbau und 0,5 Prozent erneuerbare Wärme in städtischen Gebäuden: Die Konstanzer Entwicklungen liegen im bundesweiten Trend. Doch das darf keine Ausrede sein – schon gar nicht in einer Stadt, deren Verwaltung eine Vorreiterrolle beansprucht (beziehungsweise sich damit brüstet).

In den vergangenen Jahren wurden einige Planungsgrundlagen geschaffen, um Klimaschutz systematischer anzugehen. Aber darüber hinaus greift die Stadtpolitik erschreckend langsam und nur zaghaft zu Maßnahmen. Vergangenes Jahr wurden zwei Fahrradstraßen eingeweiht, wovon eine lediglich die bestehende um 300 Meter verlängert. Das ist viel zu langsam!

Der jetzt vorliegende Bericht muss ein Weckruf sein. Die gesamte Stadtpolitik hat sich den Zielen der Klimaschutzstrategie verschrieben. Die kolossale Versäumnisse dürfen nicht folgenlos bleiben. Es braucht jetzt weitreichende Sofortmaßnahmen:

– Photovoltaikausbau beschleunigen. Ohne Freiflächen-PV geht es nicht. Die dafür notwendigen Flächen müssen jetzt definiert werden.
– Parken verteuern (wie in der Klimaschutzstrategie beschlossen). Parkplätze reduzieren, statt sie in neu betonierte Parkhäuser zu verlagern.
– Wärmenetzplanung beschleunigen. In 12 Jahren muss im ganzen Stadtgebiet klimaneutrales Heizen möglich sein. Bis dahin müssen alle Wärmenetze fertig gebaut sein. Es muss dieses Jahr mit dem Bau erster Wärmenetze begonnen werden und das Tempo an den Klimaschutzzielen ausgerichtet werden!

Text: Manuel Oestringer von der Klima-Blog-Redaktion / Grafiken: FFF Konstanz / Foto: Pit Wuhrer

Der Klima-Blog (hier die 107. Ausgabe) wird von Aktivist*innen von Fridays for Future Konstanz verfasst. Sie entscheiden autonom über die Beiträge. Frühere Artikel und Blogs finden Sie HIER.