Das BurnOut-Syndrom verlangt Widerstand
Zahlreiche Zuschriften erreichten uns zum gestrigen Beitrag „Burnout – Krankheit, Mode oder millionenfacher Aufschrei?“. Längst nicht alle haben wir veröffentlicht. Und diesen von Dennis Riehle bringen wir als eigenständigen Artikel, weil hier ein Fachmann aus der Region das Problem beleuchtet, das viele immer noch nicht ernst genug nehmen
In Wirklichkeit versteckt sich hinter dem “BurnOut”-Syndrom in der Regel eine handfeste Sinnkrise, Überforderung und Erschöpfung des Selbstwertgefühls, was – wenn man es sich ehrlich eingesteht – nichts Anderes als eine Depression bedeutet. Beim “BurnOut”-Syndrom kommt, wie der Name schon sagt, eine Vielzahl von weiteren psychischen und psychosomatischen Symptomen hinzu, die die seelische Verfassung in eine recht komplexe Ausnahmesituation treiben und oftmals über Monate und Jahre zu einem völligen Stillstand und einer Lethargie führen, aus denen sich Betroffene nur mit großer Kraftanstrengung und nachhaltiger Willensstärke (die nach einer Erholungsphase erst wieder aufgebaut werden muss) mit Begleitung befreien können.
Wer das “BurnOut”-Syndrom allerdings zu einer Reaktion von instabilen und sensiblen Menschen erklärt, der verachtet, welche teils unmenschlichen Lebensverläufe zu derartige Situationen geführt haben und bestärkt eine Grundhaltung, die man wesentlich auch aus einem entgleisten Verständnis von Liberalismus kennt: “Ohne Erfolg bist du ein Nichts”.
Arme werden häufiger krank
Die Frage der Zunahme dürfte bei Krankheitsbildern wie Depressionen, aber auch Angst-, Zwangs- und vegetativen Störungen auch bei einer Herausrechnung des Umstandes, dass heute öfter und schneller diagnostiziert wird, nicht mehr im Zweifel stehen. Gerade die genannten Krankheitsbilder sind ja oftmals durch äußere Einflüsse besonders in ihrer Dimension geprägt; andere psychische Erkrankungen bleiben deshalb auch seit jeher in ihrem Auftreten zahlenmäßig konstant. Und gerade in der Arbeitswelt, aber eben nicht zu vergessen in Besorgnis erregendem Ausmaß bei Menschen in Arbeitslosigkeit, sozial prekären Lebenssituationen wie Krankheit, Behinderung, bei Migration u.a., und vornehmlich bei Armut steigen die Erkrankungszahlen nach neuesten Studien derart dramatisch, dass eine Erkrankungsrate von teilweise 25 bis 50 Prozent gegeben ist.
Auch hier in der Region merkt man diese Entwicklung deutlich: Bei langen Wartezeiten auf Psychotherapieplätze, neue Kopfpauschalenregelungen in den psychiatrischen Krankenhäusern und viel Scham und Angst vor Ausgrenzung oder Jobverlust wagen viele Betroffene zu spät oder gar nicht den Weg, sich Unterstützung zu suchen. Und trotzdem ist der Andrang auf ergänzende Angebote ein Beweis für den immer größeren Bedarf bei steigenden Erkrankungszahlen. Seit zwei Jahren gibt es nahezu durchgehend eine Warteliste in unserer Selbsthilfegruppe und gerade der ehrenamtliche Dienst von bis zu 20 Stunden Telefongesprächen, Mailbeantwortung oder persönliche Begegnungen macht deutlich, dass hier auf dem Rücken der Gesellschaft etwas ausgetragen wird, was maßgeblich als Fehler im “System” seine Ursache findet – sowohl im politischen, aber im Wesentlichen im wirtschaftlichen.
Menschen – mit Maschinen verwechselt
Das zeigen auch die Geschichten, die man von Betroffenen hört: Die Erwartung an Menschen, die immer öfter mit Maschinen verwechselt werden – ob im Hinblick auf Arbeitsleistung, Wertschätzung, Kommunikation in Betrieben oder zwischen Behörden und “Klienten”, in Ansprüchen auf Funktionieren ohne Widerrede, immer gesund und belastbar, in ständiger Erreichbarkeit, Flexibilisierung, Schnelllebigkeit oder aber immer häufiger auch in der menschenunwürdigen Gängelung bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen und damit verbundenen Vorgaben und der nicht selten unbedacht erfolgenden “Ausmusterung” aus der Arbeitswelt, die letztlich zum Verlust eines wesentlichen Lebensmittelpunktes führt – hat ein Maß angenommen, das unnatürlich ist und dem in der rasanten Entwicklung kaum noch jemand ohne bemerkbare “Verschleißerscheinungen” nachkommen kann.
Krankenkassen müssen immer mehr Gelder ausgeben, freiwillige Dienste bleiben mit geringsten Unkostenentschädigungen abgespeist, während sie vor allem den Unternehmen, die ganz eindeutig ohne Rücksicht auf Verluste in der Gesundheit ihrer Mitarbeiter nach Profiten streben, ebenso wie den Staat um jährlich bis zu einer Milliarde Euro an Ausgaben für Prävention und Behandlung ersparen. Dabei nimmt weiterhin die Nachsorge einen höheren Stellenwert ein als die Vorsorge – langfristig werden wir mit der Behebung von seelischen Schäden, die solch ein Denken auslöst, nicht mehr fertig werden.
Denn was aus den Berichten von Erkrankten des BurnOut und ähnlicher psychischer Beschwerden zu entnehmen ist, das sind nicht selten Horrorbeispiele von Ignoranz, Machtausübung oder einer Führung von Mitarbeitern, die wohl keiner über einen längeren Zeitraum ertragen kann. Daher braucht der stumme Aufschrei der Betroffenen eine laute Stimme von denjenigen, die die Folgen solcher zunehmenden Rücksichtslosigkeit gegenüber der Seele mit auszubaden haben: Therapeuten, Ärzte, Ehrenamtliche, soziale Dienste und schließlich aber alle, die solch einen Zustand nicht länger hinnehmen wollen.
Autor: Dennis Riehle
Selbsthilfegruppenleiter für BurnOut, Mobbing und Depression im Landkreis Konstanz
Burn Outs sind schlimm. Und es ist sehr wohl eine Krankheit!
Das ist eine Krankheit und keine Ausrede !!!
Sind wir nicht selber Schuld, dass es zu so einer Situation kommen musste? BurnOut. Ja, klar. Wir Menschen werden von allen Seiten geschupst. Wir leben nicht von Tag zu Tag. Jeder schmiedet Pläne, nicht für die nächsten Monate, sondern für die nächsten 20 Jahre. Wir Leben in einer Welt, wo jeder krankhaft immer höhere Ziele setzt. Man nie zufrieden ist. Wie ein übertriebener Konkurrenzkampf. Wieso wundern sich manche überhaupt noch über BurnOut oder ähnliches???
Ich sehe ein Dilemma: Heute wird nicht nur der dauerhaft arbeitslose Mensch seelisch krank, sondern auch der in einem Arbeitsverhältnis.
Deutschland, insbesondere der Süden, ist wirtschaftlich außerordentlich produktiv. Das erreichen wir über unsere Mentalität (Schaffe,Schaffe Häusle baue) und Dank der Tatsache dass Deutschland ein Billiglohnland ist.
Die gesundheitlichen Kosten dieser Mentalität sind enorm.
Unsere moderne, westliche Leistungsgesellschaft steht unter dem Primat der Ökonomie und der Ergebnisorientierung. Was zählt, ist das was hinten rauskommt, nicht der Prozess. Der olympische Gedanke (Dabei sein ist alles, verlieren ist nicht schlimm) ist irgendwo auf der Strecke geblieben. Soziale Anerkennung bekommt leider nur noch der, der etwas leistet, etwas abliefert. Oder warum gibt es im Sport soviel Doping, warum nehmen soviele Berufstätige und Studenten stabilisierende Psychopharmaka? Wer in der Leistungsgesellschaft nicht mitmacht oder kann oder will, ist per se ein Looser, wertlos. Die Fernsehwerbung, Hollywood, Schule etc machen es vor: Nur junge, schöne und kluge Menschen sind wertvoll, alle anderen blenden die von der Werbung sowieso aus. Wie oft begegnet man im Arbeitsleben, privat oder im Supermarkt behinderten Menschen: So gut wie nie. Wir haben sie abgeschirmt und ruhiggestellt. Sie passen nicht in die Leistungsgesellschaft.
Die Pseudo-Diagnose Burnout hat zwar zu mehr gesellschaftlicher Aktzeptanz geführt, aber leider nur für den, der vorher eben auch „gebrannt“, also geschuftet, hat. Jemand der vorher nicht gebrannt hat und depressiv wird, ist immer noch stigmatisiert.
Arbeit ist wichtig, sie ist sinnstiftend. Die Kunst besteht darin, dass Mass zu halten, die berühmte Work-Life-Balance. Leider ist das ein Luxusproblem geworden. Denn die Mehrheit hat keine Wahl, entweder sie schuftet oder rutscht in Hartz4. Ein gesetzlicher Mindestlohn, weg von der geiz-ist-geil-mentalität und der Abschied vom Primat des wirtschaftlichen Wachstums können uns allen helfen.
Im Zuge der segensreichen und viel besungenen Globalisierung hat der Burnout doch längst alle Lebensbereiche verbrannt: Unsere Möglichkeiten zur Selbstwirksamkeit werden systematisch eingeschränkt und beschnitten.
Von außen durch kapitalistisch dominierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, die eine völlige und bedingungslose Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit einfordern. Global durch selbst geschaffene Abhängigkeiten, Ressourcenzugriffe, Konflikte und Umweltzerstörungen, auf die, im besten Falle, nur mehr reagiert werden kann. Unsere politischen und sozialen Strukturen konfrontieren uns zunehmend mit schwindenden Handlungs- und Autonomiespielräumen für jeden Einzelnen. Totale Überwachung und restriktive Bürokratien bestimmen allgegenwärtig unser Leben. Und schließlich sind wir es selbst, die über unser tagtägliches Konsumverhalten in immer größerem Ausmaß eigene Handlungsfelder und Entscheidungsoptionen aus der Hand geben und an Algorithmen und digital gestützte Systemfunktionen übertragen, seien es Navigationssysteme, Smartphone-Applikationen oder andere Kommunikationsmedien und Technologien.
Totaler könnte ein Burn-Out kaum sein. Wie soll man angesichts eines solchen Flächenbrandes nicht depressiv werden?
Zu den erwähnten Faktoren möchte ich noch weitere Einflüsse ergänzen, die zu einer grundlegenden und nachhaltigen Schwächung der Menschen beitragen und das dereit herrschende System am Laufen halten. Dazu gehören in erster Linie ionisierende und nicht-ionisierende Strahlen (Rdioaktivität und Mikrowellen),die zunehmende und gezielte Verschmutzung unserer Lebensgrundlage durch teilweise gezielte Ausbringung von Schwermetallen, insbesondere Aluminium, das mittlerweile flächendeckende Sprühen von Chemtrails sowie die Auswirkungen von HAARP. Der Ausweg beginnt mit zunehmender Bewußtwerdung, die einen Positionswechsel vom teilnehmenden Opfer zum wachen Beobachter ermöglicht.
Erleiden, hinterfragen, erkennen, reagieren, ändern.
So sieht der Weg aus der Krise aus – individuell wie gesamtgesellschaftlich.
So lange allerdings das Problem individualisiert wird, indem der Fehler primär im Unvermögen bzw. Nicht-Genügen des/der Einzelnen gesucht und -systemimmanent- fast zwangsläufig dort auch gefunden wird, kann kein gesamtgesellschaftlicher Paradigmenwechsel angebahnt werden. Richtig ist jedoch, das Individualverhalten zu überprüfen und zu verändern, was die eigenen Werte, Ansprüche und Bedürfnisse betrifft, um sich nicht immer weiter bedenken- und gedankenlos einem immer weiter entmenschten und entmenschlichenden System auszuliefern. Dafür bedarf es sicher der Begleitung und Unterstützung geeigneter Moderatorinnen und Moderatoren.
Lieber Dietmar Messmer,
ich weiß nicht, worauf Sie Ihren ersten Satz beziehen. Sollte es auf den Gruppenleiter gemünzt sein, verstehe ich die Aufregung nicht. Nahezu jede Selbsthilfegruppe hat einen Leiter, das ist weder ein Messias, noch findet dort irgendeine „Heilung“ statt – und weder ich, noch die Gruppe erheben nur im Ansatz einen Anspruch darauf. Im Gegenteil: Wer mit der Erwartung nach Heilung in eine Selbsthilfegruppe kommt, hat das Prinzip nicht verstanden und ist dort falsch. Gruppenleiter sind in erster Linie Moderatoren, Organisatoren, Ansprechpartner und vielleicht, wie jeder Betroffene auch, „Experten in eigener Sache“ – nicht mehr, nicht weniger.
Beste Grüße
Dennis Riehle
Im Prinzip hat Dennis recht, nur braucht es zur BurnOut-Heilung einen Leiter, einen Messias? Ein starkes Team gewiss!
Kluge Köpfe immer, jede und jeder ist unvoreingenommen gefragt.
Stehen alle Räder still, wenn der Arbeiter es will – mitunter schon.
Reicht hingegen nicht die links-anarchistische Einsicht von Peter Paul Zahl: Das System macht keinen Fehler – es ist der Fehler?
Klar ist, dass eine depressive Phase für einen Betroffenen vernichtend sein mag.
Wesentlich humanistischer erscheint eine konsequente Kapitalismuskritik und eine gehörige Portion Optimismus.
Initiativen für ein bedingungsloses Grundeinkommen ohne psycho-soziale Gängelung beschreiten einen möglichen Ausweg.
Klar ist, dass starke Partnerschaften nötig sind, um denen zu helfen, die durch den Gulli gefallen sind.
Selbsthilfe in Gruppen benötigt sicherlich große Anerkennung, dafür muss geworben und gefochten werden.
Ein radikaler Umbruch bewirkt jedoch eher ein kämpferisches Aufbegehren gegen soziale Schieflagen also eine offensive genossenschaftliche Bewegung.
Deswegen kann Umfairteilen und Attackieren selbst in rätedemokratischen und parlamentarischen Strukturen wie in der Gemeinde/ Landespolitik durchaus sinnvoll sein.
Ein Wettstreit unterschiedlicher Interessen zugunsten der vermeintlich schwachen Mehrheit kann gelingen, wie gerade wieder in Bayern zugunsten der Olympia-Skeptiker bewiesen.
Wenn nun Selbsthilfe nicht nur Liebe eimerweise (Katharina Havekamp) verspricht, sondern ein Recht bewirkt, einen sozialen Aufschrei mit einforderbaren Zielen ausstößt,
dann hat sich die Anstrengung gelohnt.