Klug, radikal und pazifistisch
Wer war Hedwig Dohm? Nach einigem Stöbern und längerer Recherche zeigt sich eine für damalige Zeiten faszinierende Persönlichkeit, die Zeit ihres Lebens unerschrocken für die Rechte der Frauen kämpfte. Hedwig Dohm (1831 – 1919) wurde in Berlin geboren. Sie war das dritte von insgesamt 18 Kindern des Tabakfabrikanten Gustav Adolph Gotthold Schlesinger und dessen Ehefrau Wilhelmine Henriette Jülich.
Wie damals üblich, war das Bildungsangebot für Mädchen und junge Frauen stark reduziert. Man orientierte sich an einem fast schon alttestamentarischen Frauenbild. Im Gegensatz dazu stand dem männlichen Geschlecht Bildung offen, vorausgesetzt, der elterliche Geldbeutel war halbwegs gefüllt.
Schon als junges Mädchen fiel Hedwig dadurch auf, dass sie so ziemlich alle Bücher, derer sie habhaft werden konnte, schier verschlang. Auch wenn es dafür von elterlicher Seite keinerlei Verständnis gab. Ihre Schulbildung fand ein Ende, als sie gerade 15 Jahre alt war. Die kommenden drei Jahre musste sie im Haushalt der Familie helfen. Dann aber wurde ihr doch noch der Besuch eines Lehrerinnenseminars ermöglicht. Sie geriet in intellektuelle Kreise, besuchte politische Versammlungen und schlug sich 1848, sehr zum Leidwesen ihrer Mutter, auf die Seite der Revolutionäre.
Fünf Jahre später heiratete sie Ernst Dohm, den Chefredakteur der Satirezeitschrift „Kladderadatsch“. Fünf Kinder gingen aus dieser Verbindung hervor. Hedwig Dohm sorgte von Anfang an dafür, dass ihr Nachwuchs eine gute Ausbildung bekam. Im Alter von 36 Jahren veröffentlichte die Autodidaktin ihren ersten Text: „Die spanische Nationalliteratur in ihrer geschichtlichen Entwicklung“. Anfang der 1870-er Jahre erschienen nacheinander vier feministische Bücher von ihr, in denen sie die völlige rechtliche, soziale und ökonomische Gleichstellung von Frauen und Männern einforderte.
Diese Essays machten Hedwig Dohm schlagartig berühmt. Die feministische Vordenkerin war ihrer Zeit weit voraus. Aber nicht nur verknöcherte Patriarchen nahmen Anstoss an ihren Texten, auch die bürgerliche Frauenbewegung distanzierte sich von Dohms radikalen Thesen. Dabei war gerade ihr Eintreten für eine ökonomische Gleichberechtigung der Frauen eine zentrale und richtige Forderung. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit, so Hedwig Dohm, würde im Endeffekt auch dazu führen, dass Frauen nicht mehr notgedrungen im „Ehegefängis“ landeten. Erst wenn sich Mann und Frau wirtschaftlich gesehen auf Augenhöhe befänden, könne eine gleichberechtigte Partnerschaft entstehen.
Als 1883 ihr Mann starb, begann Hedwig Dohm Romane und Novellen zu schreiben, dazu erfolgreiche Theaterstücke, die auf Berliner Bühnen Furore machten. Sie stritt zudem vehement für eine umfassende Bildungsreform, die Zulassung für Mädchen und Frauen an Gymnasien und Universitäten und forderte unablässig das Wahlrecht für Frauen. Zahlreiche Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften erschienen von ihr, sie mischte sich ein in die politischen Debatten. 1902 veröffentlichte sie „Die Antifeministen“ und deckte genüsslich aber auch sehr humorvoll die Widersprüche derer auf, die immer noch glaubten, Frauen seien billige Dienstmägde oder allzeit willige Gebärmaschinen. Dahinter, so die Autorin, stecke nichts anderes als die Angst vor dem anderen Geschlecht und die jämmerliche Verteidigung althergebrachter Machtansprüche.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges gehörte Hedwig Dohm zu einer intellektuellen Minderheit, die vor dem „Hurra-Patriotismus“ warnte und früh erkannte, welches Unglück mit Krieg verbunden ist. Leider blieben diese mahnenden Stimmen ungehört. 1919 starb die couragierte Frauenrechtlerin. Kurz vor ihrem Tod wurde im Deutschen Reich den Frauen erstmals das Wahlrecht anerkannt. Ein später Sieg auch für Hedwig Dohm. Seit 1991 verleiht der Journalistinnenbund jährlich die Hedwig-Dohm-Urkunde an Frauen für ihre herausragende journalistische Leistung und ihr frauenpolitisches Engagement.
Autor: Archiv/hr
Ein sehr einfühlsamer und frauenfreundlicher Artikel, Herr Reile, aus dem ich den Satzteil „Dahinter…..stecke nichts anderes als die Angst vor dem anderen Geschlecht….“ heraus-
greifen möchte. Ich denke, er ist deshalb sehr bedeutsam, weil
er die Frage nach dem Grund dieser Angst aufwirft, und der besteht doch darin, dass auch heute noch viele Männer ihre eigene weibliche Persönlichkeitsseite nicht entwickelt haben,
sei es durch Erziehung bedingt oder durch andere Einflüsse.
Ist ein Mann bereit – vorausgesetzt er hat das Bewusstsein für
dieses Defizit – selbiges durch eine „Nachreife“ auszugleichen,
so wird das vermeintlich männlich Starke durch das weiblich
Sanfte ergänzt und der Mann ist wirklich stark und wirklich
Mensch. Er wird so frei von der Frau, hat keine Angst mehr vor
ihr und kann dann wirklich ihr Freund sein.
Er läuft dann auch weniger Gefahr, dass falsche Frauen über ihn Macht haben, denn es gibt auch im umgekehrten Fall noch
althergebrachte Machtansprüche!