Masken-Urteil: „Menschenwürde mit Füßen getreten“

Menschen, die auf Hartz-IV-angewiesen sind, müssen FFP2-Masken auch weiter aus eigener Tasche zahlen, entschied das Landessozial­gericht in Stuttgart vergangenen Montag. Empörend findet das Sibylle Röth, Bundestags­kandidatin der Linken im Wahlkreis Konstanz. Solange die spärlichen Regelsätze Armut per Gesetz verordneten, müsse Betroffenen kostenlos Zugang zu den Masken gewährt werden. „Das Recht auf körperliche Unver­sehrt­heit gilt für alle. Hier werden die Ärmsten der Gesellschaft hinsichtlich der in Pandemiezeiten notwendigen medizinischen Grundversorgung im Stich gelassen.“

Als zynisch bezeichnet Röth das Argument des Gerichts, die Maskenkosten seien durch den Hartz-IV-Regelsatz gedeckt. Gerade einmal 11 Euro pro Monat sehe der für die Gesundheitsvorsorge vor. Dieses auch unter gewöhnlichen Verhältnisse schon knapp genug festgelegte Existenzminimum könne in der Pandemie-Krise nicht gelten. Nicht stichhaltig ist für sie auch der Hinweis, das Arbeitsministerium habe eine Corona-Sonderzahlung von 150 Euro für Harz-IV-Beziehende bewilligt, die Mitte Mai ausgezahlt werden soll: „Dass die Richter:innen anscheinend denken, Empfänger:innen der Grundsicherung könnten ihre Ausgaben intern umschichten oder die Kosten später ausgleichen, ist fern jeder Lebensrealität.“

Die Risiken eines schweren Corona-Verlaufs seien für arme Menschen nachweislich höher, gibt die Linke-Kandidatin zu bedenken. „Sei es aufgrund von Dauerstress durch die ständige Sozialdisziplinierung, sei es durch die mangelnde Möglichkeit zu Selbstsorge – Arbeitslosigkeit ist ein Gesundheitsrisiko, psychisch genauso wie physisch.“ Schon in normalen Zeiten sei es für auf Grundversorgung angewiesene Menschen beispielsweise kaum möglich, sich hinreichend gesund zu ernähren. Gerade diese Menschen seien auf Masken angewiesen, durch die sie sich selbst und ihr Umfeld schützen können. „In der derzeitigen Situation sind Masken zur Eintrittskarte geworden, sei es beim Einkaufen, für soziale Kontakte oder zum öffentlichen Leben.“

Röth verweist auf den Eilantrag einer Hartz-IV-Empfängerin auf Übernahme der Maskenkosten, dem jüngst das Sozialgericht Karlsruhe entsprochen hatte. Die Richter:innen veranschlagten dabei den monatlichen Mehrbedarf für Masken und Desinfektionsmittel auf 100 Euro. Demnach sei der Einmalzuschuss im Mai zu gering und letztlich verfassungswidrig. Röth sieht sich dadurch in ihrer Auffassung bestätigt: „Hartz IV soll ein menschenwürdiges Minimum der Versorgung garantieren. Das ist schon in Normalzeiten deutlich mehr Ziel als Realität. Wenn wir die Sätze jetzt nicht an die Umstände anpassen, wird die Menschenwürde mit Füßen getreten.“ Zugleich mahnt Sibylle Röth an, das Hin und Her zwischen Politik und verschiedenen Gerichten müsse zugunsten einer umfassenden, solidarischen Lösung beendet werden: „Es kann nicht sein, dass in diesem reichen Land TUI gerettet wird, die Gesundheitsversorgung der Ärmsten aber vernachlässigt. Sparen wir nicht am falschen Ende!“

MM/jüg (Bild: J. Geiger)