Pfeifen nur auf Deutsch

seemoz-Fussball-TeaserDie Liste der Spiele ist lang. Er hat im gesamten arabischen und asiatischen Raum gepfiffen, viel Erfahrung bei internationalen Turnieren gesammelt. Ein Mann, der als Torwart anfing, Fußball zu spielen und den der Krieg und die Flucht nach Deutschland vertrieben hat. Mit Ausbildung, hochqualifiziert. Jemand, der hier allerdings nur Spiele der E-Jugend pfeifen darf, für die man keine Lizenz braucht. Weil er kein Deutsch spricht.

Mahmoud Al-Turki ist von Beruf geprüfter FIFA Schiedsrichter. Doch der noch immer andauernde Krieg in Syrien zerstörte die Grundlage für ein Leben in Sicherheit. So entschied er, sein Land zu verlassen. Seine Flucht führte ihn zunächst in die Türkei, von dort erreichte er, einen Fluss durchschwimmend, Griechenland. Dank seines Bruders Muhammed kam er nach Deutschland, der holte ihn mit dem Auto in Griechenland ab. Muhammed ist seine Verbindung zu Deutschland, der lebt seit 27 Jahren in Karlsruhe.

Am 25.12.14 kam Mahmoud Al-Turki in Deutschland an. Über Umwege verschlug es ihn nach Konstanz. Nun wohnt der 47-jährige in der Gemeinschaftsunterkunft in der Steinstraße. „Konstanz gefällt mir sehr. Jeder ist nett und hilft mir, das ist eine sehr schöne Stadt“, meint der verhinderte Refugee.

Frau und acht Kinder blieben zurück

Doch dieses Geschenk konnte er seiner Familie nicht machen. Seine Frau und seine acht Kinder mussten in Syrien zurückbleiben, eine Flucht mit so vielen Menschen schien unmöglich. Er musste alleine gehen, um eine Chance zu haben. Mit dem Ziel, dass seine Familie ihm folgen kann, sobald er in Europa Asyl bekommt.

Derzeit darf er aufgrund seines Status als „Asylsuchender“ weder arbeiten noch darf er offizielle Spiele pfeifen, da er kein Deutsch spricht. Das verwundert, denn die FIFA unterstützt und fördert die englische Sprache als Kommunikationsmittel zwischen den Parteien auf dem Fußballfeld. „Doch in Deutschland gibt es ein Gesetz, das die deutsche Sprache von Schiedsrichtern verlangt“, weiß Stefan Herzet. Der ist ehrenamtlich als Trainer der E-Jugend des TV Konstanz tätig und einer der Menschen, die Mahmoud den Einstieg in das Leben in Deutschland sehr erleichtert haben.

„Ein Fußballspiel hat ja auch zunächst nichts mit Sprache zu tun“, findet Mahmoud. Es gehe dabei primär um die Körpersprache und die sei sowieso international. Auch der Trainer findet, dass es nicht auf die Sprache ankommt. „Fußball ist ja jetzt nicht so komplex“.

Mahmoud pfeift derzeit wenigstens Spiele der E-Jugend, mit Kindern im Alter von neun, zehn Jahren. Diese Spiele können von jedermann gepfiffen werden, eine Lizenz ist nicht nötig. Dem Syrer macht diese Aufgabe dennoch viel Spaß, er ist froh über diesen Job. Auch wenn der Sportplatz am Schänzle natürlich keinen Vergleich mit den riesigen Stadien aushält, in denen er noch vor einigen Jahren gepfiffen hat.

Fußball überwindet kulturelle Grenzen

Die Kinder jedenfalls finden es super, einen FIFA-Schiri zu haben. Mahmoud kann gut mit den Heranwachsenden, er bringt eine Form in das Spiel. Das gemeinsame Einlaufen (s. Foto) erinnert an die großen, internationalen Turniere. In der E-Jugend gibt es auch Kinder mit Migrationshintergrund, vier Kinder kommen ebenfalls aus dem Flüchtlingsheim in der Steinstraße. Auch sprechen zwei der jungen Sportler arabisch, so könne man im Notfall auch mal dolmetschen. Doch von Problemen mit den verschiedenen Kulturen könne keine Rede sein, erzählt Stefan Herzet. „Fußball ist super für die Integration, jeder kann es spielen und die Kinder können dort Kontakte knüpfen und lernen so die Sprache viel besser“, erklärt der Hobby-Trainer.

Ein Freundschaftsspiel des TV Konstanz gegen den SV Litzelstetten

Es ist ein bewölkter Samstag, später wird es regnen. Dem Spiel aber schadet das nicht. Das Publikum, Eltern und Freunde, verfolgt das Geschehen vom Spielfeldrand. Die Konstanzer Jungs haben rote Trikots und werden von ihren Spielern auf der Bank angefeuert. Litzelstetten kämpft in Gelb um den Sieg. Ein blonder Junge von der Reservebank grinst und lässt Seifenblasen über das Spielfeld wehen.

Stefan Herzet steht am Rand und ruft seinen Zöglingen Kommandos zu. „Lauf nach vorne, Özil, du hast Platz“, „spiel über die linke Seite, Markus“, „helfen, Ali“. Mahmoud Al-Turki, im blauen Schiedsrichter-Trikot, ist mittendrin. Er läuft mit, achtet auf die Einhaltung der Regeln und steht immer genau so, dass er alles überblickt, aber das Spiel nicht beeinträchtigt. Seine Körpersprache ist eindeutig, die Kommandos glasklar und die Pfiffe sind kurz und prägnant. Die gängigen Begriffe wie „Ecke“ oder „Abseits“ kennt er. Kein Zweifel, die Kinder verstehen, was er ihnen zu sagen hat.

„I wait, I‘m ready“

Sein Asylantrag wurde bisher noch nicht bewilligt. Er wartet und hofft. Darauf, dass seinem Antrag stattgegeben wird. Darauf, dass er seine Familie auch nach Deutschland bringen kann und dass seine Kinder so schnell wie möglich Deutsch lernen können. Das ist ihm sehr wichtig. Syrien ist derzeit kein Land, in dem es eine Zukunft für sie gibt, da ist sich Mahmoud Al-Turki sicher. Und er wartet darauf, dass er, seiner Qualifikation angemessen, wieder offizielle Spiele pfeifen darf. Er ist bereit.

Rafael Cuenca Garcia (Text) und Hans-Peter Koch (Fotos)

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