Risse im AKW Neckarwestheim II
Der BUND Baden-Württemberg, der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar e.V. (BBMN) und die Anti-Atom-Organisation „.ausgestrahlt“ haben vergangenen Freitag bei einer Pressekonferenz den Antrag auf Austausch wesentlicher Bauteile des AKWs Neckarwestheim ans Umweltministerium Baden-Württemberg vorgestellt. Die Umweltorganisationen beantragen: Ohne diesen Austausch darf das AKW nicht mehr ans Netz, denn sonst drohe im schlimmsten Fall auch eine Kernschmelze. Hier die Begründung der Antragsteller.
Die Dampferzeuger als zentrale Schnittstellen zwischen dem Reaktorkern und der nicht verstrahlten Seite des Atomkraftwerks Neckarwestheim II (GKN II) sind unwiederbringlich geschädigt. In den vom radioaktiven Wasser aus dem Reaktorkern durchströmten Rohren bilden sich seit vielen Jahren immer neue, gefährlich schnell wachsende Risse. In mehr als 300 Rohren wurden bisher Risse entdeckt.
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Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation „.ausgestrahlt“ beschreibt die Gefahr: „Die Ursache der Spannungsrisskorrosion im AKW Neckarwestheim kann nicht behoben werden. Vielmehr können jederzeit neue gefährliche Risse entstehen. Ein Abriss nur eines einzigen der mehr als 16.000 Heizrohre kann bereits einen schweren Kühlmittelverluststörfall auslösen, der bis zur Kernschmelze führen kann, mit all ihren Katastrophenrisiken für Menschen und Natur. Das bloße Verstopfen einzelner Rohre, das EnBW bisher praktiziert, ist Flickschusterei. Es missachtet sowohl die deutschen Sicherheitsanforderungen als auch weltweit anerkannte kerntechnische Sicherheitsstandards, wie die aktuelle Bewertung des renommierten Reaktorsicherheitsexperten Prof. Dr.-Ing. habil. Manfred Mertins belegt.“
Da das baden-württembergische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde immer wieder die Augen vor dem Risiko verschlossen hat, haben sich der BUND Baden-Württemberg, der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar e.V. (BBMN) und die Anti-Atom-Organisation „.ausgestrahlt“ zusammen mit vier in der Nähe des AKW wohnenden Privatpersonen entschieden, einen Antrag auf Austausch aller vier Dampferzeuger zu stellen. Diesen haben sie am 19. Juni 2020, zu Beginn der jährlichen Revision des Kraftwerks, abgegeben.
Sylvia Pilarsky-Grosch, Landesgeschäftsführerin des BUND Baden-Württemberg, erklärt die Beweggründe für den Antrag: „Die Dampferzeuger als zentrale Schnittstellen zwischen dem Reaktorkern und der nicht verstrahlten Seite des Atomkraftwerks sind unwiederbringlich geschädigt. Es existiert keine technische Möglichkeit, sie so zu reparieren, dass keine weiteren Risse mehr auftauchen können. Mit solchen Schäden ist ein Betrieb des AKWs aber rechtlich nicht zulässig. Das Umweltministerium muss dafür sorgen, dass die Schäden vor einer Wiederinbetriebnahme komplett behoben sind. Dies ist nur durch einen Austausch der Dampferzeuger möglich, den wir mit unserem Antrag fordern. Dies ist technisch möglich und wurde weltweit schon dutzendfach durchgeführt. Da ein Austausch aber mit sehr hohen Aufwendungen verbunden ist, macht es höchstwahrscheinlich wirtschaftlich keinen Sinn mehr, das AKW überhaupt wieder ans Netz zu bringen.“
Franz Wagner, Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar e.V. (BBMN), erklärt: „Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde sie bestmöglich vor den Gefahren der Atomkraft schützt. Tatsächlich liegen aber Selbstverständnis und Handeln der Atomaufsicht davon meilenweit entfernt. Dafür tragen der Minister und der Ministerpräsident die Verantwortung. So wie das AKW inzwischen alt, rissig und spröde ist und Probleme nur noch zugepflastert werden, so ist auch die Sicherheitskultur im Ministerium alt, träge und rissig geworden. Immer mehr Sicherheitsrabatte zeigen eine Korrosion und Erosion der Atomaufsicht. Der Umgang mit den Rissen der Heizrohre erschreckt uns. Wieder einmal muss die Atomaufsicht zum Jagen getragen werden.“
Hintergrund
Seit vergangenen Freitag läuft die jährliche Revision im Atomkraftwerk Neckarwestheim II. Dabei werden unter anderem wieder die etwa 16.000 Rohre der vier Dampferzeuger überprüft. Allein bei der Revision 2019 wurden 209 Risse an 191 Rohren entdeckt. 90 davon (an 90 Rohren) waren 2018 übersehen worden. Der Rest entstand innerhalb eines Jahres neu. Auch offizielle Stellen befürchten, dass weitere Risse gefunden werden können, da die Ursache für die Korrosion nicht zu beheben ist. Die Dampferzeuger sind somit irreparabel geschädigt. Planmäßig soll das AKW Neckarwestheim II Ende 2022 stillgelegt werden.
MM/hr (Thomas Springer / Public domain)
Weitere Informationen zum Thema:
Webseite des BUND Baden-Württemberg zum AKW Neckarwestheim II
Video und Hintergrundinformationen von .ausgestrahlt zu den Rissen in Neckarwestheim II