Stadt Konstanz: Wenig Bock auf Bürgerbeteiligung?
Am Donnerstag geht es im Gemeinderat erneut um das Bauprojekt Jungerhalde West, gegen das Anwohner Sturm laufen, weil es ihnen zu groß dimensioniert zu sein scheint und die prächtige Natur neben der Ausfallstraße in Allmannsdorf zu zerstören droht – und zudem noch vor ihrer Nase liegt. Die Bürgergemeinschaft Allmannsdorf, Staad, Egg e.V. hat die erforderliche Zahl an Unterschriften für eine Beteiligung zusammen, aber die Verwaltung will die BürgerInnen scheint’s freundlich hinwegkomplimentieren.
Eines sei vorweg bemerkt: Es geht im Gemeinderat dieses Mal um die Bürgerbeteiligung an diesem Bebauungsprojekt, nicht um das Projekt selbst. Es ist aber nicht auszuschließen, dass sich einige der GemeinderätInnen trotzdem aufs Neue hingebungsvoll der Debatte um die Sinnhaftigkeit der Bebauung von Flächen am Stadtrand widmen werden. So betrachtet könnte es sich um einen toxischen Tagesordnungspunkt handeln, bei dem eine Debatte am eigentlichen Thema vorbei entsteht, die sich so lang hinzieht, als habe der Gemeinderat das ewige Leben für alle Debattierenden zu verkündigen (um es mal mit Altmeister Grimmelshausen zu sagen). Aber das bleibt natürlich abzuwarten …
Zur Erinnerung: Im November 2020 hat der Gemeinderat beschlossen, die Bebauung dieses derzeit vor allem landwirtschaftlich genutzten Geländes am Ortsausgang von Allmannsdorf in Richtung Egg anzugehen, und zwar „als ökologisches, energetisches sowie sozial durchmischtes und flächensparendes Modellprojekt im Rahmen des Handlungsprogramms Wohnen, möglichst in Holzbauweise inkl. Integration eines Feuerwehrgerätehauses“.
Die Bürgergemeinschaft wendet sich bekanntlich gegen dieses Bauvorhaben, weil sie dadurch unter anderem den Flächennutzungsplan (den die Verwaltung anzupassen gedenkt) und das Handlungsprogramm Freiraum verletzt sieht und zuerst einmal eine breite Diskussion darüber führen möchte, was aus ihrem Stadtteil in Zukunft überhaupt werden soll. Unterstützt wird sie dabei unter anderem aus dem grünen Lager, das vor allem den Landschaftsverbrauch kritisiert.
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Desaströse Erfahrungen?
Darum geht es am Donnerstag laut Beschlussvorlage für den Gemeinderat (leicht gekürzt): „Die Bürgerschaft (Bürgervereinigung Allmannsdorf Staad e.V.) beantragt, dass der Gemeinderat der Stadt Konstanz eine erweiterte Bürgerbeteiligung entsprechend der ‚Stufe 3: Mitwirkung‘ zum Vorhaben ‚Jungerhalde West‘ gemäß den Leitlinien für Bürgerbeteiligung der Stadt Konstanz beschließt. Die Verwaltung schlägt vor, die gesetzliche Beteiligung aufgrund des Antrags der Bürgerschaft vorzuziehen. In diesem Rahmen soll eine Bürgerbeteiligung entsprechend der ‚Stufe 2: Konsultation‘ auf Basis des Gemeinderatsbeschlusses vom 19.11.2020 zu den Planungszielen des Projekts ‚Jungerhalde West‘ in Form eines zusätzlichen digitalen Beteiligungsformats durchgeführt werden.“
Der Knackpunkt ist, dass die Verwaltung die Bürgerschaft konsultieren, die Bürgergemeinschaft – die statt der erforderlichen 200 Unterschriften deren 434 einreichen konnte – aber mitwirken will, wie letztere es in ihrem Antrag ausdrücklich formuliert hatte:
„Ziel ist eine ergebnisoffene Bürgerbeteiligung (Mitwirkung). Hierzu sollten in Allmannsdorf mehrere öffentliche Veranstaltungen durchgeführt werden, mit dem Ziel zu prüfen/ zu entscheiden:
1. Wie sieht das Gesamtkonzept der Stadt Konstanz im Wohnungsbau aus? Wieso reichen die seit langem geplanten Gebiete, wie Döbele, Hafner, Christiani Wiese, Bücklestr. mit in Summe mehr als 4.000 Einheiten – nicht aus (Bedarf)?
2. Wie sieht die städtebauliche Vorstellung der Verwaltung einer weiteren Entwicklung der Ortsteile Allmannsdorf, Staad und Egg aus?
3. Was ist der besondere Charakter von Allmannsdorf und Egg? Wie könnte dieser in diesem hochwertigen Landschaftsraum unter Erhalt der gewachsenen Eigenheit angemessen weiterentwickelt werden (Stichwort des Bodenseeleitbildes > Erhaltung der Stadt und Ortsteilcharakteristik im Bodenseelandschaftsraum)?
4. Wie sehen alternative Vorschläge für ein solches Quartier aus? […] Daher wäre ohnehin ein ergebnisoffener Wettbewerb, ohne Vorgabe einer Sollzahl Wohnungen zwingend erforderlich!
Die Erfahrungen mit den in den vergangenen Monaten durchgeführten Online Bürgerinformationen (Jungerhalde West, Radführung Hörnle) sind desaströs.“
Die Bürgergemeinschaft bemängelt an den erwähnten „desaströsen“ Online-Beteiligungsveranstaltungen insgesamt, dass sie eher „Verkaufsveranstaltungen“ der Verwaltung für ihre Pläne gewesen seien als ein echter Gedankenaustausch und ein Eingehen auf BürgerInnenwünsche. Daher fordert sie für die Jungerhalde West ausgiebige Präsenzveranstaltungen für alle BürgerInnen statt nur einer Online-Veranstaltung für Leute mit Internetanschluss.
Was ist eigentlich Bürgerbeteiligung?
Der Vorschlag der Verwaltung ist aber nicht das, was sich die Bürgergemeinschaft unter ihrer Beteiligung vorgestellt hätte, bei der sie der Verwaltung vermutlich ein markiges „So nicht, und hier bei uns schon gar nicht“ entgegenschmettern wollte, um die Bebauung in der vorgeschlagenen Form oder gar ganz zu verhindern. Man kennt das Procedere von anderen Projekten der letzten Jahre: Die Verwaltung will bauen oder umbauen (lassen), die AnwohnerInnen wollen, dass alles bleibt, wie es ist. Am Ende gewinnt die Verwaltung, oft Arm in Arm mit einem bald verhassten Investor, egal, was die BürgerInnen dazu zu sagen haben. So zumindest lässt sich Verwaltungseinlassung verstehen: „Um den Zeitplan des Projekts ‚Jungerhalde West‘ einhalten zu können und den damit dringend benötigten Wohnraum in Konstanz im Rahmen des Handlungsprogramms Wohnen herzustellen, sollen durch die erweiterte Bürgerbeteiligung keine Verzögerungen für das Projekt entstehen.“ Sprich: Erzählt uns, was Ihr wollt, wir ziehen’s durch. Bürgerbeteiligung, von betroffenen BürgerInnen immer wieder heimtückisch als Bürgermitentscheidung missdeutet, erscheint aus dieser Perspektive als lästiges, weil zeitraubendes Planungshindernis und reine Pflichtübung.
Dass die Verwaltung zudem noch Präsenzveranstaltungen ablehnt und statt dessen im Internet diskutieren will, begründet sie – durchaus schlüssig – mit der Pandemie. Immerhin schlägt sie vor, die Bürgerbeteiligung jetzt zeitlich vor dem eigentlichen städtebaulichen Wettbewerb durchzuführen, und „im Wettbewerbsverfahren zwei BürgerInnen als Gäste einzubinden. So können die Anregungen aus der Bürgerschaft während des gesamten Planungs- und Entwicklungsprozesses laufend eingebracht werden“. Begeisterung für den Dialog mit der Bürgerschaft klingt vermutlich anders, ein Entgegenkommen auch; dass die erwähnten BürgerInnen als „Gäste“ im Verfahren nichts mitzuentscheiden hätten, darf getrost vorausgesetzt werden – wir leben schließlich in einer repräsentativen Demokratie.
Der Verwaltung und ihrem Chef geht es mit der Bürgerbeteiligung wieder einmal wie Goethes Zauberlehrling, der nicht wusste, wie er den selbst angerichteten Spuk bloß wieder beenden könnte:
„Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los.“
O. Pugliese (Text und Bild)
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