seemoz-Umfrage: Kann Gröber Ehrenbürger bleiben?
(hr) Derzeit macht sich eine Expertenkommission über historische Straßennamen Gedanken und widmet sich auch den Konstanzer Ehrenbürgern. Mit einem Ergebnis ist noch im Herbst zu rechnen. Bischof Conrad Gröber (1872–1948), nach dem auch eine Straße benannt ist, steht mit auf dem Prüfstand. seemoz hat mehrfach über ihn berichtet, siehe Texte im Anhang. Hat der NS-Unterstützer, Antisemit und Kriegstreiber die Ehrenbürgerschaft verdient? Hier nun bis Ende Oktober die Möglichkeit für seemoz-LeserInnen, darüber abzustimmen.
[poll id=“16″]
Mehr zum Thema:
17.05.17 | Kann Gröber Ehrenbürger in Konstanz bleiben?
25.04.17 | Erzbischof Gröber: Ehrungen nicht haltbar
06.04.17 | Conrad Gröber in Zitaten
Der Antijudaismus liegt in der Natur des Christentums, ist quasi zu dessen Gründungsmythos geworden. (Man lese nur mal die Ausführungen der antiken Kirchenväter Augustin, Hieronymus, Ambrosius, Johannes Chrysostomos, Ephräm, Athanasius usw. Julius Streicher würde vor Neid erblassen. Bis heute hat sich die Kirche nicht davon distanziert. Von Luthers Antijudaismus ganz zu schweigen.) Deswegen haben so gut wie alle Kleriker mit den Nazis und italienischen Faschisten kollaboriert und diese unterstützt. Siehe Hitlers Feldpfaffen. Ausführliche Erläuterungen dazu gibt es in Karlheinz Deschners Politik der Päpste. Deswegen würde ich nix (Straßen, Plätze, Gebäude etc) nach Geistlichen benennen. Und alle bestehenden Benennungen und Ehrenbürgerschaften umgehend rückgängig machen. Übrigens: Ratzingers Kommentar zu den Juden (schon als Benedikt): „Ich bete jeden Tag für die Juden, dass sie endlich Jesus Christus als den Messias anerkennen.“ Noch Fragen?
Es ist egal, ob jemand aus Bayern kommt oder aus Tunesien, Muslim ist oder Katholik, lang- oder kurzhaarig: Die Gesetze hierzulande gelten für alle gleich. Auch für Kirchenleute. Erzbischof Gröber würde heute verurteilt wegen Volksverhetzung, Rassismus und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Gröber also ist nicht „umstritten“, seine Äußerungen, seine Taten sind vielmehr vielfach belegt (s. dazu auch seemoz in mehreren Artikeln). Eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft ist also überfällig.
Die Friedensinitiative Konstanz schlägt vor: Aberkennung der Ehrenbürgerschaft ja, Straßenumbenennung nein. Denn Versäumnisse der Vergangenheit lassen sich nicht durch Umbenennung wegwischen, sie sind Teil unserer (auch Konstanzer) Geschichte. Allerdings würde eine kleine Erläuterungszeile unter dem Straßenschild (der erwartbare „Konstanzer Kompromiss“) dem Gewicht des Themas nicht gerecht. Wir plädieren deshalb dafür, eine gut sichtbare Tafel in der Straße aufzustellen (vgl. die Tafeln am Cherisy-Soldaten), auf der steht, wer Gröber war, wie die Straße zu ihrem erzbischöflichen Namen kam und warum der Name bestehen bleibt („wir stellen uns unserer Vergangenheit“). Auch ein Hinweis auf die Stolpersteine für die (jüdischen) Nazi-Opfer Henriette, Josef und Peter Picard in der Straße, http://stolpersteine-konstanz.de/picard_josef.htm, wäre hilfreich.
Maik Schluroff, Roland Didra, Hans-Peter Koch, Helmut Luz – für die Friedensinitiative Konstanz
@Stephan Schulz und Dennis Riehle
Eine – für mich zwingend erforderliche – Straßenumbenennung würde dann nicht zum Vergessen von Gröbers Nazi-Verstrickungen führen, wenn unter dem neuen Straßenschild ein erläuterndes Schild angebracht würde, nach wem diese Straße bis zum Jahr 2017 benannt war. Damit wäre die Erinnerung erhalten, auch die Erinnerung daran, wie lange wir gebraucht haben, uns darauf zu besinnen, was Straßenbenennungen und Ehrenbürgerschaften ausdrücken sollen: nämlich verdiente Persönlichkeiten zu ehren und ihre Vorbildfunktion für die heutige Gesellschaft öffentlich herauszustreichen.
Ich gebe Stephan Schulz vollkommen recht, eine alternativlose Entfernung des Straßennamens würde Gröber mit allem, was ihn prägte, vergessen machen. Daher bin ich zwar grundlegend für eine Umbenennung, weil ich die „Ehre“, die einer Person durch die Benennung einer Straße mit dem eigenen Namen zuteil wird, nicht mit Conrad Gröber in Verbindung bringen kann – ihn gleichsam aber auch nicht aus der Verantwortung entlassen möchte, sich auch nach seinem Tod noch den Eigenschaften zu stellen, die negativ über ihm prangern. Deshalb wäre es richtig, sich parallel zur Straßenneubenennung Gedanken darüber zu machen, wie anderweitig und dauerhaft an seine Ideologie, seine Fehlentscheidungen, sein Missbrauch der Religion für politische Zwecke erinnert werden kann.
Wenn man die Straße umbenennt, ist auch die Erinnerung weg an einen, der die Nazis unterstützt hat. Wenn man dagegen unter seinem Namen eine Tafel anbringt, die darauf verweist, bleibt das in Erinnerung. Ich bin also nicht sicher, ob es gut ist, die Namen von Nazis und deren Unterstützern einfach so aus der Öffentlichkeit zu entfernen – sie sind auch Teil der deutschen Geschichte und die davon ausgehende Warnung sollte erhalten bleiben. Einschränkung: Würde ich persönlich in der Konrad-Gröber-Straße wohnen, wäre mir eine Umbenennung schon recht.