Zwischen allen Stühlen … Do It Yourself-Digitalisierung kleiner Museen

Ein offenes Gespräch wollten wir. Über ein Thema, das gegenwärtig so präsent ist wie sonst allenfalls die Pandemie. Wir wollten über Digitalisierung reden mit Studierenden einerseits. Mit Museen andererseits. Mit kleinen Museen, solchen also, die sich große Programme, viele Mitarbeiter:innen und teure Technik nicht leisten können, aber sehr wohl teilhaben möchten. Weil oftmals ihre Existenz davon abhängen könnte. Und wir wollten die Stadt einladen. Jede und jeden, die oder der mitreden möchte. Hier also ein weiterer Text unserer Serie: „Zwischen allen Stühlen“.

Wir – das sind Anna Martinez Rodriguez, Kuratorin des Turms zur Katz, und ich. Zusammengeführt hat uns das Interesse, mitten in der Stadt den Turm zur Katz als Raum des öffentlichen Diskurses zu etablieren. Studierende, eine ebenso wichtige, zahlenmäßig große, aber dennoch häufig marginalisierte Bevölkerungsgruppe, sollen dabei eine zentrale Rollen spielen.

Mutig fingen wir an – 15 Studierende und wir, die öffentliche Beteiligung war anfangs verhalten und dann mussten wir sie, aufgrund neuer Coronabestimmungen, aktiv unterbinden. Schade. Vielleicht erinnert sich noch eine Leserin oder ein Leser an das Seminar „Ab heute anders!“ Das folgte einem ähnlichen Modell – allerdings im Bürgersaal und im Jahr 2018. Da konnte man sich nicht vorstellen, wie zwei Jahre später unser Alltag aussehen würde.

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Unser Konzept ist einfach: an einem Donnerstagabend haben wir ein kleines Museum irgendwo aus Baden-Württemberg zu Gast: aus Mimmenhausen, aus Mössingen, aus Böblingen, aus Holzgerlingen … All diese Orte verbindet, dass sie kleine Museen sind, die mit ähnlichen Problemen kämpfen – zu wenig Geld, zu wenig Personal, heterogene Objektlage, wenig Besucher:innen. Was für Museen ein Problem ist, stellt für akademische Lehrprojekte, die mit einem Museum zusammenarbeiten wollen, eine Chance dar: wo Museen ehrenamtlich oder mit maximal 1,5 Stellen geführt werden, gibt es soviel zu tun, dass Studierende und Lehrprojekte real und eigenständig mitarbeiten dürfen und müssen. Es ist schlicht niemand da, die oder der dauernd die Arbeiten einer kooperierenden Institution überwachen könnte.

Der Gast hat eine halbe Stunde Zeit, das Museum, das sie oder er leitet, vorzustellen und den Seminarteilnehmer:innen eine Aufgabe zu geben. Im Rahmen eines Speedworkshops von einer Stunde Dauer sollen Studierende dann eine mögliche Antwort auf die Frage des Museums skizzieren. Das funktioniert in einer hoch strukturierten Form: das Seminar teilt sich in vier Kleingruppen, die dann miteinander Ideen erarbeiten. Immer nach demselben Muster: brainstormen, clustern, eine Idee zur Präsentationsreife entwickeln. Danach werden die Ideen dem Gast präsentiert, der ein Feedback gibt. Kann sie oder er damit etwas anfangen? Gehen die Lösungen völlig an der musealen Realität oder den institutionellen Rahmenbedingungen vorbei? Nach zwei Stunden ist das Seminar beendet.

In der vorletzten Sitzung des Seminars etwa hatten wir Herrn Baudisch zu Gast. Er leitet das Deutsche Fleischermuseum in Böblingen und gehört zu den One-man-Shows des musealen Betriebs. Plastisch beschrieb er seine Arbeit einerseits als große Möglichkeit, schnell zu agieren – „manchmal habe ich morgens eine Idee und abends ist die Ausstellung dann fertig“ – und andererseits als extreme Herausforderung, die auch nicht bewältigt werden könnte, hätte der Tag 48 Stunden. Fleisch ist ja ein heißes Thema dieser Tage. Aber sein Museum ist keine Lobbyisten-Einrichtung. Hier wird die Kulturgeschichte des Fleisches, seiner Produktion, Verarbeitung und Verwendung gezeigt. Und dazu gehören nicht nur Hackebeilchen und Hauklotz, sondern eben auch Bilder, Musik, Theater – alle Geschichten, Mythen und Fantasien, in denen ‚Fleisch‘ eine Rolle spielt.

An unserem Abend berichtete er von einer Sammlung Schelllackplatten, die er für das Museum erworben hatte und spielte gleich auf einem wunderbar scheppernden Koffergrammophon Wesley Wilsons Song „Gimme a pig’s foot and a bottle of beer“ von 1940, dargeboten von Frankie ‚Halfpint’ Jackson. Begeisterung kam auf.

„Was mache ich damit jetzt?“ fragte Herr Baudisch die Studierenden.

Und die machten sich an die Ideensuche und konnten eine Stunde später liefern: eine virtuelle Jukebox. Einen Podcast. Einen Themenraum zum ja auch tierischen Material Schellack (wird aus den Ausscheidungen der Lackschildlaus hergestellt). Einen musikalisch beschwingten Malabend „Meat and Greet“. Und vieles andere mehr. Herr Baudisch zeigte sich zufrieden.

Was davon umgesetzt wird? Wird man sehen. In einer landesweiten Umfrage, die ich, unterstützt von der Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg sowie dem baden-württembergischen Museumsverband, im Rahmen meiner Tätigkeit im Verbund transferorientierter Lehre Baden-Württembergs durchgeführt habe, haben Museen auf die Frage, welche Formen der Zusammenarbeit mit Hochschulen sie sich wünschen, unter anderem geantwortet: regelmäßige Austauschformate mit Studierenden – es ist ja die beste Form, mit der Zielgruppe, die am härtesten umkämpft und umworben ist, einfach direkt in Kontakt zu treten. Gleichzeitig wird das erschreckend selten gemacht. Hier also ist mal ein kleiner Beitrag zum großen Ziel.

Text: Albert Kümmel-Schnur, Bilder: Pixabay, Autor