Heureka an der Bahnschranke

Josef Jenni erinnert sich genau: «1984 war mein Schicksalsjahr.» Die damals noch junge Jenni Energietechnik AG drohte Konkurs zu gehen. Energiesparen sei nach der ersten Erdölkrise von 1973 in aller Munde gewesen, es entstanden viele Sonnenenergiefirmen. Jenni hat die Schweiz in den achtziger Jahren an die Spitze der Solartechnik geführt.

Auch der heute 57-Jährige wollte nach seiner Ausbildung zum Elektroingenieur etwas Sinnvolles machen. «Als ich damals als junger Student den Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums las, lief es mir kalt den Rücken hinunter», sagt er. Seine Beklemmung über die ökologischen und ökonomischen Zukunftsaussichten einer Welt, die damals noch in alle Richtungen boomte und dem Machbarkeitswahn verfallen war, hat ihn zum Unternehmer werden lassen. «Der Bericht von 1972 war mein Schlüsselerlebnis, er stellte für mein Leben die Weichen.»

Basteln im Keller

Nach dem Studium war Jenni zuerst Heimwerker im elterlichen Haus in Bremgarten. Dort hat er im Keller an Steuerungen für Solarenergieanlagen gebastelt. Im Frühjahr 1976 dann gründete er den Einmannbetrieb Jenni-Sonnenenergie-Steuerungen. Das ursprüngliche «Keller-Produkt» fand AbnehmerInnen. In den ersten neun Monaten lag der Umsatz bei 29 000 Franken, im zweiten Geschäftsjahr steigerte er sich auf 120 000 Franken. 1978 beschäftigte der inzwischen in die Jenni Energietechnik AG umgewandelte Betrieb vier Mitarbeiter, 1983 wurde in Oberburg der Firmensitz mit Werkstatt gebaut. Und dann kam die Ernüchterung. Die Schweizer Sonnenenergiebranche rutschte in die Krise. «Auch für uns wurde es sehr eng», sagt Jenni. «Geld für eine Werbekampagne hatten wir keines. Trotzdem mussten wir dringend etwas unternehmen.»

«Die Idee kam mir an der Bahnschranke in Burgdorf.» Jenni spricht hastig, die Begeisterung von damals in den Augen. Sein Bruder hatte vorgeschlagen, zu Werbezwecken ein Solarmobil zu bauen. «Ich habe die Idee weitergesponnen» – zu einem Solarmobilrennen quer durch die Schweiz. Er brachte den Vorschlag in die nächste Vorstandssitzung der Schweizerischen Vereinigung für Sonnenenergie ein. «Das hat eingeschlagen. Wir haben zu einer Medienkonferenz ins Verkehrshaus nach Luzern eingeladen.»

Innert kürzester Zeit fanden sich rund hundert Interessierte, die an der Tour de Sol vom Boden- zum Genfersee teilnehmen wollten. Jenni wurde beauftragt, das Reglement für das Rennen zu verfassen. «Das Einzige, was wir wussten, war, dass ein Solarmobil in zwanzig Tagen Australien durchquert hatte. Also sollten für die Schweiz fünf Tage reichen.» Am 25. Juni 1985 starteten im thurgauischen Romanshorn 73 Solarmobile zur ersten Etappe nach Winterthur. «Für mich war das einer der grössten Momente in meiner Karriere», sagt Jenni heute.

Auch für sein Unternehmen im Emmental brachte die erste Tour de Sol die Wende. Heute ist die Jenni Energietechnik AG mit siebzig Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über dreizehn Millionen Franken das grösste Unternehmen für thermische Sonnenenergienutzung in der Schweiz. Die Firma ist spezialisiert auf hoch entwickelte Steueungs- und Speichersysteme für Solaranlagen. Als Fabrikant im klassischen Sinn sieht sich der Berner EVP-Kantonsparlamentarier trotzdem nicht. «Ich bin ein Umweltaktivist geblieben – mit einer Fabrik im Rücken.»

Wie ein Starkoch

Tatsächlich ist Jenni auch ein «Berufener». An die hundert Vorträge hält er jedes Jahr in ganz Europa über die Sonnenenergie. 1989 erstellte seine Firma das erste «Sonnenhaus» Europas, das zu hundert Prozent mit Sonnenenergie beheizt wird. 2007 realisierte das Unternehmen – ebenfalls als europäische Premiere – das erste vollständig solar beheizte Mehrfamilienhaus. Jüngst hat Josef Jenni mit dem Buch «Das Sonnenhaus» auch noch einen praktischen Ratgeber zum Thema verfasst.

Für viele ist er der «Solarpapst», selbst würde er sich aber nicht so bezeichnen. Er sei Solarpionier, das komme seinen Aktivitäten und auch seinem unternehmerischen Engagement am nächsten. «Das andere sind halt Schlagworte. Ich kann aber damit leben», sagt er. Die «päpstlichen Huldigungen» nimmt er dankend an. Am Empfang im Fabrikgebäude sind die gerahmten Auszeichnungsschreiben und die vielen Solarpreispokale prominent ausgestellt. So halten es ja auch die Gastronomen und Starköche mit ihren Ehrungen.

Foto: Sriesen/de.wikipedia.org

Autor: Harry Rosenbaum