Gravierende Defizite beim Rüstungsexportkontrollgesetz
Die bundesweit organisierte Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ kritisiert das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) vorgelegte Eckpunktepapier für das kommende Rüstungsexportkontrollgesetz scharf. Hier die Argumente der RüstungsgegnerInnen im Wortlaut.
„Es ist ein riesiger Erfolg friedensbewegter Organisationen, dass endlich ein Rüstungsexportkontrollgesetz auf den Weg gebracht werden soll und nun der Diskussionsprozess dazu angestoßen ist. Jedoch bleiben die Eckpunkte weit hinter den Erwartungen an eine wirkliche restriktive Exportpraxis zurück, wenn es auch gute Punkte darin gibt“, so Christine Hoffmann, pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, und führt weiter aus: „So ist es ein enorm wichtiger, aber auch längst überfälliger Schritt, dass Rüstungsexporte in menschenrechtsverletzende Drittstaaten nicht mehr genehmigt werden können, unabhängig von dem spezifischen Rüstungsgut. Auch dass Menschenrechtsverletzungen von EU- und NATO-Staaten nicht mehr unbeachtet bleiben, kann nur begrüßt werden. Dass wiederum der Verwicklung in bewaffnete Konflikte oder der Verletzung des humanitären Völkerrechts nicht der gleiche Stellenwert beigemessen wird, ist unbegreiflich. Auch, dass die Kriterien nicht uneingeschränkt auf alle Empfängerländer angewendet werden, sondern nach wie vor eine Privilegierung stattfindet, widerspricht dem Zweck der Exportkontrolle, nämlich potentielle Opfer zu schützen – egal in welchem Land.“
Für Jürgen Grässlin, Bundessprecher der DFG-VK und Sprecher der Aufschrei-Kampagne sind die vorgelegten Eckpunkte „ein Schlag ins Gesicht“ all derer, die jahrelang gemeinsam mit den Grünen in der Opposition für eine wirklich restriktive Rüstungsexportpolitik gekämpft haben: „Es ist unglaublich enttäuschend und auch äußerst kurzsichtig, dass ausgerechnet das von den Grünen geführte BMWK das Verbandsklagerecht – für das die Partei jahrelang gekämpft hat! – fallen lässt.
Ein Verbandsklagerecht ist das entscheidende juristische Kontrollinstrument, mit dem die Regierung gezwungen werden kann, ihre Exportgenehmigungen streng am Gesetz auszurichten und nachvollziehbar zu begründen. Man muss daher von einem grausamen ´Tauschhandel´ sprechen, wenn auf der einen Seite die Opfer illegaler Waffenexporte in ihren Rechten gestärkt werden durch die Einführung der Zivilrechtlichen Haftungsmöglichkeit sowie die angestrebte Nebenklagefähigkeit- was gut und wichtig ist. Andererseits jedoch die „legalen“ Opfer nicht verhindert werden können, weil kein Verbandsklagerecht eingeführt wird, mit dem Rüstungsexportgenehmigungen juristisch überprüft und gegebenenfalls gestoppt werden könnten. Entsprechend muss das BMWK den Gesetzentwurf dringend nachschärfen und sich dabei gegen die Koalitionspartner SPD und FDP durchsetzen. Ansonsten verkommt das Gesetz zum zahnlosen Papiertiger.“
„Wir kritisieren außerdem scharf, dass für Kleinwaffen, die die meisten Toten verursachen, weder ein absolutes Verbot nach UN-Definition angestrebt wird, noch das bestehende grundsätzliche Exportverbot in Drittstaaten in den Eckpunkten erwähnt wird. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit einer ´grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit´ für Drittstaaten geschaffen werden soll. Wenn das auch für Kriegswaffen gilt, verstößt das gegen das grundsätzliche Exportverbot von Kriegswaffen in Art. 26, Abs. 2 Grundgesetz“, so Susanne Weipert, Koordinatorin der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, und fügt hinzu: „Außerdem werden wir noch mehr Rüstungsexporte in Drittstaaten aus europäischen Kooperationen erleben, wenn diese weiter ausgebaut werden sollen. Denn weder wird eine gemeinsame restriktive Interpretation der europäischen Kriterien erarbeitet, noch ist eine EU-Rüstungsexportverordnung auch nur zeitnah absehbar. Die Endmontage und der Export der gemeinsam produzierten Rüstungsgüter wird folglich weiterhin in den Ländern stattfinden, wo die europäischen Regeln am laxesten ausgelegt werden. Auch muss gefragt werden, nach welchen Kriterien Exporte genehmigt werden, wenn jetzt auch Kooperationsprojekte mit NATO-Staaten angestrebt werden und diese keine EU-Staaten sind und entsprechend der gemeinsame Standpunkt der EU nicht gilt. Für Großbritannien ist das seit dem Brexit der Fall. Von dort werden die Eurofighter und Tornados für Saudi-Arabien auch mit deutschen Ersatz- und Munitionsteilen versorgt.“
Trägerorganisationen der Kampagne: Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V. (AGDF) • aktion hoffnung Rottenburg-Stuttgart e.V. • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR • Brot für die Welt – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) • Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) • Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges e. V. (IPPNW) Deutschland • NaturFreunde Deutschlands • Netzwerk Friedenskooperative • Internationale katholische Friedensbewegung pax christi – Deutsche Sektion • JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) Deutsche Sektion • Ohne Rüstung Leben (ORL) • Deutsche Franziskanerprovinz • RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) • terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not • Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden (WfGA)
Mehr als hundert weitere Organisationen und Friedensinitiativen arbeiten lokal im Aktionsbündnis der Kampagne mit.
Text: Medienmitteilung
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