Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden
Angesichts des anstehenden ver.di-Bundeskongresses (17. bis 22.9. in Berlin), bei dem u.a. ein Leitantrag mit sehr problematischen Passagen zur Frage von Krieg und Aufrüstung verabschiedet werden soll, hat sich die Initiative „Sagt Nein! Gewerkschafter:innen gegen Krieg, Militarismus und Burgfrieden“ gebildet. Sie formulierte die Petition „SAGT NEIN! zum Leitantrag für den ver.di-Bundeskongress“. Die Petition, die wir im Folgenden dokumentieren, kann hier unterzeichnet werden.
An alle Gewerkschaftsmitglieder, insbesondere aber an die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses: SAGT NEIN!
Nachdem der DGB-Bundeskongress 2022 auf Betreiben des DGB-Bundesvorstandes und unter Bruch unserer Satzungen und Beschlüsse das „Ja! zu Waffenlieferungen“ beschlossen hat, soll dies jetzt auf Initiative des ver.di-Vorstandes, unterstützt durch den Gewerkschaftsrat auch auf dem ver.di-Bundeskongress nachvollzogen werden: Ja! zu einer Kriegslogik, die unter dem Deckmantel eines sogenannten „umfassenden Sicherheitsbegriffs“ ausdrücklich „militärische Sicherheit“, indirekt „Auf- und Hochrüstung“ und Kriegseinsätze auch deutscher Soldat:innen befürwortet – „was zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erforderlich ist“ und das alles unter der den wahren Kern verschleiernden Überschrift: „Perspektiven für Frieden, Sicherheit und Abrüstung in einer Welt im Umbruch“. (Alle in Anführung gesetzten kursiven Passagen sind Originaltext des Leitantrages).
[the_ad id=“94028″]Mit vielen Worten und dem Appell an die „besondere Verantwortung“ der Regierenden garniert, sollen die DelegiertEn die Hand heben für den Schulterschluss der Gewerkschaften mit der deutschen Regierung, insbesondere für die militärische Unterstützung der Ukraine. Heute sind dies Waffenlieferungen bis hin zu weltweit geächteten Streubomben, morgen können das schon Soldat:innen sein! Das 100 Milliarden-Hochrüstungsprogramm wird nur teilweise abgelehnt, weil es „ausschließlich für die Bundeswehr“ ist; weil dieselbe Regierung nach wie vor unbeirrt und ungeniert mit demselben neoliberalen Austrocknungsprogramm der Öffentlichen Daseinsvorsorge fortfährt, so wie alle ihre Vorgängerregierungen; die „Auf- und Hochrüstung der Bundeswehr und NATO“ soll lediglich „nicht grenzenlos“ sein.
Das ist der finale Kniefall vor militaristischer Logik und das genaue Gegenteil von unserer elementaren gewerkschaftlichen Grundüberzeugung: Uns eint die Ablehnung eines Denkens in militärischen Kategorien. Diese wird in das Gegenteil verkehrt durch die Einfügung eines kleinen Wortes: „Uns eint die Ablehnung eines Denkens in rein militärischen Kategorien.“
Wir, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von ver.di, IG Metall und anderen DGB-Einzelgewerkschaften, wenden uns an die DelegiertEn des ver.di-Bundeskongresses:
SAGT NEIN!
Hebt Eure Hand nicht für einen erneuten Schulterschluss der Gewerkschaften mit dem deutschen Kriegskurs!
Wir haben nicht vergessen, was 1914 geschah: Die Gewerkschaftsführungen in ganz Europa schickten unter Bruch aller vorherigen Beschlüsse ihre Mitglieder in den Krieg – angeblich `gegen den russischen Despoten-Zaren`, tatsächlich aber für den Profit von Krupp, Thyssen und Co. Konsequenterweise wurde in `Wahrnehmung der nationalen Verantwortung für Volk und Vaterland` der sogenannte `Burgfrieden` erklärt, und jede Klassen- und Arbeitskampfauseinandersetzung eingestellt, die Streikunterstützung ausgesetzt.
SAGT NEIN! zum Leitantrag für den ver.di-Bundeskongress
- der mit seinem `Ja! zu Waffenlieferungen` gegen unsere Satzung verstößt, die uns in § 4, Ziff 3, lit. i dazu verpflichtet „militaristische Tendenzen )zu( bekämpfen“, und alle unsere bisherigen klaren und deutlichen Beschlusslagen gegen Waffenlieferungen missachtet.
- der mit seinem `Ja! zu Auf- Und Hochrüstung` gegen unsere Grundsatzerklärung verstößt und damit unsere tausendmal bekräftigte Haltung für `allgemeine Abrüstung` und das `Recht aller Menschen auf Schutz vor Verfolgung, Folter und Krieg` zum `Geschwätz von gestern` macht.
- der so tut, als sei mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine erstmals seit 1945 wieder Krieg in Europa, und damit den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999 `übersieht`, die unter deutscher Beteiligung 78 Tage lang Tag und Nacht bombardiert wurde.
Wer dies alles `vergisst` macht sich zum Teil der deutschen Kriegspartei. Wer meint, es gehe bei den aktuellen Kriegen weltweit um `Freiheit` oder `Diktatur`, `Aggression` oder `Selbstverteidigung` oder gar um `Völker- und Menschenrecht`, ist der beiderseitigen Kriegspropaganda bereits auf den Leim gegangen. Um all das ging es in der Geschichte noch nie und geht es eben gerade nicht.
Darum lasst uns an den Beschlüssen der vergangenen Jahre festhalten.
Keine Waffenlieferungen! Keinerlei Aufrüstung! …
sondern Abrüstung – SOFORT!
Unsere Haltung ist und bleibt antimilitaristisch und international.
Für uns kann es als Lehre aus der eigenen Geschichte nur einen Beschluss geben:
- Unsere Zukunft ist nicht an der Seite der deutschen Regierung oder irgend einer anderen Kriegspartei.
- Unsere Zukunft ist an der Seite der Arbeiterinnen und Arbeiter, die in Italien und Griechenland gegen Waffenlieferungen kämpfen, und an der Seite der Kolleg:innen in Frankreich, Großbritannien und weltweit, die immer wieder gegen den Krieg und die Abwälzung der Krisen- und Kriegskosten auf uns Alle streiken.
- Unsere Solidarität gehört den Arbeiter:innen, Kriegsdienstverweiger:innen, Deserteur:innen und den Flüchtlingen aus und in der Ukraine, Russland, Belarus und weltweit!
Offener Bruch mit dem «sozialen Frieden» der Herrschenden:
WIR ZAHLEN NICHT FÜR EURE KRIEGE!
WAFFEN RUNTER – LÖHNE RAUF!
Dafür lasst uns gemeinsam und organisiert kämpfen!
Erstunterzeichner:innen: Heinz Assenmacher, ver.di, Bonn – Renate Bayer, Mtgld. ver.di- LBzV Bayern, LFBV FB C, VLL TU München, München – Pablo Bonta, BR-Vors. MMC Studios, Köln – Andreas Buderus, ver.di / ZAKO, Berlin – Clare Daly, MdEP (GUE/NGL), Dublin – Gregor Falkenhain, ehem. ver.di-Gewerkschaftssekretär, Solingen – Gaby Gedig, AK gegen rechts in ver.di, München – Ingrid Greif, ver.di BuKo-Delegierte, München – Barbara Haase, ver.di-BuKo-Delegierte, München – Stefan Hetzler, ver.di-VLL MVG/SWM Verkehr, München – Kerstin Hohner, ver.di, sv. GPR-Vors. AOK Bayern, Bamberg – Angela Keil, ver.di, Köln – Hedwig Krimmer, Gewerkschaftssekretärin i.R., Mitinitiatorin von „Wir widersprechen“ 2013/2014, München – Albert Leuschner, ver.di- Orts- und BzV Eckernförde/Nordwest, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Rieseby – Alfons Lukas, ver.di-LBzV Hamburg, Hamburg – Andreas Münnich, AK gegen rechts in ver.di, München – Robert Neumayer, ver.di BuKo-Delegierter, Mtgld. ver-di BzV München, VLL Postbank München, München – Hinrik von Normann, ver.di, Bonn – Tobias Pflüger, ver.di, ehem. MdB u. MdEP (LINKE), München – Margit Rötzer, Mtgld. ver.di- OVV Regensburg, Regensburg – Jürgen Scheidle, ver.di, Bonn – Ulrich Schneider, ver.di/ZAKO, GEW, Bundessprecher VVN – BdA, Generalsekretär der FIR – Bund der Antifaschisten, Kassel – Peter Schrott, Mtgld. ver-di Bundessenior:innenV, Berlin – Gudrun Uszkoreit, Mtgld. ver.di-Senior*nnen, München –Mick Wallace, MdEP (GUE/NGL), Wexford – Jürgen Wagner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied Informationsstelle Militarisierung IMI, Tübingen – Günter Wangerin, Maler und Grafiker, VBK in ver.di, München – Frank Weidermann, GdS, Erfurt – Steffen Wieland, ver.di, Chemnitz – Mag Wompel, LabourNet Germany, Bochum – Irene Zeyn-Haben, ver.di, Düsseldorf – Informationsstelle Militarisierung (IMI), Tübingen
Text: Dieser Aufruf ist zuerst erschienen auf: https://www.imi-online.de
Symbolbild: Pixabay
Vielleicht sollten sich Gewerkschaften – als Interessenvertretung der Arbeitnehmer – nicht zu politischen Fragen äußern, die weit über ihre „Kernaufgabe“ hinausreichen. Es ist doch nicht ganz einfach, in derartigen Fragen für alle Gewerkschaftsmitlglieder zu sprechen, die wahrscheinlich darum in die Gewerkschaft eingetreten sind, um für ihren Wunsch nach besseren Arbeitsbedingunge, angemessenen Löhnen und Sozialleistungen etc. einen schlagkräftigen Verbündeten zu haben. Eine allgemeinspolitische Interessenvertretung sind die Gewerkschaften ja eher nicht, dafür gibt es die Parteien und andere Organisationen. Als Arbeitnehmer möchte ich vor allem eine Gewerkschaft haben, die primär meine Interessen als Arbeitnehmer vertritt. Wenn ich meiner Stimme in Sachen Verteidgungspolitik (oder auch in anderen Politikfeldern) Gewicht verliehen sehen möchte, kann ich in andere Organisationen eintreten.
Auch 1914 haben sich die Gewerkschaften (und die SPD) von ihrer „alten Doktrin“ verabschiedet – mit den bekannten Konsequenzen. Sorry, aber Gewerkschaften, die sich für Kriege instrumentalisieren lassen, braucht kein Mensch.
@Helmut Reinhardt
Ich versteh noch nicht ganz, was Sie mir mit ihrem Kommentar sagen wollen.
Natürlich herrscht auch in der Ukraine Meinungspluralität. Genauso wie sie es hier in Europa gibt.
Ich habe nie behauptet, dass alle Ukrainer hinter dem Krieg stehen.
Genauso verhält es sich bei Militärexperten. Auch hier herrschen unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen.
Wie gut oder schlecht die jeweilige Einschätzung der Lage war, lässt sich erst im Nachhinein feststellen.
General Vad z.B. lag mit all seinen Einschätzungen bisher immer komplett daneben.
General Ganser kenn ich jetzt nicht. Aber er ist wohl seit 15 Jahren im Ruhestand, wie gut da seine Kenntnisse noch sind kann ich nicht beurteilen.
Könnte mir aber vorstellen, dass er nicht mehr auf dem aktuellen Stand ist.
Ansonsten kann ich nur sagen, mein vorheriger Kommentar, spiegelt meine persönliche Meinung und Einschätzung wieder
@Petra Gutenthaler
Nicht alle Ukrainerinnen und Ukrainer scheinen Ihre Auffassung zu teilen:
„Bribes and hiding at home: the Ukrainian men trying to avoid conscription
Some are spending life savings to stay out of the war, but such actions are seen as treasonous by those already fighting“
https://www.theguardian.com/world/2023/aug/15/bribes-and-hiding-at-home-the-ukrainian-men-trying-to-avoid-conscription
Auch nicht alle kundigen Militärs, wie hier Brigadegeneral a.D. Ganser: „Bittere Pattsituation
Die ukrainische Gegenoffensive stockt. Statt endlos neue Waffen zu liefern, sollte der Westen an der Vorbereitung von Friedensgesprächen mitarbeiten.“
https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/bittere-pattsituation-6911/
Ich stelle mir hier immer die Frage, was soll die Alternative zu Waffenlieferungen sein?
Verhandlungen sind schwierig. Über was soll verhandelt werden? Wieviel Gebiet die Ukraine an Russland abtritt für Frieden. Wie lange würde solch ein Frieden halten? 2 Jahr, 5 Jahre?
Beide Seiten wären mit dieser Lösung nicht zufrieden und würden die Zeit nutzen, um aufzurüsten und zuschlagen, sobald sie ihre Chance sehen.
Keine Waffen zu liefern, bedeutet die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen, von Russland komplett besetzt zu werden. Mit allen Folgen, die wir bereits aus den besetzten Gebieten kennen.
Einem angegriffenen Land die nötige Hilfe zu seiner Verteidigung zu verwehren bedeutet auch, dass man selbst ein Stückweit den Aggressor unterstützt.
Daher sehe ich es positiv, wenn eine Gewerkschaft sich von ihrer alten Doktrin verabschiedet und in diesem speziellen Fall für die Hilfe an die Ukraine entscheidet.
Wenn diese Beschlussvorlage des Vorstandes auf dem verdi-Kongress angenommen wird, reiht sich die verdi ein in die (Fast-)Allparteienkoalition der Kriegsgurgler, die von der (kleinen) russophoben Minderheit in der AfD bis hin zu führenden Figuren der Linkspartei reicht (Ramelow). Und wer bezahlt dieses irrwitzige Ampel-Aufrüstungsprogramm? Wohl eher nicht die Aktionäre der Rüstungsfirmen, deren Gewinne derzeit explodieren. Haben Sie, Herr Mennecke, schon einmal darüber nachgedacht, was man mit diesen 100 Milliarden Euro alternativ so alles hätte anfangen können? In einem Land, in dem die Schulen verrotten, in manchen Regionen die Infrastruktur vor dem Zusammenbruch steht und die ärmsten der Armen zu den Tafeln gehen müssen, weil sie sich die Preise im Supermarkt nicht mehr leisten können? Ich habe immer gedacht, meine Gewerkschaft stünde für Abrüstung, für Entspannungspolitik und für sozialen Fortschritt. Wenn diese Beschlussvorlage vom verdi-Kongress angenommen wird, werde ich – nach 45 Jahren Mitgliedschaft in ÖTV/verdi – aus diesem Verein austreten.
Und, wer zahlt? Typische AgD-Frage. Sie als Rentner jedenfalls nicht. Und wenn’s Ihnen nicht passt, dass die derzeitige Regierung den russischen Angriffskrieg nur so mittelgut findet, einfach das nächste Mal die wählen, die das super finden. Bitteschön.
ich unterstütze eure Initiative vollständig.
Es ist schlimm, in welcher Geschwindigkeit die Regierung Deutschland wieder einmal auf Kriegskurs bringt. Und wie die Wahrnehmung und das Denken pervertiert werden. In wessen Interesse und Profit?
Und große Teile der Medien, auch der Kirchenoberen machen mit.
Panzer stehen für Frieden, Haubitzen für Demokratie und Streubomben für Freiheit… der beliebteste Politiker in Deutschland ist zur Zeit der Kriegsminister. Niemand interessiert sich für die Ursachen des Krieges, wie er beendet und der nächste Krieg verhindert werden kann. Nur Waffen, noch mehr, noch zerstörerische…und wer zahlt??
Ulrich Duncker, verdi-Mitglied, ehem.Betriebsratsvorsitzender