Eine Politik der Enteignung

Heizkörper GasumlageLangsam zeichnet sich das Bild jener Politik ab, in der sich die Koalitionäre der Ampel trotz all ihrer internen Streitigkeiten am Ende des Tages einig sind: Die Auslagerung der Kosten der Krise(n) auf die breite Bevölkerung, um die Profite von privaten Unternehmen zu sichern. Auch wenn das Sommerloch die Bürger:innen bislang noch in der Sicherheit wiegt, dass es so schlimm schon nicht kommen wird, mehren sich die Zeichen, dass das Gröbste noch bevorsteht und die „Zukunftskoalition“ keine Anstalten machen wird, den sozialen Schieflagen und Härten etwas entgegenzusetzen. Dazu ein Kommentar.

Eigentlich ist es wenig überraschend, zumindest wenn zum Vergleich die Regierungszeit von Rot-Grün im Bund zwischen 1998 und 2005 herangezogen wird, und dies Bild noch um die Erfahrungen der letzten Regierungsbeteiligung der FDP erweitert wird: Eine Politik, die sich in der Hauptsache um die Profitabilität der Wirtschaft und großer privater Unternehmen sorgt, und die Bürger:innen, die Arbeiter:innen, die Arbeitslosen und Angestellten, die Studierenden und Rentner:innen größtenteils vergisst. Die Regierungsparteien stimmen in dem politischen Projekt überein, alles dafür zu tun, dass Gewinne weiterhin privatisiert und die Kosten der Krise im selben Schritt sozialisiert werden.

Das Beispiel der Gasumlage, ein Vorschlag aus dem Hause Robert Habecks, zeigt diese Praxis in Vollendung: Weil manche Unternehmen die hohen Preise am Weltmarkt, ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine und zugleich resultierend aus dem hochspekulativen System des Energiemarktes, nicht mehr zahlen können, gerade weil sie die Kosten nicht direkt an die Kund:innen weiterreichen können, sah sich der Wirtschaftsminister zum Handeln genötigt. Eine Umlage von 2,4 Cent, berechnet wiederum durch ein privates Unternehmen, kommt zu jeder zum Heizen verbrauchten Kilowattstunde privater Haushalte und Unternehmen dazu. Das heißt: Sparsame Haushalte mit einem jährlichen Verbrauch von ungefähr 10.000 Kilowattstunden würden etwa 240 Euro pro Jahr mehr zahlen, im Monat also 20 Euro. Bei Familien mit doppeltem Verbrauch würden sich auch die Zusatzkosten verdoppeln. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer, die allerdings von 19 auf 7% gesenkt wurde. Diese Berechnung, unter anderem von Sozialverbänden schon kritisiert, deckt aber diese Senkung die erhöhten Kosten durch die Umlage nicht. Und zugleich sollte nicht vergessen werden, dass dies alles bei gleichzeitig explodierenden Preisen für Energie und Gas, Mieten und Nahrungsmittel stattfindet und zudem noch im Herbst durch die Kostentreiber höherer Kraftstoff- und ÖPNV-Preise weiter angetrieben wird.

Mit dieser Umlage sollen laut Habeck Turbulenzen vermieden werden, die durch die Gefahren einer Insolvenz systemrelevanter Energieunternehmen für den hiesigen Energiemarkt entstünden. So nimmt sich die Umlage nach Habeck als die “gerechteste” und “solidarischste” Lösung aus. Das Problem ist aber, dass die Energieunternehmen in ihrer Mehrzahl schon jetzt von dem hohen Energie- und Gaspreisen profitieren und satte Gewinne machen. Zugleich gab die Regierung jüngst die Kriterien bekannt, die Unternehmen aufweisen müssen, um in den Genuss der Umlage zu kommen: So gut wie keine, außer dass sie auf dem deutschen Energiemarkt aktiv sein müssen. Tatsächlich müssen es noch nicht einmal bundesdeutsche Unternehmen sein, für welche die Bundesbürger:innen zur Kasse gebeten werden. Ein Umlagesystem von unten nach oben, begründet und eingeführt in einer Situation der Krise, ohne eine breite gesellschaftliche Diskussion: Das ist die beste Lösung, die dem Wirtschaftsminister eingefallen ist. Die Rechnung wird jedem einzelnen Kunden und jeder Kundin direkt oder indirekt im Herbst präsentiert werden. Schon jetzt warnen Wohlfahrtsverbände wie der Paritätische vor den Folgen.

[the_ad id=“87862″]Nicht nur sieht sich diese Regierung also nicht in der Lage, über eine Übergewinnsteuer diese allein der Krise geschuldeten Profite abzuschöpfen. Nein, sie bittet auch die Bürger:innen zur Kasse, um solvente Unternehmen mit Geld zu beschenken. Könnte sich manch ein:e Wähler:in der Grünen bis dahin noch irgendwie über die ökologische Lenkungsfunktion hoher Preise freuen, eine Ignoranz gegenüber den Grundwerten sozialer Gerechtigkeit vorausgesetzt, wird durch die angedachte Mehrwertsteuersenkung der Anreiz, aus Kostengründen Energie zu sparen, wieder zunichte gemacht: Wer mehr verbraucht, wird mehr entlastet. Dies alles ist kein Chaos, auch wenn es so scheinen mag: In der Krise sichert der Kapitalismus seine Pfründe, wie immer auf Kosten der Menschen und der Natur. Fragt sich nur, wer die privaten Haushalte entlastet, wenn diese die hohen Kosten für Energie nicht mehr zahlen können. Der freundliche Hinweis des Ministerpräsidenten dieses Bundeslandes, der nebst der Aufzählung seines ökologischen Besitzstandes die Nützlichkeit von Waschlappen ins Feld führt, macht letztlich nur die Abgehobenheit der politischen Klasse deutlich.

Statt dieser Umverteilung von unten nach oben braucht es entschiedene Schritte, die Versorgung der breiten Bevölkerung sicherzustellen. Das Prinzip der Gießkanne als kaschierte Bevorzugung der Oberschicht hat ausgedient: Die unteren und mittleren (nein, nicht Herr Merz) Schichten müssen gezielt vor den Folgen der Krise geschützt werden. Finanziert durch eine Übergewinnsteuer können entsprechende Maßnahmen ohne Probleme getroffen werden, was uns viele europäische Nachbarländer ja auch schon vorführen. Auch möglich ist ein sozial abgesichertes Mindestkontingent für jeden Haushalt – nur bei einem überbordenden Verbrauch würden dann Mehrkosten entstehen. Zugleich muss hier bedacht werden, dass ärmere Haushalte in den Stand versetzt werden müssen, ihre technischen Geräte auf den modernen Stand zu bringen. Armut darf keine Falle für höhere Kosten sein. Letztlich muss der Protest wohl aber auf die Straße, um dieser sogenannten Zukunftskoalition zu zeigen, dass ihre Politik der Umverteilung nicht unwidersprochen bleibt.

Text: Tobias Braun
Bild: H. Reile