Eine Erinnerung an Elfriede Lohse-Wächtler
Bis Ende Januar war im Konstanzer Kulturzentrum am Münster eine kleine, aber beeindruckende Ausstellung zu sehen: „Verfolgt, verfemt, entartet“. Sie erinnerte an die Kampagne der Nationalsozialisten 1937, als diese gegen missliebige moderne Künstler vorgingen, deren Schaffen sie als „entartet“ bezeichneten. In der Konstanzer Ausstellung (Seemoz berichtete) wurde auch das tragische Schicksal der weitgehend vergessenen Avantgarde-Malerin Elfriede Lohse-Wächtler (1899 – 1940) beleuchtet. Wer war diese Frau?
Sie wurde in ein gutbürgerliches und konservatives Elternhaus hinein geboren. Ihr Vater war Versicherungsagent und wünschte sich „fromme Kinder und ein züchtig´ Weib“. Doch Elfriede, die schon als Kind ein erstaunliches Maltalent an den Tag legte, hatte einen eigenen Kopf. Sie war gerade 16 Jahre alt, da verließ sie ihr Elternhaus und besuchte die Königliche Kunstgewerbeschule Dresden, wechselte dann aber das Fach und studierte „angewandte Graphik“. Schnell bekam sie Kontakt zu der Dresdner Künstlerszene und wurde in den Freundeskreis aufgenommen, in dem sie auch auf Otto Dix traf.
Elfriede Wächtler entspricht nicht dem damals gängigen Frauenbild: Sie schneidet sich die Haare ab, trägt Männerkleidung und raucht Pfeife. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit Batikarbeiten. 1921 heiratet sie den Sänger Kurt Lohse und geht mit ihm nach Hamburg. Im Stadtteil St.Pauli findet Lohse-Wächtler eine Szene vor, die sie inspiriert. Sie malt Prostituierte und von der Gesellschaft Ausgestoßene. Erste Ausstellungen folgen, die Kritiker sind begeistert. Doch der finanzielle Erfolg bleibt aus. Zudem ist ihre Ehe zerrüttet.
Ein Nervenzusammenbruch führt dazu, dass die Malerin 1929 in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Friedrichsberg eingeliefert wird. Dort malt sie die „Friedrichsberger Köpfe“, eine beeindruckende Porträtserie von Mitpatienten. Ein Arzt diagnostiziert bei Elfriede Lohse-Wächtler erste Anzeichen von Schizophrenie. Ernsthaft überprüft wird diese Diagnose nicht. Eine verhängnisvolle Unterlassung, wie sich später zeigen wird.
1931 kehrt die Malerin in ihr Elternhaus zurück. Da sie unter Depressionen und Wahnvorstellungen leidet, bringt sie ihr Vater in die Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf. Hier attestiert man erneut und leichtfertig Schizophrenie. Davon unbeeindruckt, malt sie ununterbrochen das Klinikpersonal und Mitpatienten. 1935 entmündigt man sie wegen „unheilbarer Geisteskrankheit“. Gegen ihren Willen und auch trotz des Einspruchs ihrer Familie wird Elfriede Lohse-Wächtler zwangssterilisiert. Davon erholt sie sich nicht mehr, hört auf zu malen und vegetiert nur noch vor sich hin.
1937 vernichten die Nationalsozialisten im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ fast alle Bilder von Lohse-Wächtler, darunter auch einen großen Teil ihrer Arnsdorfer Kunstwerke. Am 31.Juli 1940 wird die Künstlerin nach Pirna-Sonnenstein gebracht. Die ehemalige Klinik war eine der Tötungsanstalten, in denen die Nazis im Rahmen ihrer Euthanasieaktion „T4“ Patienten vergasen ließen, denen sie den Stempel „Unwertes Leben“ aufgedrückt hatten. Eine Massenmordaktion, der rund 200000 Patienten zum Opfer fielen. Wie viele andere auch wurde Elfriede Lohse-Wächtler in einer als Duschraum getarnten Gaskammer getötet. Ihren Eltern teilte man mit, dass ihre Tochter an einer „Lungenentzündung mit Herzmuskelschwäche“ verstorben sei.
Der 1994 gegründete „Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler“ kümmert sich um das Andenken an die lange vergessene Malerin. 1999 wurde ihr zu Ehren eine Stele im Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf errichtet und in Pirna-Sonnenstein erhielt eine Straße ihren Namen.
Autor: H.Reile
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