Mit 16 im Bürgerkrieg
In Genf starb Eolo Morenzoni (1920-2011), einer der jüngsten Interbrigadisten aus der Schweiz.
«Ich habe ein rebellisches Herz», sagte Eolo Morenzoni über sich, der schon als Minderjähriger gegen Franco gekämpft hatte. Zeitlebens blieb der wohl am meisten interviewte „Spanienfahrer“ seinen politischen Überzeugungen treu. In seiner Wahlheimat, im liberalen und weltoffenen Genf, wurde der Tessiner kurz vor seinem Tod noch ausgezeichnet.
Das Café Morenzoni, das sein Vater in Lugano führte, war in den 1930er-Jahren der Treffpunkt der Tessiner Linken und insbesondere der KommunistInnen. So bekam der 1920 geborene Morenzoni das antifaschistische Engagement sozusagen im Elternhaus eingeimpft. Man beherbergte politische Flüchtlinge, die vor Mussolini flohen. Als General Franco im Juli 1936 gegen die junge spanische Republik putschte, drängte es auch den jungen Eolo zur Tat. An einem schulfreien Donnerstag schlich er sich mit seinem Kollegen Romeo Nesa Richtung Spanien davon. Aus Angst, sie könnten ihn zurückhalten, verriet Morenzoni den Eltern zunächst kein Wort.
Später sandte er ihnen einen Brief, in dem es hieß: «Alles, was ich tue, das tu ich aus eigener Überzeugung und meinem Gewissen folgend.» Morenzoni wollte mit der Waffe in der Hand gegen den Faschismus kämpfen. «Ich konnte nicht anders», erzählte er. Rund 80 Tessiner, die ebenfalls nach Spanien aufbrachen, taten es ihm gleich.
Fast wäre jedoch sein Plan gescheitert. An der spanischen Grenze wollten Kontrolleure den kaum 16-Jährigen wieder nach Hause schicken. Doch mit einer List gelang es ihm, sein wahres Alter zu
verbergen. Morenzoni kam zu den Internationalen Brigaden und leistete dort Dienst als einer der Jüngsten überhaupt. «Ich konnte kein Gewehr bedienen, aber das lernt man an der Front schnell», blickte er später zurück. Im Bataillon Tschapajeff, das vom Zürcher Kommunisten und Haudegen Otto Brunner geführt wurde, machte er die Schlacht bei Teruel mit. Später war er auch im brutalen Kampf um das Dorf Brunete bei Madrid dabei, der Tausende das Leben kostet. Eine Verwundung an der Schulter zwang ihn schließlich zum Rückzug von der Front. Die Kaderabteilung lobte ihn in den höchsten Tönen als «einen der besten».
Knast für den Kämpfer
Die Eltern, die um sein Leben fürchteten, setzten alle Hebel in Bewegung, um ihren Sohn zurückzuerhalten. Im Februar 1938 wurde Morenzoni nach Paris geschickt und dort abgeholt. Im
Tessin warteten bereits die Militärrichter auf ihn. Sie verurteilten den noch nicht 18-Jährigen Jungkommunisten wegen fremdem Kriegsdienst zu anderthalb Monaten Gefängnis. Die Militärjustiz waltete gegen Spanienkämpfer gnadenlos, sie sah in ihnen Staatsfeinde im Dienste Moskaus.
Morenzoni war zwar nie in Moskau, aber er bewunderte wie viele Linke damals das dynamische Sowjetsystem. «Stalin war mein Idol», räumte er in einem Interview freimütig ein. Nachdem Verbot der KPS trat er 1944 der PdA bei. Erst als Chruschtschow die Verbrechen Stalins bekannt machte, setzten auch bei ihm die Zweifel ein.
Im Tessin hatte es für den verurteilten Spanienkämpfer keinen Platz mehr. Er musste fort, um einen Job zu kriegen, und landete schliesslich in Genf, wo er eine Stelle bei den öffentlichen
Verkehrsbetrieben fand. Das liberale und weltoffene Genf war die erste Stadt, welche den Spanienfreiwilligen ein öffentliches Denkmal errichtete. Es steht nur wenige Schritte von Morenzonis Wohnung entfernt. Morenzoni bereute es trotz aller Schwierigkeiten nie, in Spanien gekämpft zu haben. Als die Spanienfreiwilligen im Jahr 2009 vom Bund per Gesetz rehabilitiert
wurden, verspürte er eine späte Genugtuung, aber nicht viel mehr. Er fand, er brauche keinen staatlichen Segen für sein Engagement, sondern war immer selber überzeugt davon, richtig
gehandelt zu haben.
Späte Genugtuung für die «Spanienfahrer»
Im vergangenen Jahr erhielt er von der Stadt Genf die Ehrenmedaille «Genève reconnaissante». Menschlich beeindruckte Morenzoni durch seine Offenheit, seine Vitalität und sein linkes Bekenntnis auch im hohen Alter. «Ich bin immer noch Marxist», erklärte er allen, die es hören wollten. Nie hielt er mit seinen politischen Ansichten hinter dem Berg. Dies bestärkte wohl auch den Staatsschutz, ihn während vieler Jahrzehnte zu verfolgen. Die Zusammenkünfte der ex-BrigadistInnen, die sich meist in Naturfreundehütten trafen, wurden minutiös überwacht. Morenzonis Name taucht in zahllosen Polizeirapporten auf. Offenkundig gab es dabei auch Spitzel.
Dies alles hielt Morenzoni nicht davon ab, stolz auf seine Vergangenheit zu sein. Neben Hans
Hutter war er der wohl am meisten interviewte «Spanienfahrer», wie die «Freiwilligen der Freiheit» damals in den Zeitungen genannt wurden. Morenzoni behielt Spanien bis zuletzt im Herzen. Am 25. Juni hörte es endgültig zu schlagen auf.
Autor: Ralph Hug