Ein unnötiger Egotrip
Im August 1970 erschoss Hans Obser den damals 17-jährigen Lehrling Martin Katschker mit einem Hasentöter. Vorausgegangen war der Tat eine wochenlange Hetze gegen „Gammler“, organisiert von Walter Eyermann, einem ehemaligen Mitglied der rechtsradikalen NPD. Nun steht eine Gedenktafel, die an die damaligen Geschehnisse erinnert. Dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack.
Vor rund zwei Jahren stellte die Linke Liste den Antrag, am Blätzleplatz, dem Ort der Bluttat, eine Gedenktafel aufzustellen. Daraufhin wurde Stadtarchivar Jürgen Klöckler beauftragt, ein Gutachten und einen passenden Text für das geplante Mahnmal zu verfassen. Das gestaltete sich von Anfang an schwierig.
In einem ersten Textentwurf Klöcklers für die Gedenktafel war weder der Name des Opfers zu lesen, noch die von Obser und Eyermann. Angeblich müsse das postmortale Persönlichkeitsrecht berücksichtigt werden, so die Erklärung. Erst auf Drängen des Kulturauschusses wurde wenigstens Katschker namentlich erwähnt. Ein nahezu grotesker Vorgang, denn über einen auf der Gedenktafel angebrachten QR-Code kommt man auf das umfangreiche Gutachten von Klöckler, in dem alle Beteiligten namentlich genannt werden.
In diesem Gutachten wurde aber sinngemäß auch die These aufgestellt, dass die Tat geschah, weil die städtische Verwaltung versagt habe. Dem widersprach Altoberbürgermeister Horst Frank in einem Südkurier-Kommentar vehement und schrieb zurecht von einer „kühnen These“, die, so Frank weiter, „die Stimmung in der Konstanzer und westdeutschen Öffentlichkeit ignoriert. Die `Gammler` waren friedlich und wollten in Ruhe gelassen werden. Allein ihre lässige Präsenz provozierte die noch nationalsozialistisch geprägte Wiederaufbaugeneration. Dies war auch die Stimmung bei vielen in der Konstanzer Bevölkerung, angeheizt durch die Berichterstattung in der öffentlichen Presse“. Und eben diese Stimmung hat sich in der Konstanzer Stadtgesellschaft noch lange gehalten. Bei den Gemeinderatswahlen 1980, also zehn Jahre nach dem Todesschuss am Blätzleplatz, erhielt der Rechtsradikale Walter Eyermann die meisten Einzelstimmen.
Völlig unverständlich ist zudem, dass auf alleinige Veranlassung von Jürgen Klöckler Ende Juli die Tafel nahezu klammheimlich aufgestellt wurde – im Rahmen einer eiligst einberufenen Pressekonferenz und verbunden mit dem Hinweis, dass damit die Tafel „der Öffentlichkeit übergeben“ werde. Doch die Öffentlichkeit wusste gar nichts davon, ebenso wenig der Kulturausschuss. Angemessen wäre gewesen, die Tafel bei einer von städtischer Seite organisierten Gedenkfeier zu enthüllen und dazu die Bevölkerung einzuladen. Denn der damalige Vorfall zeigt ebenso wie heute, wozu Hass und Hetze im öffentlichen Raum gegenüber anderen Lebensentwürfen führen können. Die Erinnerung an Martin Katschker hat mehr Würde und Selbstreflexion verdient. Aber so bleibt eher der bittere Eindruck, dass man die ganze Angelegenheit schnell vom Tisch haben wollte. Fazit: Eine vertane Chance.
Text und Bild: H. Reile