Jetzt sind Sie dran, Herr Kretschmann!
In der Gemeinderatssitzung am 18.7. stand auch ein Antrag von LLK und FGL auf der Tagesordnung, in dem der Konstanzer Rat aufgefordert wurde, sich gegen die damalige unrechtmäßige Praxis der Berufsverbote auszusprechen. Der Antrag wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen. Nun liegt es an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die nötigen Rehabilitierungsschritte endlich umzusetzen.
Anfang des Jahres hatte sich Ministerpräsident Kretschmann im Rahmen eines nur Online veröffentlichten Offenen Briefes zum Thema „Radikalenerlass“ und Berufsverbote geäußert (siehe seemoz vom 27.Januar 2023).
Kai Burmeister, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg: kritisierte bereits im Vorfeld Kretschmanns flaues Bedauern über das zigfach von baden-württembergischen Behörden begangene Unrecht. «Zu einer Rehabilitation der Betroffenen ist der Ministerpräsident offenkundig nicht bereit. Das ist angesichts der eindeutigen Faktenlage ein Armutszeugnis. Als DGB bleiben wir dabei: Wir erwarten eine Entschuldigung bei den Kolleginnen und Kollegen, deren angestrebter Berufsweg durch den Radikalenerlass verhindert worden ist. Genauso erwarten wir eine Entschädigung für all diejenigen, die durch die Berufsverbote herbe materielle Einbußen erlitten haben. Das Land muss jetzt einen Entschädigungsfonds auflegen.“
Der Gemeinderat der Stadt Heidelberg hat am 23.03.2023 mit deutlicher Mehrheit beschlossen, an Landesregierung und Landtag zu appellieren, den Forderungen der Berufsverbote-Betroffenen nach Rehabilitierung und Entschädigung nachzukommen.
[the_ad id=“94028″]Auf Antrag von LLK und FGL fordert nunmehr auch der Konstanzer Gemeinderat mit klarer Mehrheit (vor allem gegen Stimmen aus der CDU) die baden-württembergische Landesregierung und den Landtag auf, dem Wunsch der vom sogenannten Radikalenerlass Betroffenen nach Aufarbeitung, Entschuldigung und Rehabilitierung nachzukommen sowie einen Entschädigungsfonds einzurichten, um besonders in Fällen von Altersarmut und drastischen Pensions- bzw. Rentenkürzungen entstandene Einbußen auszugleichen. Der Antrag dazu und Kommentare im Wortlaut.
Diese Entscheidung ist nur konsequent, denn wie Holger Reile in seiner Antragsbegründung darlegte: „Konstanz war bei dem Thema Radikalenerlass und den nachfolgenden Berufsverboten mit ein Hotspot in unserer Republik (…). Damals, vor rund 50 Jahren, hatte unsere Konstanzer Universität gerade mal 2000 Studierende – alleine 500 von ihnen wurden mit Überprüfungsverfahren schikaniert, drangsaliert und gedemütigt. Über 50 Personen waren von Entlassung bedroht. Die Älteren unter uns werden sich vermutlich erinnern: Mehrere namhafte Professoren der Universität und auch der Kleine Senat unter dem damaligen Rektor Frieder Naschold wehrten sich vehement gegen diese unrechtmäßigen Verfahren, bei denen dubiose Spitzel des Verfassungsschutzes eine große und unrühmliche Rolle spielten“.
In seinem seemoz-Kommentar schreibt der vom Berufsverbot betroffene ehemalige Konstanzer Student Dr. Ulrich Kypke: „Ich verneige mich heute, mit 78 Jahren vor der demokratischen Energie der Konstanzer Gemeinderäte die mit dem heute, nach 50 Jahren endlich durchgesetzten Gemeinderatsbeschluss gegen die Berufsverbote eine Mehrheit überzeugen konnten. So kann Demokratie gehen!“
Für die Betroffenen ist dieser Zuspruch heute wichtiger denn je und Kretschmann muss jetzt endlich entsprechend handeln. Der vom Maoisten zum Christen mutierte Ministerpräsident sollte in christlicher Barmherzigkeit nicht länger auf eine biologische Lösung des Problems hoffen. Von den heute zwischen 70 und über 80jährigen Betroffenen sind nicht wenige bereits verstorben.
Mehr Infos unter www.berufsverbote.de
Text: Thomas Willauer/red
Bild: A. Savin, Wikipedia – Die Aufnahme zeigt das Konstanzer Rathaus.
Ja Kretschmann ist praktizierender Katholik. Hier eine schöngefärbte Lobhudelei zu seinem 75. Geburstag.
https://www.katholisch.de/artikel/45087-katholisch-authentisch-und-gruen-winfried-kretschmann-wird-75
Die Praxis der Berufsverbote ist tatsächlich eines der düstersten Kapitel der (west-)deutschen Geschichte in den 1970er und 1980er Jahren. Und die Gesinnungsschnüffelei nahm wahrlich groteske Formen an. So wurde etwa damals einer studentischen Bewerberin für den Job einer wissenschaftlichen Hilfskraft an der Uni Konstanz von Seiten der Uni-Verwaltung mitgeteilt, es gäbe Zweifel an ihrem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, weil sie im vergangenen Semester an mehreren Tagen (die detailliert aufgelistet waren) im Uni-Eingangsbereich den Büchertisch einer angeblich verfassungsfeindlichen Studentenorganisation betreut habe. Das heißt: Da liefen offenbar Spitzel des Verfassungsschutzes an der Uni herum und notierten, wer sich wann und wie politisch exponierte. Unfassbar!
Apropos Mutationen: Ist der MP Mitglied der katholischen Kirche, so mit allem drum und dran?