Pflegenotstand: Menschen vor Profite!

Krankenhaus Klinikum Gesundheitsverbund MVZDer Personalmangel in der Pflege war bereits vor der Pandemie gravierend, die Beschäftigten in den Kliniken Baden-Württembergs und anderen Bundesländern sind längst am Limit. Wir brauchen endlich einen Systemwechsel in der Gesundheitspolitik, der die Situation der Beschäftigten tatsächlich verbessert und die Gesundheitsversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge wieder bedarfsgerecht finanziert. Die Linkspartei Kreis Konstanz und DIE LINKE Baden-Württemberg haben sich nun in zwei aktuellen Pressemitteilungen zur besorgniserregenden Lage geäußert.

Lassen wir das Pflegepersonal endlich seine Arbeit machen!

Das Gesundheitssystem und in erster Linie sein Personal sind seit nunmehr fast zwei Jahren dauerhaft enormen Belastungen ausgesetzt. Wegen der fehlenden Bereitschaft zu vieler Menschen, sich trotz Möglichkeit impfen zu lassen, und dem teils planlosen Agieren der Regierenden wird die Krisensituation auch noch länger anhalten. Doch die Folgen sind schon jetzt mehr als dramatisch: Laut ver.di Südbaden Schwarzwald haben in der Region bereits mehr als 3.000 Pflegekräfte ihren Beruf verlassen [1]: Das heißt auch, dass die Arbeitsbelastung für die verbliebenen Pflegekräfte noch höher wird, infolgedessen krankheitsbedingte Ausfälle und weitere Berufsaustritte zu erwarten sind. Kurz: Eine klassische Abwärtsspirale, der die Politik endlich entgegentreten muss!

Die Krankenhäuser sind massiven Herausforderungen ausgesetzt, um neben dem Normalbetrieb auch die pandemische Notsituation zu bewältigen. Schon jetzt können Betten auf Intensivstationen nicht genutzt werden, einfach weil das Personal fehlt. Schon jetzt müssen notwendige, aber nicht dringende Operationen verschoben werden. Schon jetzt müssen Patient*innen zwischen den Bundesländern verschoben werden, weil sie regional nicht mehr versorgt werden können. Unter den gegebenen Bedingungen führt dies auch zu massiven finanziellen Problemen, die die Substanz des öffentlichen Gesundheitswesens bedrohen Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e.V. weist darauf hin, dass 65 Prozent der baden-württembergischen Krankenhausgeschäftsführungen damit rechnen, dass ihr Haus für das Jahr 2021 mit roten Zahlen abschließen werde [2].

Diese Probleme sind auch hier bei uns im Kreis Konstanz akut. Dieses Jahr musste der Landkreis den Klinikverbund wieder in Millionenhöhe stützen. Dabei macht die Pandemie aber letztlich nur die jahrelange politische Fehlsteuerung im Bereich der Gesundheitsversorgung offensichtlich: Die Kombination aus Landesmitteln für Investitionen und Fallpauschalen für den laufenden Betrieb ist schlicht nicht auskömmlich. Da werden auch weder die seitens der Klinikleitung geplanten kleinteiligen Einsparungen helfen, noch werden die Ergebnisse des vom Kreistag beauftragten Strukturgutachtens den Weg weisen können. Denn wo die Finanzierung nicht ausreicht, lässt sich Wirtschaftlichkeit schlicht nicht erreichen. Zu befürchten steht viel mehr, dass so weiter Substanz abgebaut wird, sich die Arbeitsqualität der Beschäftigten weiter verschlechtert und die Abwärtsspirale in eine weitere Runde geht.

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Dass dies auch der Kreistag erkannt hat, begrüßen wir: In seiner Resolution vom 20. Dezember 2021 hat das Gremium eindeutig Position bezogen, indem es Bund und Land zum Handeln auffordert. Denn sowohl finanziell wie personell stehe man mit dem Rücken an der Wand [3]. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass Baden-Württemberg im Vergleich der Flächenbundesländer die geringste Bettendichte aufweist. Noch 2017 hatte der Landkreistag genau dies als Ergebnis eines gelungenen Strukturwandels verkauft [4]. Zumindest diese Sichtweise ist nun also glücklicherweise überwunden. Dennoch erschreckt es, wenn einige Kreisrät*innen schmerzhafte Einschnitte in der Gesundheitsversorgung für unvermeidbar halten. Angesichts der Pandemie sollte doch eigentlich jedem deutlich vor Augen stehen, dass Sparen hier der ganz falsche Weg ist!

Wir dürfen nicht weiter zulassen, dass das Klinikpersonal die Versäumnisse der Pandemie-Politik ausbaden muss. Eine einmalige Coronaprämie ist hier ein zu schwaches Symbol, und da sie zudem nur selektiv ausgeteilt werden soll, nahezu ein Hohn! Was stattdessen notwendig wäre, bringt ver.di auf den Punkt: Eine gesetzlich vorgeschriebene Personalbemessung, die bedarfsgerechte Finanzierung des Gesundheitssystems, die Sicherstellung des Arbeitsschutzes und gesundheitsfördernde Maßnahmen sowie verlässliche Arbeits- und damit eben auch Freizeiten [5]. Dem können wir uns als LINKE nur anschließen. Bereits im Januar letzten Jahres hat unsere Bundestagsfraktion einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Systemwechsel im Krankenhaus – Gemeinwohl statt Kostendruck und Profite“ eingebracht. Im März folgte ein Antrag zu einer bedarfsgerechten Personalbemessung. Beide Anträge wurden am 24. Juni 2021 im deutschen Bundestag abgelehnt [6]. Dennoch werden wir nicht lockerlassen: Der Kampf für ein solidarisches Gesundheitssystem und angemessene Arbeitsbedingungen geht weiter!

[1] Ver.di Südbaden Schwarzwald schlägt Alarm: 3.000 Pflegekräfte in der Region sind aus Beruf wegen Bedingungen geflüchtet – Fachkräftemangel gefährdet Patientenversorgung in Pandemie – RegioTrends

[2] BWKG-Indikator 2/2021: Fast zwei Drittel der Krankenhäuser in 2021 mit roten Zahlen

[3] TOP 6.3 Resolution „Krankenhäuser in der Krise“ SessionNet | Kreistag – 20.12.2021

[4] Kernerwartungen an die Krankenhauspolitik in Bund und Land

[5] Ver.di Südbaden Schwarzwald schlägt Alarm

[6] Deutscher Bundestag – Anträge zur Finanzierung von Krankenhäusern abgelehnt

DIE LINKE im Kreis Konstanz, 23. Januar 2022

Klinikschließungen und fehlende Investitionen: Das Land darf nicht Treiber des Pflegenotstands sein

Der Baden-Württembergische Sozial- und Gesundheitsminister Manne Lucha hält an Klinikschließungen im Land fest. Trotz Pandemie wurden 2021 in Baden-Württemberg vier Kliniken geschlossen. Dazu kommen Teilschließungen und weitere vierzehn Kliniken, deren Schließungen bereits beschlossen oder geplant sind. DIE LINKE. Baden-Württemberg fordert eine Umkehr in der Gesundheitspolitik.

Landessprecherin Sahra Mirow sagt dazu: „Die Klinikschließungen gefährden die Gesundheits- und Notfallversorgung im ländlichen Raum. Die Pandemie hat uns die zentrale Rolle, die Krankenhäuser in der Gesundheitsversorgung spielen, aufgezeigt. Es ist ein Skandal, dass Lucha weiter an den Plänen zur Klinikschließung festhält.

Die Klinikschließungen machen den Pflegeberuf noch unattraktiver. Schon jetzt fehlen examinierte Pflegekräfte. Intensivbetten verschwinden in Klinikkellern, weil es nicht genug Personal gibt, die sich um IntensivpatientInnen kümmern können. Diese Situation verschärft sich mit jeder Klinikschließung, mit der auch Ausbildungsstandorte verschwinden. Krankenhäuser dürfen nicht einer ökonomischen Kosten-Nutzen-Rechnungen zum Opfer fallen. Sie gehören zur öffentlichen Daseinsvorsorge und müssen daher ohne Profitdruck öffentlich finanziert werden. Die Landesregierung fordern wir auf, die Krankenhäuser im ländlichen Raum zu erhalten und eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen.

Anstatt Krankenhäuser zu schließen, muss die Landesregierung ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen und in die Ausstattung sowie Bausubstanz der Krankenhäuser investieren. Die Krankenkassen beklagen schon lange, dass das Land zu wenig in die Krankenhäuser investiert. Die fehlenden Landesinvestitionen führen dazu, dass die Krankenhäuser die Kosten für Sanierungen und Modernisierung selbst übernehmen müssen. Sie können dabei nur auf die Fallpauschalen zurückgreifen, die zur Versorgung der Patient:innen gedacht und sowieso schon knapp bemessen sind. Das setzt die Krankenhäuser zusätzlich unter Druck. Sie müssen mehr lukrative Operationen durchführen und haben weniger Zeit für Pflege und PatientenInnenversorgung.

Die Landesregierung muss endlich aufhören, Treiberin des Pflegenotstands zu sein. Wir erwarten, dass das Sozialministerium den Pflegeberuf wieder attraktiv macht, mehr Ausbildungsplätze schafft und sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzt.“

DIE LINKE. Baden-Württemberg, 28. Januar 2022

Detaillierte Informationen zu den Klinikschließungen im Land finden sich in diesem Artikel der Kontextwochenzeitung.

MM/ans
Bild: © O. Pugliese. Es zeigt das Konstanzer Klinikum.

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