BaWü-CDU prescht bei Militarisierung vor
Der Besuch der Fraktion der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg in der Theodor-Heuss-Kaserne in Bad Cannstatt und „intensive“ Diskussion haben zu einem vielleicht bisher einzigartigen Positionspapier geführt, das als Vorlage für eine umfassende Militarisierung zu sehen ist. Es offenbart eine reaktionäre Weltsicht, die angesichts von in Europa erlebbaren Kriegen scheinbar an die Oberfläche gespült wird.
Wer immer dachte, Jugendoffiziere der Bundeswehr seien vor allem in der politischen Bildung tätig und hätten die Aufgabe, Jugendlichen und an Schulen ein differenziertes Bild der Bundeswehr und ihrer Aufgaben im Kontext deutscher Sicherheitspolitik zu vermitteln, wird sich die Augen reiben. Wer immer schon mit dem Bild eines Jugendoffiziers, einer Jugendoffizierin konfrontiert wurde, der/die an Schulen vor allem „Werbung“ für einen Dienst an der Waffe machen würde, sieht sich verblüffender Weise von der CDU- Fraktion bestätigt – einziger Unterschied: wo friedliebende Menschen dagegen sind, ist die Fraktion dafür: „Die Bundeswehr soll als attraktive, spannende und sinnstiftende Arbeitgeberin sichtbar sein. […] Beispielsweise mit einem festgelegten Besuch eines Jugendoffiziers in Uniform an unseren Schulen.“ [1] Selbst die Bundeswehr sieht dies nicht im Aufgabenspektrum der Jugendoffiziere …
Das kurze Zitat von Manuel Hagel, dem Fraktionsvorsitzenden in der Pressemitteilung bildet den Rahmen für die Vorstellung des eigentlichen Positionspapiers „Ganzheitliche Sicherheit: starke Bundeswehr in Baden-Württemberg“ [2], das eine Konkretisierung des Jahresmottos der CDU „Tun, was getan werden muss“ darstellen soll. Markige Worte sind Markenkern der CDU und fächern sich hier auf in sieben Abschnitte, in denen die CDU-Fraktion die Bundeswehr stärker in den Fokus rücken möchte. Hier ein kurzer Überblick.
Die Frage der Präsenz der Bundeswehr vor den jüngeren Mitgliedern der Gesellschaft, z.B. an Schulen, aber auch im Vorfeld beruflicher Entscheidungen, ist der CDU ein Anliegen. Das Papier selbst vermeidet den Fauxpas der Pressemitteilung und trennt „Werbung“ und politische Bildung, hält aber auch fest, dass die Kopplung der Präsentation der Bundeswehr an eine ebensolche durch zivile Gruppen kein zwingendes Kriterium mehr sein soll. Das lässt die Aussichten für den Erhalt der an der Landeszentrale für politische Bildung angesiedelten Friedensbildungsstelle sinken – diese war auf Druck der Friedensbewegung und der Kirchen eingerichtet worden, um dem in einem Kooperationsvertrag der Landesregierung mit der Bundeswehr geregelten privilegierten Zugang der Bundeswehr zu den Schulen in Baden-Württemberg etwas entgegen zu setzen. Dies erscheint nun überflüssig und der Krieg in der Ukraine ist ein guter Vorwand, das rückgängig zu machen.
Damit nicht genug. Als zweiten Punkt greift die Fraktion die Frage des Katastrophenschutzes auf und sieht wieder eine potentiell größere Rolle für die Bundeswehr. Dazu soll die Katastrophenhilfe mit der Bundeswehr enger vernetzt werden, sie bei allen Fragen mit einbezogen werden können – ja sie soll auch technisch verbunden werden, u.a. durch „gemeinsame Nutzung und den Zugriff des Landeskommandos auf die ‚elektronische Lagedarstellung für den Bevölkerungsschutz‘ beim Innenministerium“. Am besten sei es, wenn die Bundeswehr bereits bei den Katastrophenwarntagen der Bevölkerung bekannt gemacht wird. Diese intensive Verschränkung von zivilen mit Bundeswehr-Dienststellen im Bereich des Katastrophenschutzes stellt nicht weniger als die Handhabung des Paragraphen 87a „Streitkräfte“ des Grundgesetzes in Frage. Die unter dem Stichwort „Amtshilfe“ als Ausnahme geregelte Unterstützung durch die Bundeswehr wird quasi ausgehebelt und durch regelmäßige Praxis ersetzt – die Anbindung an staatliche/behördliche Strukturen, BOS (Behörden mit Sicherheitsaufgaben), wird aufgelöst durch den harmlosen Begriff der „Blaulichtorganisationen“, der vielleicht auch die freiwillige Feuerwehr umfassen könnte.
Die Vernetzung der Bundeswehr mit dem Katastrophenschutz ist hier aber nicht genug. Militärische Anliegen sollten auch in der Verwaltung mitgedacht werden. Ministerien und Regierungspräsidien sollen lernen, das Militär mit im Blick zu haben – z.B. bei der Planung von Verkehrswegen oder Brücken. Die vorhandenen Verbindungskommandos sind stärker mit einzubeziehen. Auch die Cybersicherheitsagentur des Landes soll den Kontakt zur Bundeswehr suchen. Baubehörden sollen angewiesen werden, prioritär auch die militärisch relevanten Bauten großzügig zu genehmigen. Wer sich jetzt in die Wilhelminische Zeit zurückversetzt fühlt, liegt vielleicht nicht falsch.
Uniformen im Stadtbild sind eine Seltenheit geworden und auch dies ist etwas, was aus Sicht der CDU geändert gehört. Keine verschämten Gelöbnisse fernab der öffentlichen Sichtbarkeit auf Kasernenhöfen – ins Zentrum der Stadt, so der Wille der Fraktion, gehört die Bundeswehr – und das Volk soll die Gelegenheit haben, die Bundeswehr direkt in der Kaserne zu besuchen und zu bewundern. Dass die großen Gelöbnisse der Vergangenheit auch immer ein enormes Aufgebot an schützender Polizei erforderten, scheint da aus dem Gedächtnis gesprungen zu sein, was vielleicht auch zeigt, dass die Zurschaustellung militärischer Tugenden der CDU auch eine Menge Steuergeld wert ist. Der Internationalismus bekommt bei der CDU auch eine neue Prägung – der Austausch soll sich nun verstärkt auf einen Austausch von Militärpersonal über die deutsch-französische und die deutsch-schweizerische Grenze hinweg ausdehnen … natürlich um sich im Katastrophenfall zu unterstützen. Hier könnte auch der Ausbau der Heimatschutzverbände eine Rolle spielen, der ebenfalls vorangetrieben werden soll. Für Pilotprojekte einer ausgebauten Reserve der Bundeswehr sollen Liegenschaften des Landes herhalten. Falls es da an Personal mangeln sollte, so hat auch hier die CDU eine Idee: das „Verpflichtende Gesellschaftsjahr“. Der neue Zwangsdienst, der ein bisschen unter der allgemeinen (und ausgesetzten) Wehrpflicht rangiert, soll auch in der Bundeswehr ableistbar sein. „Neben der kurzfristigen Entschärfung des Personalmangels durch die Gesellschaftsjahrleistenden kann so der Reservistenpool aufgestockt und Soldatinnen und Soldaten auch langfristig für den Arbeitgeber Bundeswehr begeistert werden. Durch die Schaffung von Anreizen wie eine höhere Anerkennung der Dienstzeit auf die Wartezeit für einen Studienplatz kann die Attraktivität der Absolvierung des Gesellschaftsjahres bei der Bundeswehr nochmals gesteigert werden.“
In der Summe stellt das Papier einen Aufruf zur umfassenden Militarisierung Baden-Württembergs dar und ist traurig geschichtsvergessen. Die enge Verzahnung von Bundeswehrdienststelle mit der öffentlichen zivilen Verwaltung ist in ihrer arglos vorgetragenen Form überaus bedrohlich – die Preisgabe ziviler Entscheidungskompetenzen und die Unterordnung unter militärische Denkmuster widerspricht den demokratischen Werten, die die CDU vorgibt, verteidigen zu wollen. Hier ist die „Zeitenwende“ gedanklich nicht nur vollzogen, sie wird übertroffen: Kriegsvorbereitung?
[1] CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, Pressemitteilung 81: Hagel: Klares Bekenntnis zu einer starken Bundeswehr in Baden-Württemberg, 26.4.2023.
[2] Als Pdf-Download von der Webseite der Fraktion.
Text: Andreas Seifert. Dieser Beitrag erschien zuerst auf: https://www.imi-online.de
Symbolbild: Pixabay