Geht es dem Bodenseestadion an den morschen Kragen?
Vielleicht rätseln Sie auch, warum der StadtSportVerband (SSV) so vehement gegen die geplanten Kürzungen und zusätzlichen Gebührenerhöhungen wettert, die derzeit in der Politik beraten und bald beschlossen werden sollen. Grund genug für den SSV, nochmal genauer Stellung zu beziehen, und unter anderem den finanziellen Aufwand für das Bodenseestadion deutlich in Frage zu stellen.
Was die Streichung der erweiterten Jugendförderung bedeuten würde
Pro Jahr werden ca. 5.000 Schulkinder durch Sportvereine in den Schulferien betreut. In der Gesamtzahl sind die Sportvereine hier der größte Anbieter für dieses Angebot. Diese sind nicht nur Bestandteil der verlässlichen Ferienbetreuung der Stadt Konstanz, sondern auch eine Vielzahl freier Angebote.
Diese Betreuung richtet sich vor allem an Familien, die durch ihre Arbeitsverhältnisse nicht die gesamten Schulferien mit eigener Betreuung abdecken können. Deren Zahl nimmt weiter zu, und die Vereine registrieren einen wachsenden Bedarf. Zur Leistung dieser Aufgabe benötigen die Vereine qualifizierte Übungsleiter, die nicht nur in den Ferien zur Verfügung stehen, sondern ganzjährig. Die erweiterte Jugendförderung unterstützt Vereine bei der Finanzierung von qualifiziertem Personal. Eine Kürzung würde zur Folge haben, dass dieses Angebot schrumpft. Im besten Fall würden Ferienangebote teurer werden, was wiederum bedeuten würde, dass es sich genau diese Zielgruppe nicht mehr leisten kann.
Reduzierung des Miet- und Pachtzuschusses
Dieser Zuschuss wird an stadteigene Einrichtungen für Anmietungen durch die Sportvereine bezahlt. Das betrifft insbesondere Hallenvereine (Judo, Athletik, etc.), die von der Stadt keine ausreichende Versorgung mit Hallen erhalten haben. Über den Hallennotstand ist an anderer Stelle schon ausführlich berichtet worden.
Einführung einer Trainingsgebühr
Die Hürde, in einem Verein Sport treiben zu können, soll so gering wie möglich gehalten werden. Eigentlich braucht es dafür nicht einmal Sportschuhe. Es ist kein Instrument notwendig, kein privater Übungsraum und manchmal nicht einmal besonderes Talent – es reicht das Engagement. Dies betrifft nicht nur den Kinder- und Jugendsport, sondern auch den großen integrativen Bestandteil des Erwachsenensports. In der Kabine sind alle gleich, hier treffen sich Juristen mit Handwerkern, Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit Studenten, Einheimischen und frisch Dazugezogene. Die Einführung einer Trainingsgebühr würde unweigerlich auf die Mitglieder umgelegt werden, was zu einer Erhöhung der Einstiegshürde führen würde (…).
Welchen Beitrag zum Sparen leistet der Sport?
Bei einem strukturellen Defizit ist es an der Zeit, eben diese Strukturen auch zu überprüfen. Dazu gehören auch Einrichtungen, die nicht nachgefragt werden, defizitär sind und deren Wegfall am wenigsten die Gesamtleistung beeinträchtigen würde. Wir vom StadtSportVerband haben diese Strukturen analysiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass man zuerst beim Bodenseestadion ansetzen könnte. Sportlich hat es für die KonstanzerInnen keine große Bedeutung mehr. Bei einer Schließung und gleichzeitiger Umsetzung der geplanten Investitionen in die restlichen Sportstätten könnte der Sport dies auffangen. Somit hat die Stadt auch eine klar kalkulierbare Größe der Einsparung. Bei den geplanten Streichungen und Gebühreneinführungen sind die zu erwartenden Geldströme immer unsicher. Dies wäre beim Bodenseestadion nicht der Fall. Hier sind die jährlichen Kosten bekannt [Anm. d. Red.: Man geht von jährlichen Unterhaltskosten von bis zu 300 000 Euro aus]. Das Bodenseestadion wird zwar genutzt, ob aber der sportliche Nutzen nicht anderweitig aufgefangen werden kann, genau dies soll der Prüfauftrag, der im Sportausschuss beschlossen wurde, ergeben.
Vor dem Sportausschuss haben sich viele unterschiedliche Sportarten und Vereine getroffen: Mitglieder aus allen Stadtteilen, egal ob aus Wollmatingen, Petershausen, Dettingen oder aus dem Paradies. Es haben sich Vereine getroffen, die unterschiedlicher nicht sein können und dies genau spiegelt die Gesellschaft in Konstanz wider. Denn Sportvereine sind der soziale Kitt, der die Gesellschaft hier in Konstanz zusammenhält. (…) Kindern und Jugendlichen wird in Vereinen eine Heimat geboten, dazu werden Werte vermittelt, die den Zusammenhalt in einer Stadtgesellschaft fördern. (…)
Text: Martin Müller (Stadtsportverband Konstanz)
Bild: Sommerwiese 2020, das uns der damalige Veranstalter zur Verfügung stellte.
Dazu ein Kommentar:
Eine zu simple Rechnung
(hr) Wenn man den jährlichen Zuschuss von geschätzt bis zu 300 000 Euro für das Bodenseestadion streiche, so die Überlegung vieler im Stadtsportverband, könnten die geplanten Kürzungen in vergleichbarer Höhe für den Konstanzer Sport umgehend zurückgenommen werden. Doch so einfach ist das nicht.
Zwar genügt das in die Jahre gekommene Stadion in bester Lage schon lange nicht mehr den Ansprüchen für ambitionierte Sportveranstaltungen, aber es ist gerade in diesem Jahr wieder zum bundesweit beliebten Treffpunkt für Konzertfans geworden. Bis zu 25 000 BesucherInnen bei den Ärzten und den Toten Hosen, und auch das kommende Campus-Festival 2023 verspricht einen vergleichbaren Zulauf. Lässt man das Bodenseestadion völlig verlottern, werden dort bald auch keine Musikereignisse in dieser Größenordnung mehr stattfinden können. Also sind intelligentere Lösungen gefragt.
Wer wissen möchte, wie es in brauner Vorzeit zum Bau eines Stadions gekommen ist, in dem damals alle EinwohnerInnen der Stadt Platz gefunden hätten, der erfährt das hier – im Text vom 17.9.2012 „Was tun mit dem Bodenseestadion?“
Wenn das Bodenseestadion zum überwiegenden Teil NICHT für den Sport genutzt wird, sondern für Pop- und Rockkonzerte, dann dürfen die laufenden Kosten / Subventionen für das Stadion NICHT dem Bereich Sport angerechnet werden.
Und noch eine Bemerkung:
Wenn die Zuhörerzahlen bei der Philharmonie in einem so krassen Mißverhältnis zu den Subventionen stehen, wie es den Unterlagen zu entnehmen war, dann sollte sich die Stadt und das Land in der Tat überlegen, ob dies das Geld wert ist – zumal wenn die Alternative bedeuten würde, dass dem Bereich Sport Mittel einer derartigen existenzbedrohenden Höhe gestrichen würden.
ABER: Als erstes würde ich dass „Bodenseeforum“ streichen. Diese Einrichtung ist erst in jüngster Zeit geschaffen worden und ist noch kein gewachsener Bestandteil des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Stadt. Gebt es der Universität, die benötigt Räume.
Der Sport argumentiert anders
Vorab für alle Vertreter der Hochkultur, die jede Äußerung aus anderen Bereichen als „Kultur-Bashing“ bezeichnen: Ich lasse mich nicht in eine solche Ecke drängen, denn es macht diesen Vertretern der Hochkultur es möglich, sich nicht mit Fakten zu beschäftigen. Das muss aus deren Sicht auch Mantra artig behauptet werden, da sie keine wirklichen Argumente haben. Im Gegenteil: Die Einlassungen der letzten Wochen in verschiedenen Medien, zeugen doch letzten Endes nur von Hochmut und herablassende Sicht auf die Stadtgesellschaft.
Doch zum Thema
Die Argumente des Sports sind nicht die Schließung des Bodenseestadions, sondern es geht um die Finanzierung und deren Ausweisung im städtischen Etat.
Der Stadt Konstanz wurde im Laufe der vergangenen Jahre eine rund 5 Millionen starke Förderung über Landessportfördermittel bei der Sanierung des Bodenseestadions angeboten. Dies hat die Stadt Konstanz abgelehnt somit aufgezeigt, dass sie die sportliche Nutzung in den Hintergrund stellt.
Die Fakten sprechen auch für sich. Aufgrund des desolaten Zustands sind sportliche Wettkämpfe nur noch sehr eingeschränkt umsetzbar. Allerdings ist das Bodenseestadion mittlerweile zu einem der wenigen Tempel der Kultur geworden, dass zu Recht und für mich nicht hinterfragbar, da es gerade für Konsumenten von Kultur für Konstanzer Bürger und auch Auswärtige, außerhalb der Hochkultur, in weitem Umkreis keine bessere Location gibt.
Gerade deswegen hat aber der Sport auch Recht, wenn er sagt, dass die laufenden Kosten für diese Vergnügungsstätte nicht weiter aus dem Sporthaushalt, sondern aus dem Budget der Kultur zu bezahlen sind.
Ich bleibe dabei: Sämtliche angedachten Kürzungen im Konstanzer Sport wären somit obsolet, der Sportetat hätte dann sogar seinen Anteil im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen übererfüllt.
Insofern ist es richtig, dass der Sportausschuss einen Prüfauftrag für das Bodenseestadion auf den Weg gebracht hat.
Ich bin gespannt was dabei herauskommt, habe aber die Befürchtung das das „Konstanzer Gesetz“ weiter in Stein gemeißelt wird.
Auswirkungen?
Alle Bereiche außer der Hochkultur werden überproportional Streichungen erleben, bei der Hochkultur wird alles sehr moderat (wenn überhaupt) ausfallen.
Ich nehme mal an, dass das dann nur strukturelle Gründe hat…. ?
Harald Schuster
PS Das sogenannte strukturelle Defizit wäre auch mal zu hinterfragen: was ist unabdingbar gesetzlich vorgeschrieben, was sind Kosten für den Klimaschutz, etc. Ich denke das sind Kosten, die der Zeit geschuldet sind und auch zu finanzieren sind. Aber gibt es nicht vielleicht auch Projekte “Nice to have“, nehmen wir nur Marktstätte, Bahnhofsvorplatz, etc.