Warum Mister Weill aus New York nach Konstanz kam

Geoffrey Weill in Konstanz

Eigens aus New York kam Geoffrey Weill an den Bodensee, um seinen Großonkel zu ehren: Hugo Weill ist eines von 24 Nazi-Opfern, für die am 14.7. Stolpersteine in der Konstanzer Innenstadt verlegt wurden. Mehr noch: Hugo Weill ist Vetter von Kurt Weill, dem wohl berühmtesten deutschen Komponisten während der Weimarer Republik.

In den ersten 30 Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde Kurt Weill, der berühmte Vetter, vor allem bekannt durch seine Zusammenarbeit mit dem Dichter Bert Brecht, zu dessen berühmtesten Stücken er die Opernmusik schrieb: „Die Dreigroschenoper“ und „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ zählt zu Weills populärsten Arbeiten. Aber auch Operetten und Kammermusik, Filmmusik und Musicals – letztere im US-amerikanischen Exil – stammen aus seiner Feder. 1950 starb der Komponist in New York.

Und nun kommt der vorletzte Spross dieser weitverzweigten jüdischen Familie nach Konstanz, um einer Stolperstein-Verlegung (Seemoz berichtete mehrmals) beizuwohnen. Man sieht es dem 59jährigen, mit Baseballkappe, offenem Hemd und verbeulten Hose, nicht an, dass er Gründer und Chef einer weltweiten PR-Agentur ist, die sich auf das Tourismus-Geschäft spezialisiert hat. Zu seinen Kunden zählen Hotels und Unternehmen auf der ganzen Welt, auch in Zürich und Berlin. Auf die Frage nach seiner Beschäftigung antwortet er einsilbig: „Only tourism“. Und dann hält er in fehlerfreiem Deutsch eine eindrucksvolle Laudatio vor dem Haus Bodanstraße 33, in dem sein Großonkel einst lebte.

Ihren Ursprung hat die Weill-Familie in der einst lebendigen jüdischen Gemeinde Kippenheim im badischen Ortenaukreis. Die Gedenkstätte in Kippenheim ist auch der Ort, über den die Konstanzer Rechercheure den Kontakt zur Weill-Familie überall in der Welt herstellten. Hier wurde das Nazi-Opfer Hugo Weill geboren, das ist auch der Geburtsort von Kurt Weills Vater. Als Kaufmann lebte Hugo Weill in Konstanz, bevor er ab 1940 über Gurs und Drancy nach Auschwitz deportiert wurde; die Konstanzer Stolperstein-Initiative vermutet, dass er dort am 6.9.1942 ermordet wurde, zumindest verliert sich dort seine Spur.

Mister Weill, der seine Halbschwester Marion Schmidt aus Düsseldorf mitbrachte, war beileibe nicht der einzige ausländische Gast bei der Stolperstein-Verlegung – fast ein Dutzend waren allein aus den USA angereist und ehrten ihre ermordeten Verwandten mit rührenden Worten. Doch Gäste aus der Schweiz, Österreich und ganz Deutschland sind längst die Regel bei den Stolperstein-Aktionen in Konstanz.

Der bescheidene Gast aus New York, Geoffrey Weill, weiß nichts über Kontakte seines Großonkels aus Konstanz zu dessen berühmten Vetter Kurt Weill. „Aber Mitglied einer solch namhaften Familie zu sein, ist doch auch schon was. Mein jüngster Sohn übrigens trägt den Namen Liam Hugo – in Erinnerung an seinen Konstanzer Ahnen“.

Autor: Hans-Peter Koch