Der Ukraine-Krieg: Vorgeschichte – Verlauf – Interessen – Waffen!
Ohne Zweifel handelt es sich bei dem russischen Angriff auf die Ukraine um einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Russland trägt demzufolge einen Großteil der Schuld an der katastrophalen Situation. Ebenso deutlich wie dies immer wieder klargestellt werden muss, gilt es aber auch zu betonen, dass dieser Krieg auch eine Vorgeschichte hat, die von einer nicht vernachlässigbaren Mitverantwortung erzählt, die nicht bei Russland liegt, sondern bei der Politik des Westens. Und gerade weil diese Mitverantwortung hierzulande nahezu vollständig ausgeblendet wird, ist es zentral, sie ebenfalls zum Gegenstand der Kritik zu machen. Hier eine ausführliche Analyse.
Doch auch seit Kriegsbeginn gießt der Westen immer weiter Öl ins Feuer: Vor allem seine Rolle beim Abbruch der Istanbul-Gespräche, bei denen die Ukraine und Russland Ende März 2022 kurz vor einer Verhandlungslösung standen, führte direkt zu der anschließenden Eskalation, die seither mit westlichen Waffen immer weiter befeuert wird. Inzwischen fällt in Sachen westlicher Waffenlieferungen auch und gerade in Deutschland nahezu jedes Tabu, sodass der langjährige militärische Chefberater im Kanzleramt, Ex-Brigadegeneral Erich Vad, bereits eindringlich vor einer „Eigendynamik“ und einer „Rutschbahn“ warnt, die in einen direkten Krieg der NATO mit Russland führen könnte: „Was sind die Kriegsziele?“, fragt Vad völlig zu Recht. „Will man mit den Lieferungen der Panzer Verhandlungsbereitschaft erreichen? Will man damit den Donbass oder die Krim zurückerobern? Oder will man Russland gar ganz besiegen? Es gibt keine realistische End-State-Definition. Und ohne ein politisch strategisches Gesamtkonzept sind Waffenlieferungen Militarismus pur [1]
Wenn aktuell allerdings Verhandlungen kategorisch abgelehnt werden bis völlig unrealistische Bedingungen erfüllt sind, dann läuft dies zwangsläufig auf einen lang andauernden, immer mehr Opfer fordernden Abnutzungskrieg hinaus – und genau hierauf scheint die westliche Strategie derzeit abzuzielen, um so eine maximale Schwächung Russlands zu erreichen. Inzwischen mehren sich aber die Stimmen, die eine grundlegende Kursänderung in Richtung Verhandlungen fordern. Es ist dringend notwendig, dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch deutlich mehr werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre, dass diejenigen, die sich für eine Verhandlungslösung einsetzen, wenigstens öffentlich zu Wort kommen würden, ohne sofort hysterisch beschimpft und diffamiert zu werden, wie Heribert Prantl richtigerweise forderte: „Der Krieg in der Ukraine und die kriminelle Annexionspolitik Putins sind bittere Realität. Realität ist aber auch die Gefahr, dass dieser Krieg mit Worten und mit Waffen gefüttert wird, bis er platzt. […] Das wäre nicht die von Kanzler Scholz angekündigte Zeitenwende, das wäre das Zeitenende für Europa. […] Es ist deshalb fatal und unendlich töricht, dass hierzulande schon die Wörter ‚Waffenstillstand‘, ‚Friedensappell‘ und ‚Frieden‘ als anrüchig gelten, wenn sie im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg gebraucht werden. Es ist fatal, wenn das Werben für eine diplomatische Offensive fast schon als Beihilfe zum Verbrechen bewertet wird. Für Diplomatie zu werben ist keine Parteinahme für Putin, sondern eine Parteinahme für die Vernunft. […] Es ist eine Menschheitserfahrung, dass Frieden gestiftet werden muss. Wo sind die Stifter? Das Stiften beginnt mit Reden; und es darf nicht sein, dass Reden als von vornherein sinnlos erachtet wird. Ist es sinnvoller, den Krieg bis zum Platzen zu füttern?“ [2]
Kollision mit Ansage
Viele der „Stationen“, die in den Krieg geführt haben, sind inzwischen bekannt und ausführlich an anderen Stellen beschrieben worden[3] Aus diesem Grund folgt hier lediglich ein kursorischer Überblick, angefangen mit der „Ursünde“, dem inzwischen gut belegbaren Bruch der Zusagen, die der Sowjetunion bzw. Russland Anfang der 1990er Jahre gemacht worden waren. Damals sicherte nahezu jedes westliche Staatsoberhaupt zu, im Tausch für die NATO-Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands werde es zu keiner weiteren Osterweiterung des Militärbündnisses kommen – dass dies nur mündlich und nicht in Form eines juristisch sattelfesten Dokumentes erfolgte, tut hier für das in der Folge zerschlagene Porzellan kaum etwas zur Sache. Es folgten die erste NATO-Osterweiterung (1999) sowie die – ebenfalls eklatant völkerrechtswidrigen – Angriffskriege der NATO gegen Jugoslawien (1999) und der US-geführten Koalition gegen den Irak (2003). Von russischer Seite stets als „rote Linie“ wurde die zweite NATO-Osterweiterung (2004) bezeichnet, da sie mit den baltischen Staaten auch ehemalige Gliedstaaten der Sowjetunion mit einschloss. Besonders fatal wirkte sich dann die Entscheidung im April 2008 aus, der Ukraine und Georgien eine Beitrittsperspektive in die NATO zu eröffnen. Dies geschah im vollen Wissen, dass eine solche NATO-Mitgliedschaft von Moskau als existenzielle Bedrohung eingestuft wurde. [4]
Einen ersten Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen im Georgien-Krieg (August 2008), als georgische Truppen mit US-Unterstützung die abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien wiedereingliedern wollten. Russland regierte hierauf mit einem massiven Militäreinsatz, der den Status quo wieder herstellte. Besonders die Ukraine entwickelte sich in der Folge dann aber zum zentralen Schauplatz der immer erbitterter geführten Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Westen. Auslöser der nächsten Eskalation waren die Konflikte um die Unterzeichnung eines Assoziationsabkommens zwischen der Ukraine und der Europäischen Union. Weil das Abkommen auf die (periphere) Eingliederung des Landes in die westliche Einflusssphäre abzielte, wurde hierum heftig gestritten. Nachdem der gewählte ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch im November 2013 die Verhandlungen um das Abkommen auf Eis legte, begannen die sogenannten Maidan-Proteste. Ursprünglich durchaus zumindest in Teilen mit nachvollziehbaren Motiven begonnen (zum Beispiel gegen korrupte lokale Eliten), wurden die Proteste schnell von einem Bündnis aus pro-westlichen und faschistischen Akteuren übernommen und mündeten schließlich im Februar 2014 in den Sturz von Janukowitsch, der unter Gewaltandrohung aus dem Land floh. Es bildete sich eine dezidiert pro-westliche Übergangsregierung, die unter anderem die schnellstmögliche NATO-Mitgliedschaft anstrebte und den Pachtvertrag mit der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim kündigen wollte. Weil die Übergangsregierung das erforderliche Quorum im Parlament nicht erreicht hatte, wurde der ganze Vorgang in Russland als Putsch bewertet und mit der Unterstützung pro-russischer Kräfte in der Ostukraine sowie der Absicherung des Referendums auf der Krim beantwortet, die kurz darauf eingegliedert wurde.
Der anschließende Krieg in der Ostukraine endete vorläufig in dem von der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland ausgehandelten Minsker Abkommen vom 12. Februar 2015. Es sah neben einem sofortigen Waffenstillstand unter anderem den Rückzug schwerer Waffen, einen Autonomiestatus für die Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie Wahlen und den Abzug aller ausländischen bewaffneten Einheiten vor. Die Umsetzung des Minsker Abkommens scheiterte in den Folgejahren an der vom Westen zumindest geduldeten Weigerung der ukrainischen Regierung, seine Kernbestandteile umzusetzen. Unterdessen wurde die Ukraine mit westlichen Waffen aufgerüstet, die NATO-Militärpräsenz an Russlands Grenzen ausgebaut und Vorbereitungen für die Stationierung von Mittelstreckenraketen, insbesondere Hyperschallwaffen („Dark Eagle“) nahe Russland aufgenommen, was von Moskau in aller Deutlichkeit als ernste Bedrohung seiner Sicherheit kritisiert wurde. [5]
Trotz des Minsker-Abkommens endeten die Kämpfe in der Ostukraine nie vollständig und bis Februar 2022 fielen ihnen nach Schätzungen der Vereinten Nationen insgesamt etwa 14.000 Menschen zum Opfer.[6] Die Lage spitzte sich weiter zu, nachdem der ukrainische Präsident Dekret Nr. 117 vom 24. März 2021 unterzeichnet hatte, mit dem faktisch eine Rückeroberung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie der Krim anvisiert wurde.[7] Russland wiederum begann, massiv Truppen zusammenzuziehen und übermittelte im Dezember 2021 einen Forderungskatalog, der vom Westen verlangte, keine NATO-Erweiterungen mehr durchzuführen, die militärische Infrastruktur auf den Stand von 1997 (dem Abschluss der NATO-Russland-Akte) zurückzufahren und von der Stationierung von Angriffswaffensystemen in russischer Grenznähe abzusehen. Obwohl Moskau deutlich mit militärischen Konsequenzen drohte, existierte auf westlicher Seite keinerlei ernsthafte Bereitschaft, über einen oder gar mehrere dieser Punkte zu verhandeln. Es folgte am 21. Februar 2022 die Rede Putins zur Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk und am 24. Februar 2022 begann der russische Angriff auf die Ukraine.
Diese „kurze“ Auflistung an westlichen Schritten, die mit zu dieser Katastrophe beigetragen haben, beansprucht keineswegs auch nur ansatzweise Anspruch auf Vollständigkeit – sie sollte aber zeigen, dass auch hier ein Teil der Verantwortung für diesen Krieg zu suchen ist. Und auch wenn sich hierdurch das durch den russischen Angriff verursachte Leid in keiner Weise entschuldigen lässt, so muss der Westen sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht mit seiner Politik massiv zu dem abgrundtiefen Misstrauen beigetragen hat, das schließlich mitentscheidend für die russische Kriegsentscheidung gewesen sein dürfte. Die Verbitterung jedenfalls, mit der Wladimir Putin in seiner Rede zur Anerkennung der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk über den Westen sprach, hätte zum Nachdenken zwingen sollen, ja müssen: „Nachdem die USA den INF-Vertrag gekündigt haben, hat das Pentagon offen zahlreiche landgestützte Angriffswaffen entwickelt, darunter ballistische Raketen, die Ziele in einer Entfernung von bis zu 5.500 km treffen können. Wenn solche Systeme in der Ukraine stationiert werden, können sie Ziele im gesamten europäischen Teil Russlands erreichen. Die Flugzeit von Tomahawk-Marschflugkörpern nach Moskau wird weniger als 35 Minuten betragen; ballistische Raketen aus Charkow benötigen sieben bis acht Minuten und Hyperschall-Angriffswaffen vier bis fünf Minuten. Das ist wie ein Messer an der Kehle. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie hoffen, diese Pläne zu verwirklichen, wie sie es in der Vergangenheit schon oft getan haben, indem sie die Nato nach Osten ausdehnten, ihre militärische Infrastruktur an die russischen Grenzen verlegten und unsere Bedenken, Proteste und Warnungen völlig ignorierten. Verzeihen Sie mir das so zu sagen, aber sie haben sich einfach nicht für derlei Belange interessiert und getan, was sie für notwendig hielten.“ [8]
Augenscheinlich sah und sieht sich Russland angesichts dieser Entwicklungen fundamental bedroht – man muss diese Einschätzungen im Übrigen überhaupt nicht teilen und hätte den russischen Bedenken dennoch entgegenkommen können, Möglichkeiten gab es hierzu sowohl vor als auch nach dem Kriegsausbruch mehr als genug.
Torpedo gegen die Istanbul-Verhandlungen
Immer wieder ist zu hören, Moskau (oder meist „Putin“) sei nicht zu Verhandlungen bereit, man könne sich also jeden Versuch in diese Richtung schenken. Dies ist zumindest für die Frühphase des Krieges definitiv falsch, schließlich handelten russische und ukrainische Vertreter*innen ein Dokument aus, das Ende März 2022 unterschriftsreif vorgelegen hatte. Kernpunkte dieser Istanbul-Verhandlungen waren ein sofortiger Waffenstillstand, die Neutralität der Ukraine (mit Garantiestaaten) sowie die Ausklammerung der offenen Fragen um Teile des Donbas sowie der Krim, verbunden mit der Vereinbarung eine nicht-militärische Lösung innerhalb der nächsten 15 Jahre anzustreben. [9]
Damit war ein Weg aus diesem Krieg vorhanden, was dann im Detail geschah, ist bis heute unklar. Mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass der Westen der ukrainischen Regierung unmissverständlich nahelegte, diese Verhandlungslösung abzulehnen – verknüpft mit Zusagen für Waffenlieferungen, um den Kampf gegen Russland „erfolgreich“ fortsetzen zu können. Schon am 5. April 2022 berichtete die Washington Post, diverse NATO-Staaten würden eine Fortsetzung der Kampfhandlungen befürworten: „Das führt zu einer unangenehmen Realität: Einige in der NATO halten es für besser, wenn die Ukrainer weiter kämpfen und sterben, als dass ein Friede herauskommt, der zu früh und mit zu hohen Kosten für Kiew und den Rest Europas verbunden ist.“ [10]
Eine entscheidende Rolle spielte dabei wohl der damalige britische Premier Boris Johnson, auch wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass er nicht ohne Rückendeckung aus Washington agierte. Er soll laut Guardian Anfang April 2022 zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski gefahren sein und von ihm verlangt haben, „keine Zugeständnisse an Putin zu machen“.[11] Auch der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur und Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Harald Kujat, bestätigt dies: „Russland hatte sich in den Istanbul-Verhandlungen offensichtlich dazu bereit erklärt, seine Streitkräfte auf den Stand vom 23. Februar zurückzuziehen, also vor Beginn des Angriffs auf die Ukraine. […] Nach zuverlässigen Informationen hat der damalige britische Premierminister Boris Johnson am 9. April in Kiew interveniert und eine Unterzeichnung verhindert. Seine Begründung war, der Westen sei für ein Kriegsende nicht bereit.“ [12]
Diese Angaben werden inzwischen auch durch Aussagen des damaligen israelischen Premiers Naftali Bennett betätigt, der im Februar 2023 folgendermaßen zitiert wurde: „Ein Waffenstillstand sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit. Doch vor allem Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt. […] Auf die Frage, ob die westlichen Verbündeten die Initiative letztlich blockiert hätten, antwortete Bennett: ‚Im Grunde genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten unrecht.‘ Sein Fazit: ‚Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten.‘“ [13]
Waffen – Waffen – Waffen!
Sicher spielen Aspekte wie die Sanktionen und anderes ebenfalls eine wichtige Rolle, entscheidend ist und bleibt jedoch die Frage der westlichen Waffenlieferungen. Dabei sind die USA weiterhin der zentrale Akteur, die bis Anfang Februar 2023 Waffen im Wert von rund 30 Mrd. Dollar in die Ukraine gepumpt haben. In der EU ist Deutschland Spitzenreiter, nach den jüngsten Zusagen beim Ramstein-Treffen Ende Januar 2023 summieren sich seine Beiträge auf 3,4 Mrd. Euro. Bezahlt werden die deutschen Waffenlieferungen nicht aus dem Verteidigungshaushalt, sondern aus dem Allgemeinen Haushalt. Außerdem gibt es ein EU-Budget für Waffenlieferungen, in das Deutschland 25 Prozent einzahlt. Der Name dieses Budgets ist mehr als zynisch: „Europäische Friedensfazilität“. Bis Februar 2023 wurden über die Friedensfazilität 3,6 Mrd. Euro für Waffen an die Ukraine bezahlt.
Doch nicht nur die Beträge, auch die Feuerkraft der gelieferten Waffen nimmt ständig zu – man kann förmlich zusehen, wie die Eskalationsleiter immer weiter hochgeklettert wird: Erst waren es Helme, dann Panzerhaubitzen, dann Flakpanzer (Gepard), anschließend Schützenpanzer (Marder) und Ende Januar 2023 wurde dann auch noch grünes Licht für die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern gegeben. Und kaum ist eine rote Linie überschritten, wird gleich die nächste ins Visier genommen, wenn nun etwa zum Beispiel von Christoph Heusgen, dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, auch die Lieferung von Kampfflugzeugen gefordert wird. [14]
Selbst ein gestandener Hardliner wie Markus Kaim von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ kritisierte unlängst, die „Politik“ drohe jedes „Maß und Mitte zu verlieren“, sie laufe Gefahr zur „Getriebenen“ derjenigen zu werden, die am lautesten nach immer mehr Waffen schreien würden: „Die Ukraine solle das erhalten, was für das Selbstverteidigungsrecht wichtig sei. Angesichts dieser dürftigen Begründung für deutsche Waffenlieferungen stockt einem fast der Atem: Mit einem derartigen Freibrief ließe sich auch die Lieferung taktischer Nuklearwaffen an die ukrainischen Streitkräfte rechtfertigen.“ [15]
Raus aus der Eskalationslogik!
Eine ganze Reihe von Gründen spricht gegen die Waffenlieferung, am prominentesten wird dabei auch aus Ecken, die der Friedensbewegung gänzlich fern stehen, die Gefahr einer Eskalation hin zu einem westlich-russischen Krieg benannt. Seit Mai 2022 werden in Deutschland ukrainische Soldaten für die Panzerhaubitzen 2000 ausgebildet, seit Ende Januar 2023 wird hierzulande an den Marder-Schützenpanzern trainiert, einen Monat später folgte die Ausbildung den Leopard-2-Kampfpanzern. Das ist brandgefährlich: Erinnert sei hier nur an das im Mai 2022 erschienene Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, die Lieferung von Kriegsgerät sei noch nicht als Kriegsbeteiligung zu werten, die Ausbildung ukrainischer Soldaten an diesen Geräten hingegen schon. [16]
Das ist aber nur ein Grund gegen diese Waffenlieferungen. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, was mit ihnen bezweckt werden soll: Wie gesagt, Ende März 2022 standen die Ukraine und Russland kurz vor einer Verhandlungslösung, die dann aber vom Westen torpediert wurde. Und es war genau zu diesem Zeitpunkt, als Umfang und Feuerkraft der westlichen Waffenlieferungen enorm zunahmen. Das war nichts anderes als die klare Botschaft an die Adresse der Ukraine, den Krieg fortzusetzen. Doch mit welchem Ziel? Oft ist zu hören, die Ukraine müsse den Krieg gewinnen – aber was heißt das und vor allem: ist das realistisch?
Das ist nicht der Fall, zumindest wenn man jemandem Glauben schenkt, der es wissen sollte: US-Generalstabschef Mark Milley. Er schaltete sich bereits im November 2022 mit dem Argument in die Debatte ein, die Ukraine habe mit dem russischen Rückzug aus Cherson das Maximum des Möglichen erreicht, ein Sieg über Russland auf dem Schlachtfeld sei unmöglich, es sei deshalb nun wichtig, sofortige Verhandlungen aufzunehmen. [17] Stattdessen werden nun also (nicht nur) deutsche Kampfpanzer geliefert, deren einziger Zweck darin besteht, eine ukrainische Offensive zu unterstützen, die nach Meinung von immer mehr Expert*innen keine Entscheidung auf dem Schlachtfeld wird herbeiführen können.
Gleichzeitig werden Verhandlungen weiter nahezu kategorisch abgelehnt – wenn aber Waffen im vollen Wissen geliefert werden, dass sie nur zu einem Abnutzungskrieg und weiteren Todesopfern führen, dann ist wohl genau das das zynische Ziel des Unterfangens. Ungeschminkt beschreibt einer der renommiertesten US-Politikwissenschaftler, John Mearsheimer, dieses Kalkül mit folgenden Worten: „Wir haben beschlossen, dass wir Russland in der Ukraine besiegen werden. […] Man könnte argumentieren, dass der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten, bereit sind, diesen Krieg bis zum letzten Ukrainer zu führen. Und das Endergebnis ist dann, dass die Ukraine tatsächlich als Land zerstört wird. […] Tatsache ist, dass die Vereinigten Staaten den Ukrainern nicht erlauben werden, einen Deal abzuschließen, den die Vereinigten Staaten für inakzeptabel halten.“ [18]
In den USA mehren sich die Stimmen, die Verhandlungen fordern und auch die nicht enden wollenden westlichen Waffenlieferungen in Frage stellen. Es steht zu hoffen, dass auch hierzulande immer mehr Menschen die Sackgasse erkennen, in die hier derzeit mit Höchstgeschwindigkeit gefahren wird. Abschließend dazu noch einmal Ex-Brigadegeneral Erich Vad: „Man kann die Russen weiter abnutzen, was wiederum Hundertausende Tote bedeutet, aber auf beiden Seiten. Und es bedeutet die weitere Zerstörung der Ukraine. […] Es muss sich in Washington eine breitere Front für Frieden aufbauen. Und dieser sinnfreie Aktionismus in der deutschen Politik, der muss endlich ein Ende finden. Sonst wachen wir eines Morgens auf und sind mittendrin im Dritten Weltkrieg.“ [19]
Anmerkungen
[1] Ross, Annika: Erich Vad: Was sind die Kriegsziele?, Emma, 12.01.2023.
[2] Prantl, Heribert: Krieg in der Ukraine – Zeitenwende oder Zeitenende? NDR, 09.10.2022.
[3] Siehe zum folgenden ausführlich mit Quellen bspws. Wagner, Jürgen: Der NATO-Prolog des Ukraine-Krieges, IMI-Analyse 2022/06.
[4] Wie sich bspws. anhand von bei Wikileaks veröffentlichten Depeschen des damaligen US-Botschafters in Russland, William Burns, nachweisen lässt. Siehe Scheben, Helmut: Ukraine: Der Russe ist an allem schuld, infosperber.ch, 08.09.2014.
[5] Die russischen Sorge vor US-Mittelstreckenraketen ist bis heute sicher eine der zu wenig beachteten Triebkräfte im Hintergrund der gesamten Konfliktkonstellation. Siehe z.B. Wernicke, Jens: Dark Eagle – ein Déjà-vu mit Pershing-2, Redebeitrag zum Friedensratschlag in Kassel, 10.12.2022.
[6] Conflict-related civilian casualties in Ukraine, UNHCR (PDF-Download), 27.01.2022.
[7] Nato und Ukraine: „Wir bleiben wachsam“, Berliner Zeitung, 06.04.2021.
[8] Putins Ukraine-Rede im Wortlaut, Spiegel Online, 23.02.2022.
[9] Waffenstillstand und Frieden für die Ukraine, IPPNW (PDF-Download), 15.11.2022.
[10] Birnbaum, Michael, Ryan, Miss: NATO says Ukraine to decide on peace deal with Russia — within limits, Washington Post, 05.04.2022.
[11] Siehe IPPNW (PDF-Download), 15.11.2022.
[12] Ukrainekonflikt: «Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die abgebrochenen Verhandlungen wieder aufzunehmen» Interview mit General a. D. Harald Kujat, zeitgeschehen-im-fokus.ch, 18.01.2023.
[13] Scheidler, Fabian: Naftali Bennett wollte den Frieden zwischen Ukraine und Russland: Wer hat blockiert? Berliner Zeitung, 06.02.2023.
[14] Heusgen befürwortet Lieferung von Kampfjets an die Ukraine, Deutschlandfunk, 29.01.2023.
[15] Kaim, Markus: Warum nicht gleich Nuklearwaffen? Spiegel Online, 19.01.2023.
[16] Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme, Sachstand (PDF-Download), 16.03.2022.
[17] Baker, Peter: Top U.S. General Urges Diplomacy in Ukraine While Biden Advisers Resist, New York Times, 10.11.2022.
[18] Kolenda, Klaus-Dieter: „… im Grunde ein Krieg zwischen den USA und Russland“, Telepolis, 26.04.2022; siehe auch ganz ähnlich die Aussagen von Ex-Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat: „Die Ukraine kämpft um ihre Freiheit, um ihre Souveränität und um die territoriale Integrität des Landes. Aber die beiden Hauptakteure in diesem Krieg sind Russland und die USA. Die Ukraine kämpft auch für die geopolitischen Interessen der USA. Denn deren erklärtes Ziel ist es, Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden können, der als einziger in der Lage ist, ihre Vormachtstellung als Weltmacht zu gefährden: China.“ (Interview mit General a. D. Harald Kujat, zeitgeschehen-im-fokus.ch, 18.01.2023)
[19] Ross 2023.
Text: Jürgen Wagner. Sein Beitrag erschien zuerst auf: www.imi-online.de
Symbolbilder: Pixabay
Hendrik Riemer hat völlig recht. Der Ukraine-Konflikt ist nichts anderes als eine Neuauflage der Kuba-Krise – mit vertauschten Rollen. Und die Gefahr, dass der Krieg dort außer Kontrolle gerät, ist mindestens so groß wie damals, wenn nicht sogar noch größer, bedenkt man, dass mittlerweile die gesamte NATO auf die eine oder andere Art und Weise involviert ist. Es gab im Kalten Krieg mehrere Fälle, in denen lediglich ein Computerfehler beinahe zur globalen Katastrophe geführt hätte – und in diesem Zusammenhang ist es extrem beunruhigend, dass momentan immer weiter fleißig an der Eskalationsspirale gedreht wird (durchaus von beiden Seiten). Umso wichtiger wäre da das Entstehen einer neuen Friedensbewegung – aber kaum regen sich da die ersten zarten Pflänzchen, werden sie mit geballter Mediengewalt wieder zurück in den Boden gerammt. Und dann die Umkehrung aller Werte und Begriffe! „Links“ ist offenbar heute jemand, der dafür ist, dass Leos durch die Ukraine rollen, „rechts“ ist jemand, der für einen Verständigungsfrieden eintritt. Sorry, das ist Orwell pur: Krieg ist Frieden, Frieden ist Krieg, Freiheit ist Sklaverei, Sklaverei ist Freiheit…
Wem Strack-Zimmermann, Hofreiter Toni, Kiesewetter usw. oder der mediale Einheitsbrei und das Gejammer vom schlechten Gewissen geplagter ehemaliger Kriegsdienstverweigerer, grünen Ex-Maoisten und Leuten, die es zutiefst bedauern, einmal auf der richtigen Seite der Geschichte (SPD-Ostpolitik, Friedensbewegung etc.) gestanden zu haben, auf die Nerven geht hat hier alternativen Lesestoff
Zur Diskussionskultur (beschreibt auch die Situation auf seemoz)
https://www.telepolis.de/features/Krieg-und-Debattenkultur-Ist-es-Einfalt-oder-Angst-7545843.html
Einer der letzten Beiträge der gerade verstorbenen Antje Vollmer. Wieder eine „fussnotentaugliche Geistesgröße“ weniger. Die Grünen sollen sich Ihre Krokodilstränen sparen. Der Nachruf von Trittin auf Ströbele war schon eine unsägliche Heuchelei.
https://www.telepolis.de/features/Fuer-mich-hat-der-Krieg-in-den-Koepfen-spaetestens-2008-und-erst-recht-2014-begonnen-7340931.html
und https://www.telepolis.de/features/Jetzt-hilft-nur-noch-die-Weisheit-des-westfaelischen-Friedens-7341601.html
Verhunzter Antifaschismus (Baerbock: «wir sind im Krieg mit Russland» ist ganz stolz, dass ihr Opa im Winter 1945 an der Oder auf der richtigen Seite gegen die Russen gekämpft hat). Vollmer über Baerbock: „die schrillste Trompete der neuen Nato-Strategie“
https://www.telepolis.de/features/Ein-Antifaschismus-der-die-deutsche-Geschichte-entsorgt-7539350.html
Umbenennungen von Strassen und Plätzen in der Ukraine. Wie wärs mit einem Melnyk/Bandera-Platz in Konstanz?
https://www.nachdenkseiten.de/?p=94946
Die lieben Amis
https://www.telepolis.de/features/Die-Angst-der-Medien-vor-der-Wahrheit-7548635.html?seite=all
„Was ich noch zu sagen hätte“ aus Antje Vollmers Vermächtnis einer Pazifistin:
„..Für die Deutung historischer Ereignisse ist es immer entscheidend, mit welchen Aspekten man beginnt, eine Geschichte zu erzählen.
Russlands große Vorleistung des Gewaltverzichts
Ich widerspreche der heute üblichen These, 1989 habe es eine etablierte europäische Friedensordnung gegeben, die dann Schritt um Schritt einseitig von Seiten Russlands unter dem Diktat des KGB-Agenten Putin zerstört worden sei, bis es schließlich zum Ausbruch des Ukrainekrieges kam.
Das ist nicht richtig. Richtig ist: 1989 ist eine Ordnung zerbrochen, die man korrekter als „Pax atomica“ bezeichnet hat, ohne dass eine neue Friedensordnung an ihre Stelle trat. Diese zu schaffen, wäre die Aufgabe der Stunde gewesen. Aber die visionäre Phantasie Europas und des Westens in der Wendezeit reichte nicht aus, um sich das haltbare Konzept einer stabilen europäischen Friedensordnung auszudenken, das allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion einen Platz verlässlicher Sicherheit und Zukunftshoffnungen anzubieten vermocht hätte.
Zwei Gründe sind dafür entscheidend. Beide haben mit alten europäischen Irrtümern zu tun: Zum einen wurde der umfassende wirtschaftliche und politisch Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 einseitig als triumphaler Sieg des Westens im Systemkonflikt zwischen Ost und West interpretiert, der damit endgültig die historische Niederlage des Ostens besiegelte. Dieser Hang, sich zum Sieger zu erklären, ist eine alte westliche Hybris und seit jeher Grund für viele Demütigungen, die das ungleiche Verhältnis zum Osten prägen.
Die Unfähigkeit, nach so umfassenden Umbrüchen andere gleichberechtigte Lösungen zu suchen, hat in dieser fatalen Überheblichkeit ihre Hauptursache. Vor allem aber wurde so das ungeheure und einzigartige Verdienst der sowjetischen Führung unter Michail Gorbatschow mit einer verblüffenden Ignoranz als gerngesehenes Geschenk der Geschichte eingeordnet: Die große Vorleistung des Gewaltverzichts in der Reaktion auf das Freiheitsbestreben der Völker des Ostblocks galt als nahezu selbstverständlich…“
Antje Vollmer ist am 16. März 2023, verstorben. Vollmer war Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und hat als Erstunterzeichnerin das Friedensmanifest von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer unterzeichnet. Vollmer galt als Pazifistin und war Gegnerin des Kosovo- , Irak- und Afghanistan-Krieges. Als Autorin hat sie sich intensiv mit den Akteuren des 20. Juli 1944 und dem antifaschistischen Widerstand beschäftigt. Vollmer hat einen Text verfasst, den sie als politisches Vermächtnis in der Berliner Zeitung veröffentlichen wollte. Vollmer wurde 79 Jahre alt.
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/ein-jahr-ukraine-krieg-kritik-an-gruenen-antje-vollmers-vermaechtnis-einer-pazifistin-was-ich-noch-zu-sagen-haette-li.320443
(Im Original leider mit viel Werbung zwischen dem Text)
Guten Tag zusammen,
gerne möchte ich in dieser Runde meine Anmerkungen zu diesem Artikel einbringen.
Allgemein finde ich die Darstellung im Abschnitt „Kollision mit Ansage“, gerade was die beschriebene „Ursünde“ Anbelangt, sehr verkürzt und revisionistisch.
Es wird kein Wort über die KSZE-Schlussakte, den NATO-Russland-Rat oder die NATO-Russland Grundakte verloren.
Selbst Gorbatschow persönlich erklärte das die Sowjetuniton bei den 2+4 Verträgen nicht betrogen wurde. Die Aussagen Bakers wurden bereits zwei Tage später von der US-Regierung zurückgewiesen. Der Sowjetunion war daher die Position der USA bewusst.
Auch die Aussage des Vertrauten des deutschen Außenministers Genscher, Jürgen Chorbogs, fielen nicht im Rahmen der Verhandlungen, sondern neben den Verhandlungen. Der Sowjetunion war auch klar, dass ein Berater des Außenministers nicht mit Prokura für die Bundesregierung spricht.
Genscher selbst hatte sich zwar Anfang 90 gegen eine Osterweiterung ausgesprochen. Dieser wurde aber vom Verteidigungsminister widersprochen. Es gab also keine klare Linie der deutschen Bundesregierung.
In den 2+4 Verhandlungen wurde auch nicht über andere osteuropäische Staaten gesprochen. Aus dem einfachen Grund, dass viele der Staaten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierten. Das Baltikum und die Ukraine z.B. waren noch Sowjetrepubliken.
Lediglich Polen wurde in den Verhandlungen angehört. Aber nur zur endgültigen Grenzziehung zwischen Polen und Deutschland.
Die ursprüngliche Position der Sowjetunion war nur gegen eine NATO Mitgliedschaft des vereinigten Deutschlands gerichtet. Gorbatschow selbst sagte das sich die Frage einer Osterweiterung nicht gestellt habe, da zu diesem Zeitpunkt der Warschauer Pakt noch bestand.
Schlussendlich beugte sich die Sowjetunion aber der KSZE-Grundakte, die jedem Land eine freie Bündniswahl zugesteht und von der Sowjetunion unterzeichnet wurde. Zumal die Initiative, welche zur KSZE-Grundakte führt, damals von den Staaten des Warschauer Pakts ausging.
Die NATO-Osterweiterungen fielen auch nicht vom Himmel. Dem voraus ging 94 der Beitritt Russlands zum „Partnerschaft für den Frieden“ Bündnis der NATO. 1997 wurde die NATO-Russland-Grundakte unterzeichnet. Welche einen Ausgleich der sicherheitspolitischen Interessen der jeweiligen Parteien festlegte.
Erst 99 erfolgte die erste NATO-Osterweiterung auf dieser Grundlage und in Übereinstimmung mit dem in der KSZE-Grundlage festgelegten Rechts der freien Bündniswahl jedes Staats.
2001 wurde eine Ständige Vertretung Russlands im NATO Hauptquartier eröffnet um sich Sicherheitspolitisch noch enger abzustimmen.
Dies wäre sicherlich nicht der Fall gewesen wenn Russland ein generelles Problem mit der NATO-Osterweiterung gehabt hätte.
Die Beziehungen verschlechterten sich erst, als Bush 2008 Georgien und Ukraine eine Beitrittsperspektive eröffnete. Die von Frankreich und Deutschland allerdings abgelehnt wurde. Da die NATO auf dem Einstimmigkeitsprinzip beruht war diese Thema aber schnell vom Tisch.
Die Frage aber bleibt, weshalb sollten Georgien und Ukraine nicht die selben Rechte aus der NATO-Russland- und KSZE-Grundakte erhalten wie z.B. die baltischen Länder?
Sicherlich nutzte Putin damals dies auch als Vorwand um innerpolitisch einen äußeren Feind zu generieren.
Soviel zu meinen Anmerkungen.
Jürgen Wagner hat seinen Text mit folgendem Satz eingeleitet: „Ohne Zweifel handelt es sich bei dem russischen Angriff auf die Ukraine um einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Russland trägt demzufolge einen Großteil der Schuld an der katastrophalen Situation.“
Klarer kann man die Schuldfrage doch wohl kaum ausdrücken, es sei denn, man stört sich an dem Begriff „Großteil“, weil man der Meinung ist, dass die ganze Schuld ausschließlich bei Russland bzw. Putin liegt.
Dann ist die Frage nach den Hintergründen oder der Vorgeschichte natürlich obsolet – und wie es scheint nicht nur das, sondern für manche Kommentatoren geradezu ein Tabu. Anders lässt sich die Empörung in einigen Kommentaren nicht erklären. Mitunter besteht sogar Unverständnis, dass diese „gefährliche“ Meinung „bei seemoz.de gepostet werden darf.“ Schon der Hinweis auf die Vorgeschichte „disqualifiziert“ den Autor in den Augen eines anderen Kommentators. Der Aggressor werde „kaum erwähnt“, es finde eine „Täter-Opfer-Relativierung“ statt oder es handle sich bei dem Text lediglich um „antiamerikanische Platitüden“.
Da wird eloquent und zugleich polemisch davon fabuliert, dass „die Freiheit letztlich NICHT nur mit einem Glas toscanischen Rotwein in der Hand in einer anregenden Diskussionsrunde mit netten Wortgirlanden und Verweisen auf Precht, Welzer, Habermas oder sonstigen fussnotentauglichen Geistesgrößen verteidigt werden kann“, weil die Welt seit dem russischen Einmarsch „plötzlich eine andere“ sei…..Allerdings: Nicht mal dann, wenn man Europa für „die Welt“ hält, stimmt diese Aussage (Georgien, Aserbaidschan, Tschetschenien, Jugoslawien – in diesen Gebieten fanden zwischen 1990 und 2020 kriegerische Konflikte mit Tausenden Toten statt. Und selbst in der Ukraine herrscht Krieg seit 2014, ohne dass sich unsere „Welt“ davon beeindrucken ließ)….Auch der immer mal wieder herangezogene Vergleich mit einer Gerichtsverhandlung bzw. einem Staatsanwaltsplädoyer hinkt, denn in einem Strafverfahren beschäftigen sich Staatsanwälte und Richter durchaus mit der Vorgeschichte und den Motiven des Täters, die zu der angeklagten Straftat geführt haben – und die ggfs. in die Bewertung der Schuld miteinfließen.
Jürgen Wagner hat den Konflikt, seine Vorgeschichte und seine Risiken sehr umfassend, jedoch in der gebotenen Kürze dargestellt und seine persönliche Kritik an den Waffenlieferungen sachlich begründet.
Es ist daher unverständlich, dass keine sachliche Auseinandersetzung mit konkreten Aussagen im Text stattfindet und der Beitrag überwiegend pauschal und zuweilen polemisch kommentiert wird.
Bei aller Anteilnahme für die Ukraine und dem Wunsch dieser bedingungslos beizustehen, sollten wir als Deutsche uns immer vergegenwärtigen, dass wir Waffen in einen Krieg liefern, in dem täglich rund 1.000 russische und ukrainische Soldaten und eine unbekannte Zahl Zivilisten auf schrecklichste Art und Weise sterben. Diese große Zahl läuft immer Gefahr, bloße Statistik zu sein, da sie das menschliche Mitgefühl bzw. Mitleid überfordert, zumal wir das Leid der Toten und Verkrüppelten nicht zu Gesicht bekommen. Auch Soldaten sind Menschen, haben Mütter und Väter, Ehefrauen, Ehemänner und Kinder, die um sie trauern…
Deshalb bin ich der Auffassung, dass wer Waffen in das Kriegsgebiet Ukraine liefert, eine große Verantwortung auf sich lädt und eine Verpflichtung hat, ALLES zu unternehmen, Friedensverhandlungen eingeschlossen, um diesen Krieg möglichst bald und friedlich zu beenden. Niemand behauptet, dass das einfach ist, aber zu behaupten, dass es unmöglich sei, ist angesichts der Katastrophe dieses Krieges geradezu perfide.
Bringt vielleicht nichts, hier jetzt weiter zu diskutieren. Ich versichere hiermit, dass ich seemoz nicht lese, um mich aufzuregen. Unabhängig von teilweise unterschiedlichen Sichtweisen, es interessiert mich und ich schätze es sehr. Seinerzeit, vor über 30 Jahren, haben wir in unserem damaligen Geschäft das Nebelhorn, den Vorläufer von seemoz, unter die Leute gebracht. Klar ist, ich hatte das damals gelesen und ich lese heute seemoz. Gut, dass es euch gibt. Klicks sind und bleiben ein Argument im Internetzeitalter, das gilt in sozialen Netzwerken, genau wie hier in bescheidenerem Ausmaß. Auch wenn die publizierten Texte bisher einseitig sind, berichtet und bewerbt ihr ukrainische Kulturveranstaltungen. Vielleicht werden wir irgendwann mal auch einen Text zu lesen bekommen, der fundierte Kritik ohne Opfer-Täter-Umkehr leistet. Es ist im Land fast so wie in den Kommentarspalten hier, je kontroverser, um so besser. Nur bringt das leider keinen Schritt weiter.
@Michael Maier
Ich versuche in meinen Kommentaren weder Sie, noch irgendjemand anderen persönlich anzugehen, sondern mich mit Ihren Positionen auseinanderzusetzen. Vielleicht gelingt mir dies nicht hinreichend und Sie fühlen sich persönlich angegriffen. Das ist nicht meine Absicht. Ich bin sogar der Ansicht, dass Sie Ihre Meinung äußern sollen und dürfen, und würde Sie sogar in Schutz nehmen, wenn man Ihnen dies verwehren wollte („Ihr gutes Recht“).
Ich finde es überaus betrüblich, dass Sie in Ihrem „Gegenkommentar“ persönlich werden.
@Dr. Peter Krause: PS2: ich habs übrigens noch immer nicht begriffen warum es plötzlich eine neue Welt sein soll, dafür kenne ich wahrscheinlich zuviele Irakis, Afghanen, Nordafrikaner und ihre Geschichten persönlich…
@Dr. Peter Krause. Bingo ohne Sie wären weder die anderen Mitleser, noch ich selbst drauf gekommen, dass ich ein lupenreiner Antiamerikaner bin – beeinflusst von William Blum, Noam Chomsky, Oliver Stone und vielen anderen unpatriotischen Staatsfeinden. Eine subversive Gefahr für unser friedliches demokratisches Zusammenleben.
Faschistoides Putin Regime, warum nicht gleich der Hitlervergleich? Ich will nichts relativieren oder gar gleichsetzen, in Russland gibt es sicher einige hundert politische Gefangene. Auch wenn es demokratische Wahlen waren, so ist Russland nach unserem Verständnis sicher keine lupenreine Demokratie. Aber fragen Sie mal Herrn Ballweg, Herrn Janich, Herrn Schwab oder Frau Guérot was die vom Zustand unserer eigenen Demokratie halten. Erinnern Sie sich noch wie ihr Arbeitgeber mit dem leider verstorbenen Professor Georg Lind umgegangen ist? Scheint von seinen Kollegen damals niemanden gestört zu haben- oder hat sich niemand getraut ihm beizustehen? 1984 und die schöne neue Welt. Ja es ist mein/ unser gutes Recht eine Meinung zu haben aber bitteschön dann sucht Euch einen anderen Job, denn solche Soldaten, Polizisten, Richter, Hochschullehrer, Ärzte, Lehrer, Sozialarbeiter und Krankenpfleger wollen und brauchen wir nicht. Keine Sorge Herr Krause, Sie stehen mit beiden Beinen so auf unserem Grundgesetz, ihr Job wird nie in Gefahr sein.
Ich versuche Ihre Überzeugungen zu verstehen, aber dann müssen Sie mir auch Antwort geben und ein profanes nein ist nun mal keine Erklärung. Wie ist das also mit Stalin, dem Einmarsch der Wehrmacht usw. Wer trägt die Schuld für die Kriegsverbrechen im WW2? Und wenn Ihrer Meinung nach nicht nur Hitler die Schuld trägt weil er den Krieg began, warum ist das dann Ihrer Meinung in der Ukraine heute anders?
PS: Killing Hope von William Blum war übrigens vor vielen vielen Jahren mein Einstieg in den Antiamerikanismus. Vielleicht sollten Sie darauf achten, dass es aus den Konstanzer Bibliotheken entfernt wird;-)
@Michael Maier
Sie behaupten in ihen Kommentaren immer wieder, dass in der „westlichen“ Publizistik und Öffentlichkeit die Politik der USA oder anderer westlicher Staaten nicht hinreichend genug krtisch betrachtet und bewertet wird und wurde.
Ich teile Ihre Ansicht nicht.
Es gibt ganze Bibliotheken / Mediatheken voll mit sehr sehr kritischen Berichten und Studien, Filmen und Reportagen über die Politik der USA, der NATO, „des Westens“. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass es bis zum Einmarsch der russischen Truppen in die Ostukraine insbesondere in großen Teilen der deutschen Presselandschaft und auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eher zum guten Ton gehört hat, den USA grundsätzlich zu misstrauen – egal was die USA tun oder nicht. Ich würde sogar sagen, es gibt weit weniger Bücher/Texte/Reportagen, die die Politik der USA / „des Westens“ positiv bewerten, als es kritische Texte gibt.
Nun ist die Welt „plötzlich“ eine andere und auch unter den (west)deutschen „Intellektuellen“ und Autoren haben einige begriffen, dass die Freiheit letztlich NICHT nur mit einem Glas toscanischen Rotwein in der Hand in einer anregenden Diskussionsrunde mit netten Wortgirlanden und Verweisen auf Precht, Welzer, Habermas oder sonstigen fussnotentauglichen Geistesgrößen verteidigt werden kann. Und der eine oder andere ist inzwischen vielleicht ganz froh darüber, dass die USA und „der Westen“ die Ukraine unterstützt und sich dem Großmachtstreben des faschistoiden Putin-Regimes entgegenstellt.
Sie sehen dies sicher anders. Das ist Ihr gutes Recht. Auch dafür steht „der Westen“.
@Christina Herbert- Fischer. Mir ist durchaus bewusst, dass die Story von Hersh noch lange kein Beweis ist und wie auch die Bootstour des ukrainischen Tauchsportvereins erst mal eine Geschichte ist. Dies gleichwertig zu behandeln erscheint mir jedoch nicht angemessen. Da wäre z.B. noch die Ankündgung von Sleepy Joe, die Danksagung aus Polen usw.
Sie nutzen den Terminus Sabotageakt. Das ist gewollt oder nicht ein Frame. Völkerrechtlich war das m.E. ein klarer Kriegsakt gegen Deutschland und Europa der jede weitere diplomatische Beziehung unmittelbar in Frage stellt, unabhängig davon wer es am Ende war. Daher hätte es so schnell wie irgend möglich aufgeklärt werden müssen. Diesen Eindruck habe ich nicht. Die Bemühungen der Bundesregierung deuten eher auf einen Umgang wie bei Rammstein und den Dronenmorden. Wenn die USA sagen sie waren es nicht, dann wird es so sein. Und wie sie vollkommen richtig angemerkt haben, der deutsche Blätterwald ist mehr damit beschäftigt die Hersh Story zu entkräften als selbst aufzuklären oder Aufklärung einzufordern. Das ist auch leicht nachvollziehbar weil offensichtlich einige die hier schreiben Northstream am Liebsten selbst ausgeknipst hätten wie z.B. Kersten Augustin, stellvertretender Ressortleiter der wochentaz.
https://taz.de/Anschlag-auf-Nord-Stream-Pipelines/!5918517/
Insofern gehe ich davon aus, sollte irgendwann bewiesen werden dass doch die US Administration dahinter steckt, wird man verzeihen wie damals beim Abhörskandal – war ja nur ein Sabotageakt.
PS: Unabhängig von der politischen Dimension hätte uns billiges russisches Gas bei der Transformation m.E. schneller geholfen als teures LNG aber so ist das nunmal. Nun verschwindet das Geld das wir bräuchten in arabischen und amerikanischen Taschen. Aber das sind wenigsten moralisch unfehlbare Energiepartner die im Irak, in Afghanistan, im Jemen immer auf der Seite der Freiheit gestanden sind!
Nein ich möchte den Angriff Russlands nicht legitimieren. Aber ein Teil der Wahrheit ist auch, wie gleichgültig der ach so moralische Westen die zahlreichen illegalen Kriege der USA gebilligt hat, bis heute. Putin dachte sich vielleicht auch, wenn die das ungestraft dürfen, dann kann ich das auch – da war er leider lernfähig. Und wenn hier immer wieder von Täter Opfer Umkehr geschrieben wird, warum kritisiert aus diesem Lager niemand die Seemoz Redaktion dafür, dass sie so wenig über den Jemen schreibt? Warum wird so wenig bilanziert was unser Einsatz in Afghanistan brachte? Ach ja, das ist ja Whataboutism der hilft den Menschen in der Ukraine nicht, das ist ein unkonstruktives Argument…
Zu Christina Herbert-Fischer
„Bringt euch Klicks“ – genau, darum geht’s, besonders hier in einem abgelegenen (des Kriegsskeptizismus oder gar Lumpenpazifismus verdächtigen?) Zipfel des Internets, – ein lang verborgenes Geheimnis. „Die Digitalisierung der Medien, also grundsätzlich das Internet, aber vor allem auch die sogenannten sozialen Netzwerke, haben einen immer uferloser werdenden Wettbewerb auf Aufmerksamkeit erzeugt“, steckt uns auch Friedrich Küppersbusch, der im Öffentlich-Rechtlichen keinen Sendeplatz mehr findet, weil er anspricht, was viele sich nicht trauen, sehr anschaulich hier: https://www.youtube.com/watch?v=oEBOLHApMSM
zu Michael Meier
Das Statement ist etwas verwirrend, auf was genau bezieht sich die Zerstörung unserer Infrastruktur von unseren Freunden jenseits des Atlantiks in einem kriegerischen Angriff? Geht es um den 2. Weltkrieg oder um die Vermutung, dass die USA und Norwegen hinter der Sabotage an Nordstream stecken könnte? Dass die Thesen von Hersh im deutschen Blätterwald verschwiegen wurden ist jedenfalls unrichtig, sie wurden breit diskutiert und es gab große Bemühungen sie zu widerlegen. Das nicht mitzubekommen, hieße dass man weder Zeitung liest, noch Nachrichtensendungen schaut.
Richtig ist sicher, dass die Berichterstattung in den Medien durchaus in Teilen einseitig ist, durch Auslassungen manipulativ, doch was ist der Anspruch hier?
Umgekehrt einseitig ? Mit Applaus von der falschen Seite? Oder doch mal ein kritischer Blick, ohne damit Opfer-Täter-Umkehr zu betreiben? Der Beschuss und das Elend der Menschen dort hat einen direkten Verursacher. Uns betrifft, was dort geschieht. Wenn das Würfeln um Saporischschja schief läuft, dann viel schneller, direkter und verheerender als uns lieb ist.
Was ist einseitige Berichterstattung? Wenn Putin unterbindet dass man in Russland das Kind beim Namen nennt oder wenn man in Deutschland in Dauerschleife vom völkerrechtswidrigen Angriffskrieg schreibt? Wenn man auspricht was naheliegt, nämlich dass unsere Freunde jenseits des Atlantiks unsere Infrastruktur in einem kriegerischen Angriff zerstört haben oder wenn man im deutschen Blätterwald ausschweigt was Pulizerpreisträger Hersh oder ex. Waffeninspektor Ritter konstatieren?
Ich gestehe ein, ich selbst bin ratlos. Ich stand am 3.10.2020 auf Klein Venedig und erlebte wie Antifa und Polizeihubschrauber ein bewegendes Gitarrenkonzert übertönten. Jeglicher Diskurs wurde abgelehnt. Gemeinderäte, Ärzte, Lehrer, Sozialarbeiter wurden mobilisiert gegen den braunen Mob. Wo stehen wir heute? Dass das Virus vom Tiermarkt stammte war ein Ammenmärchen, Drosten und seine Mitstreiter sind demaskiert. Spahn ist sich keiner Schuld bewusst und lebt nun als Publizist gut versorgt in seiner Villa. Wieler hat sich aus dem Staub gemacht mit einem gut dotierten neuen Posten. Lauterbach die „Heulboje“ steht aktuell in der Kritik mit unlauten Mitteln zu seinem Professorentitel gekommen zu sein. Er wird wohl kaum freiwillig zurücktreten. War die Berichterstattung in diesen Jahren einseitig? Ich denke schon. Gibt es eine Aufarbeitung? Ich sehe sie nicht. Vielleicht deshalb weil wir von der einen Krise in die Nächste gestolpert sind. Vielleicht auch deshalb weil (fast) alle mitgemacht haben.
Dem Seemoz nun vorzuwerfen er berichte einseitig wenn Landauf landab in jeder Talkrunde nur nach Panzern, Munition und Kampfjets gerufen wird empfinde ich als grotesk. Aber ich trage eben auch einen Aluhut und zähle zum rechten Mob.
Die Vergesslichen seien daran erinnert, unser Nachbarland wählte in Coronazeiten zwar nicht den Schwedischen Weg aber dennoch einen anderen als Deutschland. Allein die Schulen wurden in der Schweiz nur im Frühjahr 2020 für wenige Wochen geschlossen und sie lagen damit offensichtlich richtiger als wir. Nun also wollen sie sich ihre Neutralität bewahren und liefern weder Munition noch alte Leoparden. Und wir? Der Südkurier machte diese Woche wieder mal ordentlich Druck, denn am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Im Südkurier würde ich nicht erwarten etwas anderes zu lesen umso mehr begrüße ich, dass wenigstens der Seemoz hin und wieder den Spagat wagt einerseits „Solidarität“ mit der Ukraine zu bekunden und andererseits Friedensaspekten Raum zu geben.
Liebe Seemoz Redaktion, ich entschuldige mich hiermit aufrichtig für meinen Applaus von der falschen Seite!
Ehrbar Diskussionen anstoßen zu wollen. Vielleicht auch richtig, ein Gegengewicht zur allgemeinen Berichterstattung sein zu wollen und anderen Einschätzungen Raum zu geben. Allerdings erscheint mir eure Auswahl der Publikationen zum Thema als eindeutig einseitig. Auslassung ist im Bereich Nachrichten, auch ohne Fakes direkt zu verbreiten, eine Methode der Manipulation. Nun, ihr seid kein Nachrichtensender, aber derart einseitig zu publizieren, ist auch eine Stellungnahme, selbst wenn ihr in euren Kommentarspalten gegenteiligen Ansichten Raum gebt. Bringt euch Klicks, ohne dass ihr offen Stellung beziehen müsst. Habt ihr aber schon – oder?
„…Velmehr wollen wir Debatten anstoßen, dafür Raum geben und so zur Meinungsbildung unserer Leser:innen beitragen…“
So bezog die Seemoz Redaktion beim sog. Friedensmanifest Stellung und beendete damit sicher ungewollt die Debatte in der Kommentarspalte.
Nun, ein paar Tage später ein ähnliches Bild. Der Anlass „nur“ ein bereits andernorts publizierter Beitrag. Die Leserschaft wieder zutiefst gespalten. Die Einen erleichtert, dass nicht wieder nur nach Waffen gerufen wird, die Anderen zutiefst empört ob des amoralischen Inhalts. Und auch hier wieder die Forderung der Seemoz möge solch einen Unsinn nicht veröffentlichen.
Wie kommen wir da gemeinsam raus? Die Einen wissen die Wahrheit und die Faktenfinder hinter sich, die Anderen die sog. alternativen Medien mit ihren anderen Wahrheiten. Überzeichnet gesagt; Falken und ihre Schlafschafe gegen Verschwörungsschwurbelideologennazis.
Der Seemoz versucht hier offensichtlich wieder unter Proklamation der eigenen Neutralität Debatten anzustoßen, zu ermöglichen. Wenn wir ehrlich sind müssen zumindest einige Kommentatoren eingestehen, dass sie die andere Meinung kaum ertragen. Trägt das alles zur Meinungsbildung bei? Ja vielleicht, hoffentlich bei den passiv Mitlesenden mehr als bei den aktiven Protagonisten.
Ich für meinen Teil möchte nicht, dass wir irgendwann viel zu spät wieder eingestehen: „im Osten nichts Neues!“
Der Beitrag hat klar die Absicht die Rolle des Aggressors zu relativieren wenn nicht gar zu entschuldigen. So werden zB. die (angeblichen) Angriffe der Nato gegen Jugoslawien generell völkerrechtswidrig genannt während der ebenfalls völkerrechtswidrige Einmarsch auf die Krim zynisch nur die „Absicherung eines Referendums“ war
Tasächlich hat die Nato nicht Jugoslawien angegriffen sonder die Teilrepublik Serbien die mit unvostellbaren Gräueln (Massaker von Srebrenica ) im Begriff war ihre Macht auf den Rest der ehemaligen Republik auszudehnen
@Tobias+Braun
Steht ein Paar vor einem Bild. Sagt Herr Hirn zu Frau Herz: „Gefällt mir nicht. Zu abstrakt, Farben zu matt, falsche räumliche Aufteilung, unnatürliches Licht, verschwommener Hintergrund, verzerrte Perspektive – alles in allem kompositorisch mangelhaft.“
Sagt Frau Herz zu Herrn Hirn: „Stimmt! Stört mich aber nicht. Viel wichtiger ist mir, dass ein Bild mich anspricht, etwas ausdrückt, eine Botschaft hat. Und wenn dies zutrifft, sind mir alle technischen Mängel erst mal egal.“
Alles klar?
Die weiter unter verwandte Metapher des Gerichtsprozesses ist entweder verwirrend, oder bestätigt – vermutlich ohne Intention – den Vorwurf der Einseitigkeit.
Fall a) Während eines Gerichtsprozesses ist dessen Ausgang, soweit ich weiß, noch offen, und daher, übetrügen wir dies Bild auf den Kontext, auch die Invasion Russlands und seine völkerrechtliche Beurteilung noch nicht abschließend gewiss. Allerdings steht diese Auslegung im Widerspruch zur Gesamtanlage des Kommentars, woraus sich eine nicht ganz unerhebliche Verwirrung speisen würde.
Zu Fall b) Gemäß der Metapher sind wir die Ankläger, deren Plädoyer überzeugen soll. Gewiss ist es dann unsere Aufgabe, parteiisch zu sein, in einem Rahmen zu überzeichnen und eher das Bild des vermeintlichen Täters (und -in) in grobschlächtigen, holzschnittartigen Zügen zu malen. Zum Beispiel werden wir die Erfahrungen in der Biographie, die Erniedrigungen und Demütigungen, als irrelevante Umstände abtun, die keinesfalls in die Urteilsfindung Eingang finden sollen usw. Affekte hin oder her, manchmal muss Recht vor Gnade ergehen (- ja, auch ich überzeichne hier)… Ob uns nun diese Rolle des Anklägers näher an die neutrale Analyse des Gegebenen bringt – was eventuell das Ziel der Metapher war -, scheint mir im Zweifel ungewiss. Und warum sollten wir in dieser Rolle der Ankläger nicht jene Position der pathetischen Verteidigung als unser Korrektiv akzeptieren, verlangt das Bild des Gerichtsprozesses nicht gerade danach? Wiederum stellt sich Verwirrung ein.
Am Ende steht die Gewissheit, dass nicht jedes Bild der Sache dienlich ist bzw. dieses schärfer konuriert.
„DIE TAGE DES WESTENS SIND GEZÄHLT
Auch wenn Russland seinen brutalen Angriffskrieg nicht gewinnt, dürfte am Ende eine neue Weltordnung stehen“ Eine düstere, vielleicht auch nur ernüchternde (- get real!), Diagnose stellt Albrecht Koschorke, Literaturwissenschaftler an der Uni Konstanz, in der „Zeit“ von letzter Woche.
https://www.zeit.de/2023/10/weltordnung-westen-krieg-ukraine
Daraus ein Zitat:
„..Russland wird nach der fehlgeschlagenen Invasion militärisch blamiert, politisch isoliert, wirtschaftlich geschwächt und gesellschaftlich um Jahrzehnte zurückgeworfen sein. Doch auch der Westen wird nicht triumphieren. Von den Folgekosten seiner eigenen Sanktionen abgesehen, hat er im vergangenen Jahr erfahren müssen, in welchem Maß seine internationale Gestaltungsmacht schwindet… Der um die vormaligen Ostblockstaaten erweiterte Westen hat sich, nachdem er schon fast totgesagt war, unter US-amerikanischer Führung von Neuem konsolidiert. Die meisten der sich im Ukraine-Konflikt neutral gebenden Staaten sind aus den Blockfreien hervorgegangen – mit dem Unterschied, dass einige Entwicklungsländer von einst inzwischen ihrerseits als globale Mächte agieren, politisch wie ökonomisch: Im Ranking der zwanzig wirtschaftlich stärksten Länder besetzen sie fast die Hälfte der
Positionen und erwirtschaften kaufkraftbereinigt ein größeres Bruttoinlandsprodukt als die dem Westen zugerechneten
Staaten. In den kommenden Jahren werden sie eine klare Vormachtstellung erringen; während die USA sich vorläufig noch behaupten, fällt Europa ins zweite oder dritte Glied zurück. Der Kontinent, der noch im Kalten Krieg den Hauptschauplatz bildete, rückt an den Rand des Weltgeschehens.
Diese geopolitische Verschiebung spiegelt sich in den Reaktionen auf den Ukraine-Krieg wider. Während er bei uns Tag für Tag die Schlagzeilen beherrscht, steht er in Indien, China, Indonesien, Lateinamerika, Afrika, den arabischen Staaten und der Türkei nicht in gleicher Weise oben auf der Agenda. Dort sind andere politisch-militärische Brandherde und vor allem die Folge missglückter westlicher Interventionen im Nahen Osten und in Afghanistan deutlicher im Bewusstsein. Inflation und Verknappung lebenswichtiger Güter werden nicht allein dem russischen Überfall, sondern auch den westlichen Sanktionen zugerechnet, deren sukzessive Ausgestaltung im Übrigen aus egoistischen Gründen inkonsequent war. Dass der Westen sich einmal mehr in ein womöglich auswegloses militärisches Engagement verstrickt, wird in Ländern der früheren Dritten Welt als ein Symptom für das nahende Ende einer von den USA dominierten internationalen Ordnung gelesen.Ohnehin begegnet man dort der moralischen Parteinahme des Westens für die Ukraine mit dem Verdacht, dass dem Leiden von Weißen mehr Gewicht beigemessen wird als dem Elend in südlicheren Weltregionen.
Die Ansicht, dass die Tage des Westens gezählt sind und dessen Vormacht einer multipolaren Weltordnung weichen muss, bildet eine ideologische Brücke zwischen Russland und dem Globalen Süden..“
(Hervorhebung durch Fettschrift ist vom Kommentator)
Ein vollkommen absurder Artikel, mit übler USA-Schelte in der Kernaussage – nichts Neues unter der Sonne, sondern in der Tat althergebrachte antiamerikanische Plattitüden, gespickt mit banalen Klischees, fern jeglicher Realität. Solche Ideologien führen sicher nicht zum Frieden.
Aus den Inhalten der kritischen Kommentare zu diesem Artikel wird deutlich, dass sich die Kritiker selber nie wirklich mit dem geopolitischen Denken der USA auseinandergesetzt haben. Um diesem Halbwissen zu begegnen und nicht in der üblichen Gut-Böse-Sackgasse steckenzubleiben, sollte man die USA ernst nehmen und sich deren eigene Vorstellungen von Geopolitik als Machtpolitik anschauen.
https://www.blaetter.de/ausgabe/2008/juli/die-welt-als-schachbrett
Oder sind die Kritiker hier womöglich „Antiamerikaner“, die die US-Politik verachten und deshalb nicht zur Kenntnis nehmen wollen – oder im Gegenteil diese als einzig akzeptable Weltpolitik empfinden, mit der man sich deshalb selber nicht beschäftigen muss, wo sie doch gut ist?
Nördlicher Snobismus. Die Menschen in südlichen Ländern mussten leider andere Erfahrungen machen, Millionen Gräber zeigen davon. Die Geschichte der Kriegsverbrechen am 24.Februar 2022 beginnen zu lassen, das genau heißt relativieren!
Das AKW in Saporischschja ist erneut gefährdet. Wenn das hochgehen sollte, wird nicht nur die Ukraine an den Auswirkungen zu leiden haben. Ich habe große Schwierigkeiten damit zu verstehen, weshalb sich noch immer Menschen finden, die, die russische Regierung entschuldigen und andere für das, was dort passiert, als Verursacher sehen wollen. Über die Politik der Nato in der Vergangenheit kann man zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Ich kann aber verstehen, dass sich Staaten eher nach Westen orientiert haben, es ist ihr gutes Recht. Ich war nicht mit den Pipelines einverstanden und dachte lange schon, dass unsere Regierung da sehr blauäugig war, nicht zuletzt für den Profit. Russland ist ein Staat, der schon lange jede Opposition unterdrückt und sich nicht zu schade ist politische Gegner zu ermorden, zu vergiften und weg zu sperren. Ist das die Freiheit, die die fleißigen Autoren und Kommentarschreiber teils hier herbei sehnen? Ist das, das Leben was hier gewünscht wird? Und ja, es ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt, aber wie würde es euch gefallen, wenn politische Gegner der Regierung ermordet würden? Ihr könnt hier schreiben und keiner wird euch deshalb das Leben nehmen. In Russland wäre das anders, aber Moment mal, für eure Arbeit würdet ihr vielleicht einen Verdienstorden bekommen.
Ich wünsche mir Frieden und ein Ende des Mordens in der Ukraine. Vielleicht gibt es in diesem Punkt zumindest Einigkeit.
Würde ein Staatsanwalt bei einem Gerichtsprozess wegen gefährlicher Körperverletzung oder gar Mord zu Beginn seines Plädoyers ganz kurz auf die Verantwortlichkeit des Täters eingehen, dann aber eine Stunde lang auf der (Mit-)Verantwortung des Opfers herumreiten, so würde man als Beobachter ungläubig den Kopf schütteln und sich fragen, ob der Typ nicht alle Latten am Zaun hat. Genau so geht es mir bei der Lektüre des vorstehenden „Plädoyers“ eines gewissen Jürgen Wagner. Er gehört offensichtlich den gleichen Kreisen an, die in anderen Zusammenhängen dem 68-iger Slogan „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ begeistert beipflichten, – die aber im Fall der Ukraine unter dem Deckmäntelchen der Friedensliebe Widerstand und Beistand gleichermaßen verurteilen und darüber hinaus auch noch eine schamlose Täter/Opfer-Relativierung, wenn nicht gar Täter/Opfer-Umkehr betreiben, die mich schaudern lässt.
@Julii Ott
Auch wenn ich nicht durch Ihren Kommentar angesprochen war, so hab ich mir doch dieses hochinteressante zwölf Minuten Erklärvideo angeschaut. Astreine Argumentationsweise! Man holt sich zwei Experten in die Sendung, fertig ist der Faktenchek. Nett wie die Sicherheitsexpertin eingeführt wird. Was ist denn eigentlich dieser Council, worüber forschen die denn und was legitimiert diese Dame (unabhängige) Expertin zu sein? Am Beeindruckensten fand ich das Ende. Wie dreist kann man sein, bei dem Thema ausgerechnet den Irak und Afghanistan zur Argumentation heranzuziehen? Waren das etwa keine illegalen Angriffskriege? Ach nee stimmt, waren ja humanitäre Einsätze, von UNO und Völkerreecht gedeckt um den Menschen dort die Demokratie zu bringen oder so ähnlich.
Es gibt auch einen Chicago Council on Global Affairs, von dem hätte ich Ihnen einen Videovorschlag. Ist zwar schom ein paar Jahre alt aber unglaublich zutreffend in den Vorhersagen.
https://m.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw
und sollten Sie der Quelle nicht trauen dann hier noch das Original, da müssten Sie sich aber eine ganze Stunde Zeit nehmen:
https://m.youtube.com/watch?v=QeLu_yyz3tc
Viel Spaß beim Anschauen bzw. Zuhören!
PS: Was machen wir denn wenn diese Experten beim Lend and Lease Act unrecht haben und am Ende doch wir Europäer die Zeche zahlen sollen weil die Ukraine das nie zurückzahlen kann? Es sollen bis heute über 30 Milliarden Dollar sein. Ich denke nicht dass die US Bürger die Zeche gerne zahlen.
1) Leider disqualifiziert sich der Schreiber des Artikels wie viele vor ihm bei diesem Thema bereits im ersten Absatz:
„…gilt es aber auch zu betonen, dass dieser Krieg auch eine Vorgeschichte hat, die von einer nicht vernachlässigbaren Mitverantwortung erzählt, die nicht bei Russland liegt, sondern bei der Politik des Westens“. Welche Vorgeschichte, wie auch immer sie aussehen mag, rechtfertigt einen Einmarsch in ein fremdes Land?
2) wieder ist überwiegend vom „Westen“, von der NATO die Rede. Russland, der eigentliche Aggressor, wird kaum erwähnt. So gut wie gar nicht erwähnt wird die Ukraine und ihre Beweggründe. Warum hat ein Land denn nicht das Recht für sich zu entscheiden, wie es mit einem Krieg auf seinem Boden umgeht? Ohne dass von außen ständig gute Tipps kommen wie das alles doch viel besser abgewickelt werden könnte
3) über Waffenlieferungen generell und auch an die Ukraine kann man selbstverständlich diskutieren. Mir ist allerdings nicht bekannt, dass irgendein Land gegen den Willen der Ukraine Waffen ins Land gebracht hat. Außer Russland natürlich…
Danke für die Analyse. Das Kriegsgeschrei und die Waffenlieferungen, der Stellvertreter Krieg der Ukraine für die USA sind widerlich. Was würde passieren, wenn Rußland in Kuba Raketenstellungen aufbauen läßt, deren kurze Reichweite die USA bedrohen? Die westliche Diplomatie hat seit dem Ende des sozialistischen Staatenverbunds nichts dafür getan, um das europäische Haus, wie Gorbatschow es vorschlug, zu bauen. Ausgrenzung war und blieb das Ziel!
Es ist kaum zu fassen, wie man sich in einem so langen, ausführlichen und unsäglochen Bericht zu den „Hintetgründen“ des Ukraine- Krieges nicht einmal auf die Verantwortung des Hauptagressor eingeht? Wie sollte man in dieser Verdrehung der Realität ihnen denn nicht eine Nähe zu Putin vorweißen können. Sie stehen auf der falschen Seite dieses Konfliktes. Ein Frieden ist nicht möglich, aber gerne können sie ja auch in den Kreml fahren und mit Putin selber diskutieren. Niemand wollte den Krieg. Nicht die UkrainerInnen, nicht die Deutschen und auch nicht die AmerikanerInnen. Wer hat denn vor dem 24. Februar 2021 öffentlich noch davor gewarnt mit Geheimdienstinformationen. Wer hat sich entscheiden gegen den Krieg gestellt und versucht China mit in das Boot gegen Russland zu holen. Die AmerikanerInnen haben geopolitische gerade ganz andere Konflikte, als dass sie sich mit Russland beschäftigen wollten. Hier ein toller Beitrag des ÖR dazu (bin mir aber nicht sicher, ob man Menschen wie dir ÖR- Links schicken kann).(https://youtu.be/2FyoDsXRrps)
Trotzdessen, dass ich den Wunsch nach Frieden verstehen kann, finde ich deine Meinung gefährlich und verstehe auch nicht, warum die bei seemoz.de gepostet werden darf. Wir müssen in der Ukraine Menschenrechte verteidigen. Ein Land darf nicht ungestraft ein anderes Land überfallen. Hier zu sitzen und dann zu meinen, die UkrainerInnen sollten verhandeln und Gebiete abtreten ist krotesk. Wenn wir jetzt Frieden schaffen wollen unter diesen Bedingungen wäre das ein Freibrief für alle späteren Atomkräfte andere Staaten zu überfallen. Wir können den Krieg nicht beenden, das kann nur Putin. Es sind sein Interessen, sein Wille und seine Entscheidung. Es ist fast schon lächerlich, wenn sich gegen den Agressor zu wehren (auch militärisch) bedeutet, dass man Öl ins Feuer gießt und den Konflikt anheizt.
Ein politischer Mensch zu sein bedeutet seine politische Meinung an die Umstände anzupassen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal für Waffenexporte plädiere, aber das geht hier gerade nicht anders.
(….) Warum wird die NATO-Osterweiterung immer nur aus der russischen Sicht betrachtet? Mit welchem Recht darf ein Staat (Russland) anderen Staaten vorschreiben, welche völkerrechtlichen Verträge sie unterschreiben bzw. welchen Bündnissen sie beitreten? Und warum haben sich seit Beginn der 90er Jahre sämtliche osteuropäische Staaten den westlichen Bündnissen (EU, NATO) angeschlossen oder wollen dies tun?
Die Antwort liegt auf der Hand: Seit Anfang der 90er-Jahre hatten diese Staaten die Wahl zwischen zwei Modellen. Dem Westlichen (Demokratie, Freiheit, Menschenrechte) und dem Russischen (Autokratische Kleptokratie mit Entwicklung zum Faschismus). Alle Staaten haben sich (Überraschung!) für das westliche Modell entschieden. Das ist zu respektieren, auch von Russland. Auch der Wunsch des NATO-Beitritts resultiert letztendlich aus Angst vor Russland, der, das zeigt der Überfall auf die Ukraine, die Entwicklung in Georgien und Moldawien und das Säbelrasseln gegenüber Polen und den baltischen Staaten, mehr als berechtigt ist.
3.) Was Putin wirklich fürchtet, ist im Übrigen nicht der NATO-Beitritt der Ukraine. Putin weiß genau, dass die NATO in ihrer über 70-jährigen Geschichte weder die Sowjetunion bzw.Russland angegriffen hat, noch das zukünftig tun wird (Es sei denn, Russland würde zuvor einen NATO-Staat angreifen).
Was Putin wirklich fürchtet, ist ein EU-Beitritt der Ukraine und eine wirtschaftlich erfolgreiche und wohlhabende demokratische Ukraine. Am Ende könnte das Vorbild für die russische Bevölkerung sein, die dann gegen das „System-Putin“ aufsteht.
Das Verständnis für das diktatorische Russland, dass von ganz links und ganz rechts entgegengebracht wird, ist vor diesem Hintergrund bemerkenswert. Wer die Demonstration der „Friedensbewegten“ in Berlin gesehen hat, sieht ,wieviele Menschen in Deutschland offensichtlich kein Problem damit hätten, in einer Diktatur zu leben.
Vor diesem Hintergrund sollte ein demokratisches Medium wie Seemoz nicht einseitig dass russische Narativ zur Vorgeschichte des Ukraine-Krieges unkritisch übernehmen.
Ich fände es spannend, wenn Sie einmal einen Artikel über die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa seit Beginn der 90er-Jahre bringen würden. Warum wollten diese Staaten in die NATO und die EU? Wie wird Russland in diesen Staaten wahrgenommen? Was sind die Erfahrung dieser Länder aus der kommunistischen Diktatur? Welche Lehren haben sie daraus gezogen?