Linke: Steigende Preise + gleichbleibende Grundversorgung = Sozialer Sprengstoff
Der Kreisverband der LINKEN in Konstanz sieht in den massiven Preissteigerungen der letzten Monate eine ernsthafte Bedrohung vor allem für sozial benachteiligte Menschen. Er fordert von der Politik einen schnellen Einsatz vor allem für jene, die auch schon vor der Inflation kaum über die Runden kamen. Hier die Medienmitteilung.
Entgegen der vielen warmen Worte im Wahlkampf haben die Politiker:innen von SPD und den Grünen die soziale Frage und den Respekt vor den Menschen nicht mehr ganz so nah vor Augen. Den Folgen der andauernden Inflation begegnen sie einerseits mit dem ineffizienten Instrument der Gießkanne, andererseits mit purer Ignoranz gegenüber den Auswirkungen der Preissteigerungen auf sozial benachteiligte Personen. Beides führt nicht zur Lösung des Problems für die Menschen und schafft zugleich in Zeiten der Krise massiven sozialen Sprengstoff.
Die Inflation, die schon vor der russischen Invasion in die Ukraine exorbitante Ausmaße angenommen hatte, wurde durch den Krieg und seine mannigfaltigen Folgen nochmals angeheizt und zugleich verlängert. Wir alle sehen die aktuellen Kosten für Lebensmittel, jüngst kündigten die Konstanzer Stadtwerke eine Verdopplung (!) der Kosten pro Haushalt in baldiger Zukunft an. Solange der Krieg geführt wird – und aller Voraussicht nach auch eine nicht allzu kurze Zeit danach – wird diese massive Inflation anhalten und beständig Löhne kürzen, Ersparnisse abschmelzen und die Versorgungskosten der Menschen verteuern. Nach Thomas Piketty, französischer Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, wirkt die Inflation dabei wie eine regressive Vermögensabgabe, trifft sie doch vor allem Personen, die außer Bargeld und Ersparnissen nichts besitzen. Das Vermögen der gut situierten Haushalte besteht dagegen aus Immobilien, Betriebsvermögen und Finanzportfolios, die von den Auswirkungen der Inflation nur marginal betroffen sind. Politik, allem voran jene des Bundes, steht in der Verantwortung, die Folgen der Geldentwertung gerade im Falle jener Menschen abzumildern, die schon vor der treibenden Inflation kaum genug Geld zur Verfügung hatten, um über die Runden zu kommen.
Die Bundespolitik antwortete einerseits mit einem bunten Maßnahmenpaket, das dem Prinzip der Gießkannenpolitik gemäß einfach viel Geld für alle möglichen Personengruppen ausschüttet. Neben einem mittlerweile immerhin erhöhten, allerdings dennoch einmaligen Heizkostenzuschuss bestehen die Antworten der Regierung in Steuererleichterungen, in einer Erhöhung der Pendlerpauschale und in einer dreimonatigen Ermäßigung des öffentlichen Nahverkehrs: Natürlich vermögen es all diese Maßnahmen Menschen kurzfristig zu helfen, gleichwohl vergibt sich die Politik jeder Chance auf eine Steuerung. Dieses Instrument der Gießkanne scheint weniger politischen Erwägungen zu entstammen als dem koalitionsinternem Burgfrieden. Um alle Parteien der Trinität zufriedenzustellen, wird das Geld ohne langfristige Perspektive verstreut: Wie die Steuererleichterung auch den Reichsten zugutekommt wird durch die Pendlerpauschale einmal mehr der motorisierte Individualverkehr gefördert. Die Förderung des ÖPNVs ist zwar begrüßenswert – und zugleich überraschend günstig -, die auf drei Monate begrenzte Maßnahme allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, von der zudem niemand so recht weiß, wie sie umgesetzt werden soll… Insgesamt: Ein notdürftiges Flickwerk, dessen Wirkung ähnlich schnell verflogen sein dürfte wie die Mehrwertsteuersenkung im letzten Jahr.
Zugleich, und das geht zunehmend unter, droht die Gefahr der Verarmung und Verelendung breiter Teile dieser Gesellschaft. Es geht dabei um arbeitslose Personen ebenso wie jene im Niedriglohnsektor und Rentner:innen: All diese Menschen und viele andere konnten schon vor dem Einsetzen der massiven Inflation kaum von ihren Einkünften leben. Hartz IV., daran sei hier noch einmal erinnert, steigt dieses Jahr für alleinstehende Erwachsene um 3 Euro auf 449 Euro. Nach Berechnungen der Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbandes müsste der Regelsatz hingegen bei 678 Euro liegen, um das Existenzminimum tatsächlich zu gewähren. Rechtswissenschaftlerin Professorin Anne Lenze bezeichnet die magere Erhöhung folglich als verfassungswidrig. Jetzt, wo nicht nur Grundgüter wie Wohnen, Heizen und warmes Wasser immer teurer werden, sondern auch Lebensmittel und Mobilität, da bräuchte es einen Staat, der genau die Menschen schützt, ihnen also jenen Respekt entgegenbringt, den sie in der Wahl noch versprach. Die wertvollen Hinweise des Wirtschaftsministers, einfach mal nicht zu heizen, sich ins Homeoffice zu begeben oder sich im Verzicht auf die nächste Reise zu üben, helfen Menschen in dieser Situation nicht weiter.
Was sehen wir stattdessen: Die Schlangen vor den Tafelläden werden immer länger, zugleich haben diese aber immer weniger zu geben. Die Einmalzahlungen der Regierung werden das Problem der Grundversorgung nicht lösen. In der Folge entsteht ein massiver sozialer und politischer Sprengstoff, für dessen Entstehen aber die Politik und die mediale Öffentlichkeit momentan blind ist. Wenn sich die Angst vor weiteren Eskalationen des Kriegs mit einer existentiellen Not und der politischen Ohnmacht verknüpft, dann droht ein wenig wünschenswertes wie kaum beherrschbares gesellschaftliches Klima zu entstehen.
Die soziale Schieflage, die sich immer tiefer in die deutsche Gesellschaft gräbt, droht in Folge der Inflation also nur noch tiefer zu werden: Müssen die wohlhabenden Haushalte sich kaum einschränken, müssen sich die ärmeren Haushalte nurmehr zwischen warmem Wasser und Lebensmitteln entscheiden. In einer der reichsten Wirtschaftsnationen und im Angesicht regnender Milliarden für das Militär ist diese Schieflage geradezu skandalös. Wir fordern von der Bundespolitik, die Versorgung der sozial Benachteiligten schnell und umfänglich sicherzustellen. Neben der kurzfristigen Abhilfe der aktuellen Not muss die Politik endlich Strukturreformen einleiten, die mittel- und langfristig Armut und soziale sowie ökonomische Benachteiligung wirksam bekämpfen. Ein Sozialstaat, will er seines Namens würdig sein, bedarf eines Grundmaßes sozialer Gerechtigkeit, ohne dass der gesellschaftliche Kitt verloren zu gehen droht.
MM: Kreisverband der LINKEN in Konstanz, Bild: Manuel Alvarez auf Pixabay