Konstanzer Stadträtin verbreitet trans*feindliche Inhalte

Es ist nicht das erste Mal, dass Christine Finke, Konstanzer Stadträtin, mit trans*feindlichen Aussagen auffällt. Spätestens in ihrem öffentlichen Brief an Familienministerin Lisa Paus, in dem sie Kritik am geplanten Selbstbestimmungsgesetz übt, werden diese nun aber eindeutig sichtbar. Gleichzeitig bemüht sie sich darum, ihre diskriminierenden Aussagen hinter dem Narrativ der durch trans* Personen bedrohten (cis-)Frauen und (cis-)Kinder sowie ihrer Sorge um diese zu verstecken.

Am Ende dieses Artikels finden Sie ein Verzeichnis wichtiger in diesem Text verwendeter Begriffe, die noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind.
Trigger-Warnung: Trans*feindlichkeit, Queerfeindlichkeit, sexualisierte Gewalt.

Finke bedient sich damit eines trans-exklusiven Feminismus, der mehr als nur problematisch ist. Parallel stellt sie sich selbst als Feministin, Aktivistin und Kämpferin für Familienrechte dar. Offensichtlich gilt ihr Kampf für Gleichberechtigung aber nur cis-Personen und Normkonzepten von Familie, denn sonst würde sie erkennen, dass trans* Rechte schlicht Menschenrechte sind und ihre Argumentation trans*feindlich ist.

Was ist das Selbstbestimmungsgesetz?

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz soll nach über 40 Jahren endlich das sogenannte „Transsexuellengesetz“, kurz TSG, reformiert werden. Dieses ist aus vielfältigen Gründen problematisch und übergriffig und wurde vor dem Bundesverfassungsgericht bereits sechsmal für verfassungswidrig erklärt. Zum einen pathologisiert es trans*-Sein als psychische Krankheit. Zum anderen erschwert es trans* Personen das Leben mit der eigenen Identität erheblich, indem es Geschlechtseintragungen und Namensänderungen nur nach mehrfachen externen Gutachten und mit hohen Kosten ermöglicht. Das ist massiv trans*feindlich und trifft zudem beispielsweise trans*, inter und nicht-binäre Geringverdienende oder Personen of Color aufgrund von Verschränkungen mit strukturellem Rassismus nochmals stärker.

Mit ihrem bundesweiten Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt erkennt die Bundesregierung endlich zumindest Teile der alltäglichen Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Gewalt gegenüber queeren Menschen an und reagiert auf die steigenden Zahlen von queerfeindlicher Gewalt. Ein längst überfälliger Schritt!

Teil dieses Plans ist auch die Aufhebung des Transsexuellengesetzes zugunsten eines moderneren Selbstbestimmungsgesetzes. Dieses soll es trans* Personen ermöglichen, eine Personenstandsänderung durchzuführen, ohne diskriminierende Gutachten einreichen oder sonstige Fremdbestimmung über sich ergehen lassen zu müssen.

Kalle Hümpfner vom Bundesverband trans* erklärt nach der ersten öffentlichen Vorstellung der Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz: „Wir begrüßen sehr, dass dieser erste wichtige Schritt in Richtung eines Selbstbestimmungsgesetzes unternommen wurde. Es ist ein Grundrecht, in der eigenen geschlechtlichen Identität anerkannt zu werden. Die Eckpunkte sehen viele wegweisende Verbesserungen vor.“

Finkes Brief an die Familienministerin

Christine Finke hat im September einen Brief an Lisa Paus, Familienministerin, geschrieben und als „Kritik am Selbstbestimmungsgesetz – mein Brief an Lisa Paus“ veröffentlicht. Sie können ihn hier lesen.

In diesem Brief klingt es allerdings so, als wäre das Selbstbestimmungsgesetz eine Gefahr für Frauen und Kinder und würde Sexualverbrecher*innen in die Tasche spielen. Beides Argumente, die sich bei näherer Betrachtung unschwer als massiv trans*feindlich und diskriminierend erweisen.

Finke schreibt als erstes Statement: „Es bereitet mir, wie Sie auf Twitter vielleicht mitbekommen haben, große Bauchschmerzen, wie wenig beim kommenden Selbstbestimmungsgesetz an die Belange von Frauen, insbesondere von traumatisierten Frauen, gedacht wird.“

Mit dieser Aussage setzt sie den Grundbaustein für eine Folge an trans*feindlichen Narrativen, denn hierin wird gleich zu Beginn deutlich, dass Finke klar zwischen Frauen und trans* Frauen unterscheidet. Damit erkennt sie trans* Frauen ab, Frauen zu sein. Wenn Finke also „Frauen“ schreibt, meint sie cis-Frauen, denn andernfalls müsste sie zugeben, dass das Selbstbestimmungsgesetz sich ganz eindeutig mit, insbesondere traumatisierten, Frauen befasst, nämlich trans* Frauen. Dieselbe Logik wendet Finke auch bei trans* Männern an, die sie später klar von (cis-)Männern abtrennt, und bei Kindern.

In ihrem Brief zählt Finke nun einige Argumente auf, warum das Selbstbestimmungsgesetz so nicht umgesetzt werden solle. Dabei bedient sie ausnahmslos trans*feindliche Narrative und leugnet die Verurteilung und Diskriminierung, die trans* Personen täglich begegnet.

Scheinargumente gegen Selbstbestimmung

Finke argumentiert zunächst, dass „reine Frauenräume“ durch trans* Frauen gefährdet würden. Konkrete Beispiele nennt sie nicht, vermutlich spielt sie damit aber beispielsweise auf Umkleidekabinen und Toiletten an. Sie konkretisiert, dass „das Vorhandensein tiefer Stimme[n], männlicher Statur[en] und primäre[r] Geschlechtsmerkmale“ triggernd sein könnte, insbesondere für traumatisierte Frauen.
In dieser Argumentation steckt die Annahme, dass Frauen nach Finke allesamt ähnliche Körperstaturen sowie hohe Stimmlagen haben; was sich durch einen Blick auf die Straße sofort widerlegen lässt. Außerdem ist fragwürdig, ob Penisse oder Vulven in diesen „Frauenräumen“ sichtbar werden.

Finke fährt fort, indem sie davor warnt, dass Sexualstraftäter*innen künftig problemlos in diese „Frauenräume“ eindringen können. Letztlich stellt sich da nur eine Frage: Können sie das nicht sowieso schon? Bei Finke hört es sich so an, als wären Umkleidekabinen und Toiletten bisher vollkommene Schutzräume für (cis-)Frauen, während in Wahrheit das Gegenteil der Fall ist. Es gibt zahlreiche Missbrauchsfälle in diesen Räumen und Sexualstraftäter*innen werden wohl kaum den bürokratischen wie finanziellen Aufwand auf sich nehmen, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, nur um dann Missbräuche zu begehen!

Strategische Emotionalisierung

Außerdem fordert sie, dass „die Ernsthaftigkeit und Sinnhaftigkeit des Transitionswunsches sachlich beurteilt“ werden muss und kritisiert, dass das Selbstbestimmungsgesetz genau diesen Schritt aufheben will. Dahinter steckt die Annahme, dass trans* Personen aus Spaß oder ganz spontan transitionieren. Das ist ein vielfach genanntes Argument, dass die tägliche Verurteilung und Marginalisierung, der trans* Personen begegnen, vollkommen negiert. Wieso sollten sich trans* Personen freiwillig täglicher Diskriminierung und Missachtung sowie dem anstrengenden Prozess einer Transition unterziehen? Und noch dazu die hohen Kosten für eine Personenstands- und Namensänderung sowie die Transition auf sich nehmen?

Auch ihr Vergleich von familiengerichtlichen Gutachten zu Erziehungsfähigkeit mit Gutachten über Geschlechtsidentifikation ist schlicht an den Haaren herbeigezogen und dient einzig und allein dazu, ihre Blog-Zielgruppe, vorwiegend Eltern und Mütter, strategisch zu emotionalisieren.

In ihrem Brief finden sich noch zahlreiche weitere trans*feindliche Argumente. Darunter die angebliche Gefährdung von Frauensport durch trans* Frauen oder die Reproduktion des Mythos, dass Kinder und Jugendliche nicht-binär oder trans* werden, weil es ein Trend ist. Als besonders problematisch hervorzuheben ist auch, dass Finke versucht, den gewaltsamen Tod von trans* Mann Malte C. auf dem CSD in Münster für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Terf-Ideologie im Bauchschmerzen-Opfer-Deckmantel

All diese trans*feindlichen Argumente versteckt Finke in ihrem Brief hinter der Beschreibung, dass ihr das geplante Selbstbestimmungsgesetz Bauchschmerzen und Sorgen bereite. Das ist eine bewusste Verharmlosung ihres diskriminierenden Gedankenguts und ein strategischer Versuch, sich aus der Verantwortung zu ziehen.

Außerdem stellt sie sich als queere Sympathisantin dar, indem sie schreibt, schon auf mehreren CSDs mitgelaufen zu sein und sich selbst als bi outet. Ganz nach der Manier: „Ich kann nicht queer- oder trans*feindlich sein, weil ich selbst bi bin.“ Nur leider schützt die eigene sexuelle Orientierung offensichtlich nicht davor, diskriminierend gegenüber anderen Geschlechtsidentitäten zu handeln.

Ebenfalls greift Finke in ihrem Brief aus eigener Initiative heraus auf, dass ihr vorgeworfen wird, trans*feindlich zu sein. Allerdings ist ihre Reaktion darauf keine, nebenbei dringend notwendige, Selbstreflexion. Stattdessen versucht sie, sich selbst und weitere trans*feindliche Organisationen, wie Terre de Femmes, in die Opferposition zu stellen, indem sie beschreibt, als trans-exklusive, radikale Feministin, kurz TERF, „entmenschlicht“ und „als faschistoid dargestellt“ zu werden. TERFs betreiben Feminismus, der an der cis-Frau orientiert ist und für deren Rechte einsteht. Zudem fordern sie trans* Rechte nur so lange ein, wie diese Sonderrechte sind und getrennt von cis-Frauenrechten und cis-Kinderrechten bleiben. Damit erkennen sie trans* Frauen und trans* Männern ihre Identifikation als Frau oder Mann ab.

Trans-exklusiver Feminismus ist kein Feminismus!

Feminismus an sich kritisiert gesellschaftliche Machtverhältnisse und zielt darauf ab, Unterdrückungsverhältnisse, die im Patriarchat existieren, aufzuheben. Damit das gelingt, müssen alle Menschen und deren unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen einbezogen werden, das heißt, Feminismus muss intersektional sein. Ansonsten kann Feminismus nicht funktionieren. Das bedeutet, trans* Personen auszuschließen, ist nicht feministisch, sondern diskriminierend, weil es lediglich neue Machtverhältnisse fordert, beziehungsweise bestehende reproduziert. Genau dieser Ideologie bedient sich aber Christine Finke und das gilt es lautstark zu kritisieren. Wie zuvor beschrieben, sind zahlreiche Argumente, die sie anbringt, deutlich trans*feindlich und diskriminierend. Indem sie sich selbst und andere trans*feindliche Personen wie Organisationen dann auch noch in die Opferposition rückt, sobald sie für ihre diskriminierenden Aussagen kritisiert werden, versucht sie, Sympathie zu gewinnen.

Nicht Finke wird entmenschlicht, sondern sie entmenschlicht trans* Personen. Denn ihr Versuch, sich als Befürworterin von trans* Rechten darzustellen, während sie trans* Personen im selben Atemzug ihre Identifikation aberkennt, ist schlicht menschenverachtend. Finkes Argumente schützen keine Frauen und Kinder, sondern sind eindimensional und greifen das „1×1 der TERF-Ideologie“ auf, wie Ulla Scharfenberg so passend schreibt.

Letztere bringt es in ihrem Blog „Der Hase im Pfeffer“ auch auf den Punkt: „Für [Christine Finke] sind trans* Rechte […] nichts weiter als ‚Partikularinteressen‘, die ignoriert / herabgewürdigt / eingeschränkt werden können.“

Genau das macht Finkes Aussagen trans*feindlich und diskriminierend. Ihre „Bauchschmerzen“ und „Sorgen“ sind also nichts anderes als Trans*feindlichkeit und würden sich bei einiger Selbstreflexion sowie einem Wandel in Finkes Gedankengut in Luft auflösen.

Text: Connie Lutz (der tatsächliche Name ist der Redaktion bekannt); Bild: Pexels, Oriel Frankie Ashcroft. Vor dem Hintergrund einer Pride-Demonstration hält eine Person ein Schild in den Farben der trans* Pride-Flagge hoch: „Trans Folx are not a threat, transphobia is!“ [Trans* Menschen sind keine Gefahr, Trans*feindlichkeit ist eine!]

Begriffe

Im Folgenden einige Erklärungen zu im Text verwendeten Begrifflichkeiten. Genaueres findet sich beispielsweise auch hier.

Trans* bezeichnet alle Personen, die sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei Geburt aufgrund biologischer Merkmale zugewiesen wurde, nur teilweise oder gar nicht identifizieren. Die Bezeichnung wird in diesem Sinne als Oberbegriff für verschiedene Identitäten, darunter nicht-binär und a-geschlechtlich, aber auch als spezifische Identität genutzt. Das Sternchen weist auf den grundsätzlichen Konstruktionscharakter von Geschlechtern hin und betont, dass diese nicht natürlich gegeben sind.
Das Gegenstück dazu ist cis-Geschlechtlichkeit, die beschreibt, dass das Geschlecht, das einer Person bei Geburt zugewiesen wurde, und deren aktuelle Geschlechtsidentifikation übereinstimmen.

Nicht-Binarität: Personen, die sich als nicht-binär identifizieren, bewegen sich außerhalb des binären Mann-Frau-Spektrums, identifizieren sich beispielsweise also nur teilweise oder gar nicht als Mann oder Frau. Beispiele für Genderidentifikationen sind Kombinationen aus männlich und weiblich, weder männlich noch weiblich oder als zwei Formen gleichzeitig.

Inter (auch: Intersex, Intergeschlechtlichkeit): Beschreibt alle Personen, deren biologische Merkmale nicht innerhalb der medizinischen Norm von männlichen oder weiblichen Körpern liegen, sondern sich dazwischen bewegen. Häufig werden inter Kinder operiert, um deren biologischen Attribute an Normvorstellungen von Penis oder Vulva anzugleichen, was teils in gesundheitlichen Einschränkungen, physisch wie psychisch, resultiert.

A-Geschlechtlichkeit (englisch: agender) bedeutet, dass Personen kein Geschlecht haben, sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen oder das gesamte Konzept von Geschlecht ablehnen.

Queer: Unter diesen Begriff fallen alle Menschen, die sich von cis-Geschlechtlichkeit, also der Identifikation mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht, und/oder Heterosexualität, also einer Sexualität, die zwischen cis-Mann und cis-Frau besteht, abgrenzen.

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Weitere Quellen:
– Statement von trans inter queer EV zum Selbstbestimmungsgesetz:
https://www.transinterqueer.org/2022/06/30/eckpunkte-zum-selbstbestimmungsgesetz-sind-da/

– Statement von Bundesverband Trans* e.V. zum Selbstbestimmungsgesetz:
https://www.bundesverband-trans.de/wp-content/uploads/2022/06/PM-Eckpunkte-zum-Selbstbestimmungsgesetz.pdf
– Statement der Initiative StarkeKids zum Selbstbestimmungsgesetz mit Informationen für Eltern und Betroffene:
https://starkekids.com/selbstbestimmungsgesetz/
– Eckpunktpapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums der Justiz zum Selbstbestimmungsgesetz:
https://www.bmfsfj.de/resource/blob/199382/3ca564087d19553bdddb4312bfa1c498/20220630-selbstbestimmungsgesetz-eckpunkte-data.pdf