Männlichkeit ist teuer, schädlich – und unzeitgemäß

Außer Spesen nix gewesen: Männer prügeln, saufen, rauchen, verfallen dem Glücksspiel, posen auf der Straße, vergewaltigen, belästigen und stopfen sich mit Fleisch voll. Ein Klischee? Auf jeden Fall kosten sie der Gesellschaft viel Geld.

Das Patriarchat ist wie der Wald, der vor lauter Bäumen nicht zu erkennen ist: Die männliche Hybris bleibt trotz Opulenz und Offensichtlichkeit ungesehen und wir erfassen sie nie zur Gänze. Der Wirtschaftswissenschaftler Boris von Heesen lichtete diesen Wald ein wenig, als er die gesellschaftsschädigenden Kosten bezifferte, die Männer in zehn gesellschaftlichen Bereichen verursachen: Gefängnisse, häusliche Gewalt, Sucht, Diebstahl, Wirtschaftskriminalität, Ernährung, Jugendhilfe, Hooligans, Verkehrsunfälle, Umwelt und Klima. In seinem 2022 veröffentlichten Buch, „Was Männer kosten: der hohe Preis des Patriarchats“, wirft von Heesen einen Blick auf direkte und indirekte finanzielle Schäden, die von Männern verursacht werden, benennt Strukturen und Ursachen und schlägt versöhnliche Schritte für gesamtgesellschaftliche Lösungen – einer Abkehr oder Genesung vom Patriarchat – vor.

Das Auto – des Mannes Lieblingskind

Allein die Personenschäden der durch Männer verursachten Verkehrsunfälle nur mit dem Pkw verursachten im Jahr 2018 2,51 Milliarden Euro volkswirtschaftliche Mehrkosten. Die Mehrkosten ergeben sich aus der Differenz zwischen den Kosten, die durch Männer, und denen, die durch Frauen entstanden sind. Nur die Schäden, die männliche Autofahrer zu verantworten hatten, beliefen sich auf 5,21 Milliarden Euro, die der weiblichen Fahrerinnen auf 2,7 Milliarden Euro . Die Ausgaben enthalten Behandlungskosten, Kosten für Erwerbsminderung, für Polizei und Justiz.

Nicht erfasst wurden der Anteil der von Männern verursachten Sachkosten infolge von Unfällen, die insgesamt einen Schaden in Höhe von 20,6 Milliarden Euro anrichteten. Es verwundert nicht, dass Unfälle unter Alkoholeinfluss fünfmal häufiger von Männern verursacht werden, dass 83 Prozent der eingezogen Fahrerlaubnisse Männern gehören, dass Männer 78 Prozent der Punkte in Flensburg bekommen oder dass rund 90 Prozent der Absolvent:innen so genannter „Idiotentests“ männlich sind.

Es verwundert allerdings, dass Autoversicherungen seit 2012 Unisex-Tarife haben, da höhere Versicherungskosten für Männer aufgrund der Gleichstellungsrichtlinie der Europäischen Union eine unzulässige Diskriminierung darstellen würden. Ja, auch Männer profitieren von Diskriminierungs- und Gleichstellungsrichtlinien …

Und wen wundert es noch, dass sich Männer im Vergleich zu Frauen überwiegend für die besseren Autofahrer halten? Da erscheint auch ganz logisch, dass Autos mit einem Hubraum von 2000 Kubikzentimeter zu 79 Prozent und Autos mit über 700 PS (wie der Porsche 911 GTS R2) zu 96 Prozent Männern gehören. Soviel zu den von Männern verursachten Kosten beim Umweltschutz.

Der misogyne Mann und häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt, das bestätigen alle Statistiken, hat eine hohe Dunkelziffer. Daran sei erinnert, wenn wir uns die Zahlen aus dem nachweislichen, so genannten „Hellfeld“ betrachten: Schätzungen gehen davon aus, dass nur etwa 20 Prozent häuslicher Gewalt erfasst wird.

Von Heesen zitiert die Zahlen einer Studie der technischen Universität Cottbus unter Leitung von Prof. Sylvia Sacco aus dem Jahr 2017. Die direkten Kosten häuslicher Gewalt werden dort in vier Bereiche eingeteilt: Polizei, Justiz, Gesundheitswesen, Frauenhäuser und Beratung. 2017 entstanden 803 Millionen Euro direkter Mehrkosten aufgrund häuslicher Gewalt von Männern. Weitere 1,95 Milliarden Euro indirekter Kosten kommen durch Folgen häuslicher Gewalt hinzu, wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, externe Hausarbeit und Traumata bei Kindern. Die Summe direkter und indirekter Kosten häuslicher Gewalt betrug 2,75 Milliarden Euro.

Sexualisierte Gewalt oder Gewalt gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht erfasst von Heesen nicht in „messbaren Symptomen für patriarchale Fehlentwicklungen“; doch sind 92,3 Prozent der Opfer Frauen.

Auswüchse männlicher Hybris

Die „Hybris“, ein durch und durch bildungsbürgerlicher Begriff, beschreibt das Phänomen schädlicher Männlichkeit sehr treffend. Der Duden erklärt „Hybris“ mit „Hochmut; Überheblichkeit, Vermessenheit“; Synonyme sind: „Anmaßung, Arroganz, Dünkel, Einbildung“. In wissenschaftlichen Diskursen steht die Hybris für „selbstüberschätze Überheblichkeit“ und mündet – in Anlehnung an die griechische Mythologie – immer in einer Tragödie, verursacht also immer einen großen Schaden.

„Toxische männliche Verhaltensweisen verursachen jedes Jahr weit über 63 Milliarden Euro an gesellschaftlichen Kosten.“ Boris von Heesen

63 Milliarden Euro jährlich sind ein beachtenswerter volkswirtschaftlicher Schaden, den wir alle zu tragen haben, weil Männer Probleme haben und Probleme schaffen. Die finanziellen Auswüchse männlicher Hybris ergeben im Überblick Kosten aufgrund von:

– Süchten: 43,93 Milliarden Euro
– männlicher Gier: Diebstahl 1,34 Milliarden Euro und Wirtschaftskriminalität 1,57 Milliarden Euro
– anderer Verbrechen bzw. Gefängnissaufenthalte: 3,02 Milliarden Euro
– Machogetue, häuslicher Gewalt: Milliarden Euro
– Völlerei, Faulheit und ungesunder Ernährung: 5 Milliarden Euro
– Jugendhilfe: 2 Milliarden Euro
– Größenwahn auf Straßen, Verkehrsunfällen: 2,5 Milliarden Euro
– Chauvinistischer Protzerei, Umwelt und Klima: 1,25 Milliarden Euro.

Diese unkontrolliert männlichen Abgründe sind hochpolitisch und gehören in die Politik. Feministische Innenpolitik wäre mal eine Idee, feministische Wirtschaftspolitik auch. Die Kindergrundsicherung beispielsweise kostet uns je nach Ausführung zwischen 17 und 25 Milliarden Euro – ein Betrag, den wir verdreifachen könnten, hätten wir diese Mehrkosten aufgrund toxischer Männlichkeit nicht. Auch könnten wir mit etwas weniger männlicher Kriminalität Diskriminierung, Gewalt und Exzesse inklusive Frauenarmut verhindern und eindämmen .

Das Patriarchat schadet uns allen

Von Heesen schlägt versöhnliche Töne und Wege vor, um patriarchales Fehlverhalten und dessen Duldung zu überwinden. Seine Lösungsvorschläge umfassen unter anderem: Bildung für alle, ein Umdenken in der Arbeitswelt, weg vom neoliberalen Schneller–Höher–Stärker, die Stärkung sozialer Beziehungen, geschlechterreflektierte Jugend- und Männerarbeit und ein konsequentes Gleichstellungsmonitoring.

Für das langfristige Ziel klingt das gut. Kurzfristig überkommt mich aber doch eine Wut. Und angesichts der Zahlen wünsche ich mir ein bisschen antikes Drama, in dem auf die Hybris immer die Nemesis folgt, die Rache – oder, mit anderen Worten, eine ausgleichende Gerechtigkeit. So wäre beispielsweise eine ausgleichende Luxussteuer für Männer angebracht, solange sie ihre Gewalt nicht in den Griff bekommen. Oder ein Ausschluss von Männern an der Macht; kurzum: eine Axt im Wald der Männlichkeit.

Text:  Abla Chaya / Bild: Pixabay

Boris von Heesen: „Was Mäner kosten. Der hohe Preis des Patriarchats“. Heyne Verlag 2022, 304 Seiten, mit Abb. 18 Euro.

 

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