Was die wahre Liebe mit Klimaschutz zu tun hat (I)

Kundenumfrage

„Jetzt ist die Zeit“ steht auf den Armbändchen des Deutschen Evangelischen Kirchentags, die Pfarrer Matthias Metzmacher verteilt. In diesen Krisenzeiten bringe es nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Als Impulsgeber möchte er viel lieber zum Umdenken anregen. In Kooperation mit der Aktion Klimafasten gab er in Flyern wertvolle Tipps zu umweltbewusstem Konsum. Daneben unternahm er in der Fastenzeit Exkursionen, die verschiedene Wege nachhaltiger Lebensführung vor Ort aufzeigten. Eine Anregung zu Ostern.

Dies ist Teil 1 dieses Textes, Teil 2 finden Sie hier.

Food-Sharing und Containern

Metzmachers Veranstaltungsreihe „7 Wochen regional, fair, klimafreundlich“ startete direkt mit einem umstrittenen Thema. „Containern und Foodsharing“ stand beim ersten Treffen auf der Agenda, einem Sonntagsgottesdienst in Eppenrod, einer Ortsgemeinde im Rhein-Lahn-Kreis. Anstatt sich unter der Häufung der Krisen begraben zu lassen, wie dem Krieg, der Inflation und nun auch dem Erdbeben in der Türkei und Syrien, solle im Rahmen dieser Fastenaktion buchstäblich ins Auge gefasst werden, was wir in unserem Alltag zur Verbesserung der Lage beitragen könnten, erklärt Metzmacher im Gottesdienst. Die Bewahrung der Schöpfung und das Ausleben der Nächstenliebe in all ihren Facetten müsse trotz allen Unheils in der Welt stets oberste Priorität besitzen.

Wie er mir in einem späteren Interview erklärt, sei die Schöpfungsgeschichte in der heutigen Zeit für viele Menschen missverständlich. Dass der Mensch sich die Welt Untertan machen solle, bedeute, seiner Meinung nach nicht, dass wir Recht hätten, mit der Natur nach Gutdünken umzugehen. Vielmehr sei diese Bibelstelle in dem Sinne zu deuten, dass Gott den Menschen hiermit die volle Verantwortung für seine Schöpfung übertragen hätte. Nun sei es an der Zeit, diesen Erwartungen gerecht zu werden. Die örtliche Food-Sharing-Initiative, die sich in der Gegend dafür einsetzt, sogenannte „Fairteiler-Stationen“ ins Leben zu rufen, nimmt diese ihm zufolge gottgegebene Verantwortung ernst. „Engagiert wurde durch sie Wichtiges zur Bewahrung der Schöpfung erreicht“, lobte Metzmacher.

Hiernach ergriff Traute von Romanovski das Wort. Als Food-Sharing-Aktivistin konnte sie berichten, dass ohne dieses Engagement mehr als ein Drittel aller Lebensmittel in Deutschland weggeschmissen würde. Nicht nur das Essen selbst, auch alle zu deren Herstellung benötigten Ressourcen wären auf einmal umsonst. Um ein Kilogramm Erdbeeren herzustellen, bräuchte es im Schnitt bereits so viel Wasser, wie in 300 Tetra Paks passt. Um diese Verschwendung zu verhindern seien allein im Dekanat Nassauer Land mehr als 80 ehrenamtliche Helfer*innen aktiv, welche mehrmals die Woche verschiedene Märkte in der Region aufsuchten und, das Auto randvoll mit geretteten Lebensmitteln, die Nahrungsmittel auf die einzelnen Fair-Teiler-Stationen sowie zu den verschiedenen Kooperationspartner*innen lieferten. Food-Sharing-Stationen dienen aber nicht allein der Rettung von Lebensmitteln aus Supermärkten und von größeren Händler*innen. Auch Privatpersonen haben hier die Chance, die überzählige Ernte aus dem Garten oder übriggebliebene Nahrungsmittel aus Küche und Schrank zu verteilen.

Balkonkraftwerke und Bürgerenergie

Die erste Exkursion auf der nachhaltigen Fasten-Tour führte die Teilnehmer*innen nach Strüth im Rhein-Lahn-Kreis zur Bürgerenergie Hohenstein. Diese erläuterte in Kooperation mit der Energiegenossenschaft Oberes Mühlbachtal die regionalen Möglichkeiten sauberer Energie durch Solarkraft. Gerade jetzt, wo viele die Nachteile konventioneller Energiegewinnung und internationaler Abhängigkeiten zu spüren bekommen, interessierten sich bei diesem Termin besonders viele für die vorgestellten Balkonkraftwerke. Die kleinen Kraftwerke lassen sich durch eine einfache Steckdose an die heimische Stromversorgung koppeln. Einziger Nachteil, so Oliver Fedtke, Engagierter bei der Bürgerenergie Hohenstein: Die Einspeisung von Stromresten ins öffentliche Netz bei einer Überproduktion sei nur vergütungsfrei möglich. Ausführlich beriet er, gemeinsam mit seinem Mitstreiter Manfred Jenner, zu den Einsatzmöglichkeiten und Quellen von Solarenergie für Privathaushalte – ein für viele gerade sehr interessantes Thema hinsichtlich der persönlichen Wende zu einem nachhaltigeren Lebensstil.

Die wahre Liebe im Eine-Welt-Laden

Die nächste Station auf ihrer regionalen Nachhaltigkeitstour führte die Umwelt-Interessierten zum Eine-Welt-Laden in Nastätten. Frei nach dem Motto der Aktion Klimafasten der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau (EKHN), „So viel du brauchst …“, hatten die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen des Lädchens in den vergangenen Wochen eine Kundenumfrage gestartet. Eine der Fragen suchte nach dem, was die einzelnen Kund*innen wirklich zum Leben bräuchten.

„Liebe“ sei die häufigste Antwort gewesen, erläuterte Anke Bodenbach, Mitarbeiterin im Eine-Welt-Laden. Sie berichtete von einer Kundin, welche aufgrund sprachlicher Hürden die Umfrage nicht gleich verstand und mit Händen und Füßen erst davon überzeugt, werden musste, daran teilzunehmen. Schließlich habe sie sich einen Zettel geschnappt und mit nachdrücklicher Bestimmtheit in großen Lettern „die wahre Liebe“ darauf geschrieben.

Eine andere Frage suchte nach den Dingen, welche die Kund*innen in ihrem Alltag für den Umweltschutz unternehmen würden. Ein praktischer Tipp lautete: „Größtmöglicher Verzicht auf Küchenrollen“, ein anderer „Frieden mit der Mode“, also die Beherrschung davor, stets dem neusten Klamotten-Trend hinterherzulaufen. Zur Belohnung für alle Umfrageteilnehmer*innen gab es ein Tütchen mit Pflanzensamen und inspirierenden kleinen Geschichten darauf. Auch der Fair-Trade-Laden achtet neben gerechten Herstellungsweisen auf einen möglichst nachhaltigen Vertrieb seiner Produkte. Ökostrom, umweltfreundliche Verpackungen und LED-Beleuchtung im Laden, sogar nachhaltig und fair produzierte Computermäuse im Sortiment seien mittlerweile selbstverständlich.

Nach einem unterhaltsamen Vortrag des Mitarbeiterteams über diverse Fair-Trade-Produkte, wie zum Beispiel den Apfelsaft, welcher durch eine Kooperation mit der Stiftung Scheuern den Eine-Welt-Laden bereichert, durften die Besucher*innen einige Produkte verköstigen. Wie jedes Mal bei diesen Besuchen öffnete Pfarrer Metzmacher auch im Eine-Welt-Laden am Ende der Veranstaltung seinen Rucksack und überreichte den Ehrenamtlichen ein Produkt einer anderen Initiative, die während der Veranstaltungsreihe besucht werden sollte.

Auf dem Alpaka-Hof

Am nächsten Tag ging es für alle auf dem Alpaka-Hof Strobel in Obertiefenbach. Für alle? Nein. Ich hatte mich anlässlich dieser Fastenaktion dem Selbstexperiment gestellt, alle Stationen der Veranstaltungsreihe auf klimafreundliche Art und Weise mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen. So kam es, dass es für mich an dieser Stelle nicht weiterging, ich diese Veranstaltung nicht besuchen konnte. Für alle anderen gab es jedoch die Gelegenheit einer wohl sehr kurzweiligen Hofführung, einer Begehung des Hofladens und die Chance, die scheuen, aber wunderschönen Tiere in den Stallungen zu beobachten. Die seit 2006 bestehende Alpaka-Zucht beheimatet mittlerweile circa 20 Tiere, verkauft im eigenen Hofladen hochwertige Produkte aus Alpaka-Wolle, von Babyschuhen bis hin zu Nierenschonern, vermietet eine Nichtraucher-Ferienwohnung und ist somit ein weiterer regionaler Selbstvermarkter, den es durch den eigenen Konsum zu unterstützen gilt.

Text und Bilder: Lena Rapp

Bildbeschreibungen für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen:

Bild 1: Vor dem hölzernen Verkaufstresen des Eine-Welt-Ladens ist eine Wäscheleine aufgespannt, daran sind verschiedene Zettel mit Wäscheklammern befestigt. Ganz links steht: „Fastenaktion: Kundenumfrage-erhalten Sie 1 Samentüte!“ Auf dem Zettel rechts daneben ist zu lesen: „Was brauche ich wirklich zum Leben?“ Darunter hängt eine weitere Wäscheleine mit diversen Zetteln. Auf einem ist eine Friedenstaube aufgemalt, auf einem Zettel darunter ist das Wort „Wasser“ zu lesen, auf einem anderen Zettel das Wort „Wärme“. Auf einigen Zetteln darunter wird das Wort „Liebe“ erwähnt, auf einem anderen Zettel fordern Kund*innen „mehr Wir, weniger Ich“. Auf einem Zetteln bemerkt ein*e Kund*in: „Viel weniger als wir glauben, zu benötigen“. Auf einem anderen Zettel steht in krakeliger Schrift: „Wahre Liebe“.

Bild 2: Auf einem Tisch mit gelber Tischdecke stehen mehrere Flaschen des fair produzierten Apfelsafts der Stiftung Scheuern, außerdem einige Flaschen Zitronenlimonade. Rechts dahinter sind einige Gläser aufgereiht. Auf einem Frühstücksteller rechts werden mehrere Stücke nachhaltiger Schokolade angeboten, auf einem Silbertablett links stehen mehrere geöffnete Honiggläser verschiedener Sorten mit Löffeln darin. In einem Korb auf einem erhöhten Korbständer liegen Kosmetikprodukte parat.